Die zum Unesco-Welterbe geadelte Landschaft Wadi Rum in Jordanien diente schon in etlichen Blockbustern als Kulisse. Kein Wunder, diese Weite, diese Felsen! Ähnlich spannend wie eine Jeep- und Kameltour sind der Lunchbesuch bei Beduinen und die Campnacht unterm Wüstenhimmel.

In einer weit, weit entfernten Galaxie gibt es viel zu entdecken. Nicht nur für Leinwandhelden wie Rey, Luke und Han Solo, sondern auch für echte Star-Wars-Fans. Denn für zahlreiche Szenen auf Tatooine, Endor, Naboo und Co. haben sich die Macher der berühmtesten Science-Fiction-Saga der Welt ganz realer Drehorte bedient. Einer davon: das Wadi Rum. In dem südjordanischen Landschaftsschutzgebiet wurden mehrere Sequenzen des 2019 erschienenen neunten Teils „Der Aufstieg Skywalkers“ gedreht. Und nicht nur das. „Der Marsianer“, „Oblivion“, „Transformers“, „Dune“ – alles Blockbuster, die auf eine mond- und marsähnliche XXL-Kulisse setzen. Und auf das Wadi Rum. Ja, und dann wäre da noch „der“ Wüstenklassiker schlechthin: „Lawrence von Arabien“, 1962 mit sieben Oscars dekoriert. Der monumentale Streifen basiert dabei auf den Aufzeichnungen des im Wadi Rum stationierten T. E. Lawrence. In eben diesem Buch, als „Die Sieben Säulen der Weisheit“ ebenfalls weltbekannt geworden, beschreibt der britische Offizier das 740 Quadratkilometer große Tal – nichts anderes bedeutet Wadi – mit folgenden Worten: „weit, einsam und göttlich“. Das gilt auch noch rund 100 Jahre später. 2011 nahm die Unesco das riesige, großteils unberührte Gebiet, aus dem sich monolithische Felsformationen bis zu 1.750 Meter aus dem roten Sandboden erheben, in ihre Welterbeliste auf.
Spannende alte Kultur
Ganz so hoch ragen die Gipfel beim Visitor Center am Nordeingang zwar nicht empor, aber die Szenerie präsentiert sich bereits hier filmreif. Zackige Berge, gelber bis roter Sand, dazwischen immer wieder grüner, hüfthoher Bewuchs. „Das Wadi Rum ist bei vielen Gästen ein Highlight ihrer Jordanien-Reise“, erklärt Guide Ayman Samih Salem Tadros auf Deutsch. Und Highlights hat das haschemitische Königreich wahrlich einige, etwa die mit dem Etikett „Weltwunder“ behaftete nabatäische Felsenstadt Petra, die XXL-Ausgrabungsstätte Jerash, die Topmuseen der Hauptstadt Amman und die biblischen Stätten entlang des Jordans. Jahrtausendealte Kultur, wohin man blickt.
Auch im Wadi Rum gibt es viele Felszeichnungen, die aus einer Zeit weit vor Christi Geburt stammen. Bei unserer ersten Jeep-Runde etwa zeigt Ayman uns tierische Hieroglyphen an einer haushohen Felswand: „Vermutlich war den Jägern langweilig, als sie auf ihre Beute warten mussten“, mutmaßt der 62-Jährige, „und kritzelten sie in den Stein.“ Dazu zählten Oryx-Antilopen, Wölfe und Hyänen. Heutzutage ernähren sich die Beduinen, von denen die meisten längst sesshaft geworden sind, freilich anders. Wie, das dürfen wir hautnah erleben. Bei einem Mittagessen der Familie Zahweidh im Dorf Disah. Der in traditionelles Thawb gewandete Hausherr, Muhammad, empfängt immer wieder Gruppen im Gästezimmer. So auch heute.

Vorher heißt es Hände waschen und Schuhe ausziehen. Schließlich soll der in diesem großen und deutlich von den Privaträumen der siebenköpfigen Familie getrennten Raum befindliche Teppich nicht verschmutzt werden. Barfuß oder mit Socken lümmelt man also am Boden, wo auch im Schneidersitz gegessen wird. Eine Plastikfolie dient als Tischdecke. Um die platzieren sich alle, während der 47-Jährige einen Eintopf aus Reis, Huhn, Kichererbsen und Zitrone auf Teller verteilt. „Maqluba“, erklärt Muhammad, „gilt als Nationalgericht Jordaniens, hier haben wir es etwas abgewandelt. Mehr Erdnuss, weniger Pinienkerne.“ Seine zehn- und 14-jährigen Söhne bedienen uns derweil mit Getränken, erst mit Artemisia-Tee und Wasser, später mit „weißem“ Kaffee, der seine helle Farbe der geringeren Röstung verdankt. Gewöhnungsbedürftig. Während wir vom honigsüßen Hareeseh-Nachtisch naschen, werden wir in den Garten gerufen: „Gerade kam ein Kamelbaby zur Welt!“, berichtet die zwölfjährige Tochter aufgeregt. Entzückend, wie das noch ganz verschmierte Höckertier versucht, auf eigenen Beinen zu stehen. Doch immer wieder plumpst es zu Boden. „Das kann noch Stunden dauern“, kommentiert Muhammad und schlägt vor, dass wir es uns im Wohnzimmer gemütlich machen. Dort lernen wir seine Frau Mona sowie zwei weitere Töchter kennen. In Gesprächen bekommen wir Einblick in Jordaniens viel gelobtes Bildungssystem – und das via Handy steuerbare Kamerasystem des Grundstücks. Auf einem Bildschirm zeigt Muhammad uns diverse Einstellungen, die Kinderschar nebenan schaut Tik-Tok-Videos. Beduinen-Familienalltag im Jahr 2023.
Verein stärkt die Beduinen-Frauen

Alles modern, alles gleichberechtigt? Keineswegs. Gerade in Beduinen-Gesellschaften spielen traditionelle Lebensweisen noch eine große Rolle. Doch es tut sich was, nicht nur bei den Zahweidhs. Die Disi Women’s Cooperative, bei der Mona eine von mehr als 300 teilnehmenden Frauen ist, beweist es. Das Ziel: Frauen sollen ein Standbein neben der Familie aufbauen können, wenn sie es wollen. Wie das aussieht, schauen wir uns vor Ort an, in der „Zentrale“, keine drei Straßen weiter. Gerade findet ein Workshop statt, bei dem sechs teils stark verschleierte Frauen den Ausführungen eines Finanzexperten lauschen. Wir platzen in einen Kurs zur Kreditvergabe für Frauen, mit dem sie zu Finanzberaterinnen für ihre Großfamilien werden sollen.
Im Vordergrund steht jedoch die Veredelung diverser Güter wie Armbänder, Geschirr, Kleidung. Im Hinterzimmer etwa werden Tassen bemalt, in einem Nebengebäude Shirts genäht und bestickt, im Gewächshaus in Kooperation mit einer NGO resistente Büsche und Sträucher wie Thymian, Beifuß, Akazien gezüchtet, um sie später in der Wüste anzupflanzen, damit diese die weitere Versteppung verhindern. Auf dem Gelände findet auch die Ausbildung für Brotback- und Kochkurse statt, die Frauen in den umliegenden Touristencamps anbieten. Kurz: Der 2010 von der Beduinin Qutanah Huwaitat gegründete Verein setzt sich auf vielfältige Weise für die Stärkung von Beduinen-Frauen in allen Lebensbereichen ein, bekämpft Arbeitslosigkeit und bietet Beschäftigung für bedürftige Familien.
So wie die von Bakeeth Suleem Al Zouedh, die uns sagt: „Früher konnten Frauen hier kaum Arbeit finden, trotz Abitur. Das ist nun dank der Assoziation anders. Auch wenn die meisten Männer anfangs nicht einverstanden waren, finden sie es mittlerweile gut.“ Ihr Meinungsumschwung liege wohl auch darin, „dass sie gesehen haben, dass Geld reinkommt“. Das meiste Einkommen wird im Tourismus generiert, durch Übernachtungen, Gastronomie und insbesondere Kamel- und Jeep-Touren.
Komfort-Zelte für die Touristen

Eine solche Kombi steht nun für uns auf dem Programm. Also rauf auf die Ladefläche eines Jeeps, die rot-weiße Kufiya zum Sand- und Windschutz gewickelt und auf geht’s! Gleich hinter Disah beginnt mehr oder weniger Niemandsland. Wobei: Viele Autospuren verraten, dass vor Kurzem auch andere da waren. Was nichts macht, das erhabene Gefühl bleibt. Große Felsen, große Weite, große Freiheit.
Nach einer halben Stunde stoppen wir an einem traditionellen schwarzen Beduinen-Zelt. Ein Mann fiedelt auf einer Al Rababah, ein anderer singt alte Weisen, es gibt Tee und Einblicke in das alte Wüstenleben, freilich für internationale Besucher aufbereitet. Als noch eine weitere Großgruppe ankommt, klettern wir wieder auf die Ladefläche und brausen weiter. Vorbei an einer bizarren Felsformation, die wie ein überdimensionaler, ausgehöhlter Dinoschädel aussieht, geht es zur eindrucksvollen Naturbrücke von Khrazza. Viel los hier, Insta-Alarm! Nach dem obligatorischen Überqueren warten Kamele auf uns. Das Reiten selbst, hat man einmal den Überraschungsruck zu Beginn gemeistert, ist nicht schwer. Auf dem Rücken der Tiere erkunden wir im Schlendergang die weitere Umgebung. Danach satteln wir wieder vom Vierbeiner auf den 4x4. Mit dem brausen wir in den Sonnenuntergang. Und ins „Sun City Camp“, das typisch für das Wadi Rum ist: Mehrere Komfort-Zelte (mit Heizung, Klimaanlage und eigenem Bad) und sogar einige Bubbles bilden eine ungewöhnliche Unterkunft, die wie eine Marssiedlung am Fuße eines riesigen Felsens in der rotbraunen Wüste liegt. Derartige Camps gibt es rund 50, Tendenz steigend. Der Komfort kommt eben gut an, auch das kuppelhafte XXL-Speisezelt und die Animation am Abend. Mit einsamem Wüsten-Ambiente hat das Ganze nichts zu tun, sowohl Straßen als auch benachbarte Camps sorgen für Action, auch nachts heizen Autos durch die Ebene. Wir haben uns die Location weniger belebt und die Nacht weniger hell vorgestellt. Doch fürs Star Gazing rund 500 Meter weiter reicht es, auch weil Stellwände vorbeiziehende Autoscheinwerfer abblenden. So können sich Teilnehmer der zweistündigen Vorführung auf den klaren Sternenhimmel konzentrieren. Irre, so gut sieht man die Sterne sonst nie – und fünf sündhaft teure Teleskope ermöglichen ein Heranzoomen besonders weit entfernter Galaxien.