Die saarländischen Turner dürften sich auf eine „Goldene Generation“ freuen: Drei Debütanten haben bei der Deutschen Meisterschaft der Männer mit insgesamt vier Medaillen abgeräumt – darunter zwei goldene.

Damit hatte im Vorfeld keiner gerechnet: Die Toptalente von Kunstturn-Bundesligist TG Saar sorgten bei ihrer ersten Teilnahme an einer Deutschen Gerätturn-Meisterschaft der Männer für einige Überraschungen. Bei der am zweiten Juli-Wochenende im Rahmen der Großveranstaltung „Die Finals 2023 Rhein-Ruhr“ in Düsseldorf ausgetragenen Meisterschaft holte der 18-jährige Daniel Mousichidis zweimal Gold (Boden und Pauschenpferd), Maxim Kovalenko (18, Sprung) und Gabriel Eichhorn (17, Reck) jeweils Silber. „Unglaublich. Einfach geil“ – viel mehr fiel Thorsten Michels anfangs dazu nicht ein.
Der Vorsitzende der TG Saar freut sich nicht nur für die Teenies, die auch schon im Bundesliga-Kader des Deutschen Meisters von 2020 ihren festen Platz haben. Bei Einzelmeisterschaften starten sie allerdings für ihre Heimatvereine: Mousichidis für den TV Schwalbach, Maxim Kovalenko für den TV Bous und der zur Saison 2022 verpflichtete Gabriel Eichhorn, der aus dem rheinland-pfälzischen Niederkirchen stammt, für den MTV Stuttgart. „Ich – ach was, die ganze TG ist unfassbar stolz auf die Jungs. Wir gratulieren ihnen und ihrem Trainer Waldemar Eichhorn von Herzen zu dieser großartigen Leistung“, sagt Michels.
Mousichidis düpierte erfahrene Konkurrenz
Junioren-Europameister Mousichidis düpierte die erfahrenere Konkurrenz am Boden und am Pauschenpferd und wurde an beiden Geräten völlig überraschend Deutscher Meister. Als Sechster hatte sich Mousichidis für das Boden-Finale qualifiziert. Den alles entscheidenden Durchgang musste – oder besser: durfte – er dann eröffnen. Mit seiner fehlerfreien Übung ließ er nicht nur aufhorchen, sondern legte die Messlatte für die Mit-Finalisten gleich extrem hoch. Zu hoch, wie sich bald herausstellte: An seinen 13,966 Punkten bissen sich selbst etablierte Spitzenturner die Zähne aus. Vizemeister Tom Schultze vom SC Cottbus landete mit 13,600 Punkten deutlich hinter dem Saarländer. Etwas anders lief es am Pauschenpferd. Hier leistete sich Mousichidis, der diesmal als letzter Finalteilnehmer an der Reihe war, sogar einen kleinen Patzer beim Abgang. Dennoch bedeuteten 13,900 Punkte die zweite Goldmedaille für das Multitalent, das sich damit gegen zahlreiche Arrivierte durchsetzte, darunter der ehemalige EM-Dritte Nils Dunkel (Halle/Saale).
„Die Boden-Übung turne ich schon recht lange. Erst, als am Pauschenpferd viele vor mir gestürzt sind, war ich auf einmal angespannt. Da wusste ich, es geht was“, gibt Mousichidis zu, schiebt aber selbstbewusst nach: „Das war die erste Chance, dass wir uns bei den Senioren zeigen können, dass wir was draufhaben. Es war auch ein bisschen Glück dabei, aber auch harte Arbeit im Training.“ „Er ist einfach eine Maschine“, fasst Thorsten Michels zusammen. Der 18-jährige Mousichidis ist mit 23 Punkten aus den ersten drei Wettkämpfen sogar Topscorer der Bundesligamannschaft. Er liegt damit in der internen Rangliste ganze fünf Punkte vor seinem doppelt so alten Trainer Waldemar Eichhorn. Die TG ging nach einem Sieg aus den ersten drei Wettkämpfen als Tabellen-Sechster in die Sommerpause. Der vierte von insgesamt sieben Wettkampftagen findet für die Saarländer am 21. Oktober bei Eintracht Frankfurt statt.
Einen Tag nach der Mousichids-Gala zogen die Mannschaftskameraden Maxim Kovalenko und Gabriel Eichhorn mit ihren Silbermedaillen nach. Eichhorn, Stiefbruder der deutschen Rekord-Turnerin Elisabeth Seitz, wurde Deutscher Vizemeister am Reck und Kovalenko, wie Mousichidis ein TG-Eigengewächs und gebürtiger Saarländer, Vizemeister beim Sprung. „Ich war überhaupt nicht aufgeregt und bin gut reingekommen“, erinnert sich Kovalenko und stellt fest: „Ich habe, glaube ich, noch nie einen so guten Sprung gemacht. Dass ich dann ohne Schritt gestanden habe, war echt cool.“ Er war schon mit einem starken Mehrkampf in seine erste Meisterschaft bei den Männern gestartet. In dem Wettbewerb, der als Qualifikation für die Gerätefinals diente, schrammte er als Vierter mit 77,731 nur denkbar knapp an der Bronzemedaille (Nils Dunkel, 77,965 Punkte) vorbei und landete vor international etablierten Größen wie dem 32-jährigen Andreas Toba (TK Hannover, 5. Platz). Auch das war „echt cool“ und überraschte nicht nur ihn selbst. Obwohl: „Ich hatte mir zusammen mit meinem Trainer ein Ziel gesetzt“, sagt er kleinlaut und verrät nach kurzer Pause: „Das war Platz drei. Aber das war auch ein absichtlich hoch gewähltes Ziel. Jetzt habe ich es sogar fast erreicht.“ Eine Woche zuvor wurde Kovalenko in Dillingen Deutscher Vizemeister der Junioren im Mehrkampf. Meister wurde Teamkollege Daniel Mousichidis, Bronze holte Gabriel Eichhorn.

Durch die sensationellen Erfolge bei der Deutschen Meisterschaft wurden Daniel Mousichidis und Maxim Kovalenko von hoffnungsvollen Talenten quasi über Nacht zu Kandidaten für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. „Ich habe mich ein Stückchen bewiesen, aber die Qualifikation ist ja erst im nächsten Jahr. Trotzdem ist es jetzt mein großes Ziel“, sagt Mousichidis. Das gilt auch für Kumpel Maxim: Eigentlich hatte er die Spiele 2028 in Los Angeles anvisiert. Durch das Auftrumpfen bei den Deutschen Meisterschaften in Düsseldorf rücken plötzlich auch für ihn die Spiele 2024 in Paris in den Fokus. „Es wird schwer, aber Chancen sind da und die wollen wir jetzt nutzen. Wir werden uns darauf vorbereiten und die Quali mitturnen, dann sehen wir, was dabei rauskommt“, sagt Kovalenko, der jüngst von Bundestrainer Valeri Belenki ins Trainingslager der Nationalmannschaft in Italien einberufen wurde.
Plötzlich ist Olympia ein großes Thema
Außer den Medaillengewinnern nahmen weitere TG-Athleten an der Deutschen Meisterschaft Geräteturnen teil: Der vierte Debütant bei den Männern, Moritz Steinmetz vom TV Bous, zeigte wie der außer Konkurrenz gestartete ukrainische Turner, Mykola Syniukhin, eine solide Leistung. Nationalturner Felix Remuta (TSV Unterhaching) blieb – auch aufgrund einer langwierigen Schulter-Problematik – als 22. im Mehrkampf und Sechster beim Sprung hinter den eigenen Erwartungen zurück. Der achte Turner, der sich aus den Reihen der TG Saar für die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft qualifiziert hatte, Joshua Maul, musste seinen Start wegen eines Schienbeinkopf-Bruchs kurzfristig absagen.