Mit vergünstigten Theatertickets, Kooperationen mit Kultureinrichtungen, Angeboten zu Einblicken hinter die Kulissen und einem Nachwuchspreis ist die Theater-Gemeinde seit 60 Jahren aus dem Berliner Kulturleben nicht mehr wegzudenken.
Das Kulturangebot der Stadt auf einen Blick und dazu niedrigere Ticketpreise als an der Theaterkasse - das ist der Kernservice der Theater-Gemeinde Berlin seit ihrer Gründung vor 60 Jahren. Erst kürzlich wurde das Jubiläum mit einem großen Sommerfest im Deutschen Theater gefeiert.

Dabei unterstrich Vorsitzender Erich Ergang, dass sich die Theater-Gemeinde in den 60 Jahren ihres Bestehens immer wieder den Herausforderungen der jeweiligen Zeit gestellt habe. Stets habe man versucht, den Kulturservice für die Mitglieder kontinuierlich zu verbessern und die Theater-Gemeinde Berlin auf die Zukunft auszurichten. Anlässlich des Jubiläums wurde auch der Abschied des scheidenden Intendanten des Deutschen Theaters Ulrich Khuon gefeiert, dessen Amtszeit in der Spielzeit begonnen hatte. Martin Holländer, der Geschäftsführer der Theater-Gemeinde hob die besondere Beziehung zum Deutschen Theater hervor, den immer partnerschaftlichen Umgang und die Vermittlung des Gefühls als Kulturvermittler bedeutsam zu sein. Als Dank dafür und für die Förderung junger Schauspieltalente erhielt Ulrich Khuon als Überraschung die erstmals verliehene „Ehren-Daphne 2023“, die er sichtlich gerührt entgegennahm.
Interesse für alle Kultursparten wecken
1963 wurde die Theater-Gemeinde als gemeinnütziger Verein gegründet. Seitdem ist es ihr Anliegen, bei einem breiten Publikum Interesse für alle Bereiche der Kultur zu wecken und zur Teilnahme am Kulturleben anzuregen. Sie versteht sich dabei als Mittlerin zwischen den Bühnen der Bundeshauptstadt, den Künstlern und Künstlerinnen und dem Publikum. Mit derzeit 10.000 Mitgliedern ist sie eine der größten Besuchsorganisationen Deutschlands. Bundesweit ist sie mit 15 weiteren örtlichen Theater-Gemeinden im Bund der Theater-Gemeinden vernetzt.
Zum Zeitpunkt ihrer Gründung am 7. Juni 1963 war Berlin eine geteilte Stadt. Wer in West-Berlin eine bestimmte Theateraufführung sehen wollte, musste meist stundenlang und oft vergeblich an der Theaterkasse Schlange stehen. Der Vorverkauf bezog sich meist nur auf die nächsten Vorstellungen und nicht wie heute oft üblich auf einen wesentlich längeren Zeitraum, oft sogar eine ganze Spielzeit. Durch das Angebot der Theater-Gemeinde wurde der Theaterbesuch besser planbar – und mitunter auch etwas kostengünstiger.
Die Geschichte der Theater-Gemeinden geht auf das Jahr 1890 zurück. Mit der Entstehung der Freien Volksbühne, einer kulturpolitischen Bildungsorganisation der deutschen Arbeiterbewegung, sollte Arbeitern und Geringverdienern der regelmäßige Theaterbesuch zu sozialverträglichen Preisen ermöglicht werden. Als bürgerlicher Gegensatz entstand dreißig Jahre später der Bühnenvolksbund. Dieser setzte sich in der Weimarer Republik für preisermäßigte Theaterkarten ein, hatte aber auch durchaus pädagogische Ziele. Indem man vielen Menschen regelmäßige Theaterbesuche ermöglichte, sollte allgemein ein besseres Verständnis für die Kunstgattung geweckt werden. Dazu brachte der Bühnenvolksbund auch eigene Publikationen heraus. Zu den wohl fortschrittlichsten Ideen gehörte eine einkommensabhängige Zuteilung der Theaterplätze nach einem Rotationssystem.
Das neue Modell der Besucherorganisation rechnete sich für Kulturinteressierte sowie Theater, weil durch die Abnahme großer Kartenkontingente und die Erschließung neuer Publikumsschichten Preisnachlässe möglich wurden, die die Organisationen an ihre Mitglieder weitergaben. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen nach dem Ersten Weltkrieg erlebten sie erneut einen Aufschwung. Die aus den Besucherorganisationen hervorgegangenen Theater-Gemeinden entwickelten sich in vielen deutschen Städten. Wie alle unabhängigen Vereine und Verbände wurden sie von den Nationalsozialisten 1933 zerschlagen.
Nach Kriegsende entstanden die Besucherorganisationen neu. Durch die Gründung der Theater-Gemeinde Berlin im Juni 1963 verlor die bereits seit 1947 wieder bestehende Freie Volksbühne ihre Monopolstellung im Westteil der Stadt. Zusätzlich zum ermäßigten Kartenpreis bot die Theater-Gemeinde Berlin ihren Mitgliedern viele Neuerungen an: freie Wahl der Stücke und Termine, keine jährlichen Vorauszahlungen, Bezahlung der bestellten Karten nach Erhalt der Karten, Zusendung der Karten per Post. Die Platz-Zuschüsse für Besucherorganisationen schaffte das Land Berlin 1994 generell ab. Die subventionierten Theater geben Karten zu Sonderkonditionen seitdem direkt an die Theater-Gemeinde ab.

Preise für Darsteller und Neu-Inszenierung
Heute bietet die Theater-Gemeinde als Kulturdienstleister Informationen und Orientierungshilfe in dem sich ständig wandelnden Kulturangebot der Hauptstadt mit über 150 Bühnen und Veranstaltungsorten. Für eine Mitgliedsgebühr von drei Euro pro Monat kann jedes Mitglied monatlich aus etwa 900 Veranstaltungen und nahezu aller Berliner Bühnen und Kulturveranstalter ein individuelles Kulturprogramm zusammenstellen. Zur Auswahl stehen Oper, Ballett, Tanztheater, Musical, Schauspiel, Kinder- und Jugendtheater, Freie Szene bis hin zu Kabarett und vom klassischen bis zum Rock-Konzert. Außerdem bietet die Theater-Gemeinde eigene Veranstaltungen wie beispielsweise Blicke hinter die Kulissen der Theaterbühnen und festliche Saisoneröffnungen.
Außerdem vergibt die Theater-Gemeinde zwei Preise pro Jahr, den Daphne-Preis für herausragende junge Darsteller der Berliner Kulturszene und die Auszeichnung „Aufführung des Jahres“ für eine Neuinszenierung. Die rund 10.000 Mitlieder der Theater-Gemeinde wählen per Abstimmung die jeweiligen Gewinner aus. Den diesjährigen Daphne-Preis erhielt die Sopranistin Penny Sofroniadou, die zum Ensemble der Komischen Oper Berlin gehört.
„Unsere Sonderveranstaltungen anlässlich der Preisverleihungen, und um die Mitgliedschaft noch attraktiver zu machen, wurden in den vergangenen Jahren Kooperationen mit rund 50 namhaften Museen, Filmkunsttheatern und Restaurants in Theaternähe geschaffen.“ Auch bei diesen erhalten Mitlieder Vergünstigungen. „In diesem Sinne“, so Theater-Gemeinden-Geschäftsführer Martin Holländer, „soll es auch künftig weitere Angebote geben, spezielle Führungen und Veranstaltungen.“ Denn das Interesse an informativen dennoch lockeren Formaten sei groß – so will man auch künftig sicherstellen, dass über die Theater-Gemeinde unterschiedliche Menschen zum Kulturgenuss animiert werden.