Die Absicherung und Versorgung der älteren Generation ist ein zentraler Eckpfeiler des Sozialstaats. Die wachsende Zahl von Rentnern und Pensionären erfordert neue Wege in der Finanzierung der Alterssicherung. Diskussion über Ideen und Vorschläge gibt es reichlich.
Es gibt nur wenige im politischen Geschäft, die es schaffen, mit einem einzigen Satz nachhaltig und dauerhaft Debatten zu bestimmen. John F. Kennedys Ausruf „Ick bin ein Berliner“ ist so ein Satz. Oder Martin Luther Kings „I have a dream“.
Auf etwas kleinerer als der großen internationalen Bühne hat Norbert Blüm etwas Ähnliches geschafft. Keine Diskussion um die Altersversorgung in der Bundesrepublik kommt ohne seinen berühmten Satz aus: „Die Rente ist sicher“. Der 2020 verstorbene CDU-Politiker hat als einziger Minister die gesamten 16 Regierungsjahre von Kanzler Helmut Kohl begleitet und in dieser Zeit die „Sozialordnung“ der Bundesrepublik geprägt, die Pflegeversicherung mit aus der Taufe gehoben – und eben jenen berühmten Satz gesagt. Eigentlich war es ein Wahlkampfspruch (1986): „Eins ist sicher: Die Rente“.
Dass sein Spruch bis heute in aller Munde ist, hat sicher auch viel damit zu tun, dass Debatten um die Rente immer auch mehr sind als Diskussionen um Beitragssätze, Bundeszuschüsse, Rentenniveaus und „Doppelte Haltelinien“.
Rente – das ist auch ein Synonym für Vertrauen, Sicherheit, Perspektiven. Es hat mit gesellschaftlicher Stabilität und persönlicher Lebensplanung zu tun. Es geht um den Grundpfeiler gesellschaftlicher Solidarität über die Generationen hinweg. Das alleine schon garantiert, dass jede Rentendiskussion immer auch stark emotional geprägt ist.
Dass Blüms Satz solche Berühmtheit erreichen konnte, liegt sicher auch daran, dass in dem damaligen Wahlkampf-Slogan die Ambivalenz der Sache mitschwingt: Das Versprechen, das Sicherheit und Vertrauen vermitteln sollte, hat natürlich den Hintergrund, dass es eben daran Zweifel geben könnte bzw. real tatsächlich gibt.
Und Gründe für diese Zweifel hat es in der Vergangenheit ebenso gegeben, wie es sie heute gibt. Die Herausforderungen heute lassen sich mit einer Reihe von konkreten Fakten beschreiben.
Die Regelung mit der „doppelten Haltelinie“ gilt zunächst nur bis 2025. Die „Haltelinien“ bedeuten: Das Rentenniveau darf nicht unter 48 Prozent sinken, die Beiträge nicht über 20 Prozent steigen.
Aufgrund der demografischen Entwicklung ist klar: Wenn demnächst die Babyboomer-Jahrgänge das Renteneintrittsalter erreicht haben, wird es mit dem jetzigen System nicht mehr funktionieren. Die bereits jetzt hohen Bundeszuschüsse (über 100 Milliarden Euro) weiter zu erhöhen, um damit die „Linien“ auch weiter halten, ist keine dauerhaft tragfähige Alternative.
Vor diesem Hintergrund werden inzwischen die unterschiedlichsten Modelle und Ideen diskutiert, damit das Versprechen einer sicheren Rente absehbar eingelöst werden kann.
Die Bundesregierung erwägt, sich zumindest teilweise von den Haltelinien zu verabschieden. Die erste Haltelinie (Rentenniveau nicht unter 48 Prozent) soll bleiben, die zweite (Beitragssätze nicht über 20 Prozent) will die Regierung offenbar nach 2025 aufgeben. Um die jetzt bereits ausrechenbaren Kosten zu tragen, ist ein ergänzendes „Generationenkapital“ in der Diskussion. Es geht um einen Fonds, der am Aktienmarkt Gewinne erwirtschaften soll, die einen „substanziellen Beitrag“ zur Finanzierung beitragen sollen.
Ist die Rente noch sicher?
Ebenfalls im Gespräch ist eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Veronika Grimm, Mitglied der Wirtschaftsweisen, hat vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Es müsste also steigen. Kanzler Olaf Scholz hat aber bereits klargestellt, dass es bei 67 Jahren (die schrittweise erreicht werden) bleiben soll.
Bevor diese Debatte im Herbst richtig Fahrt aufnehmen wird, hat es für die über 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner erstmal eine gute Nachricht gegeben. Nicht nur, dass es zum 1. Juli eine deutliche Erhöhung gab. Erstmals ist auch das Ziel gleicher Renten in Ost und West erreicht. Nach 33 Jahren – und ein Jahr früher, als geplant.
Getrübt wird die eigentlich gute Botschaft aber gleich durch die Entwicklung der Rahmenbedingungen. Inflation, insbesondere steigende Lebensmittel- und Energiepreise, fressen die Erhöhung nicht nur auf, durch die Bank wird es einen realen Verlust geben.
Dass es deutliche Unterschiede gibt, hat zuletzt die Diskussion über einen Inflationsausgleich in Höhe von 3.000 Euro – nur im öffentlichen Dienst – einmal mehr gezeigt: Von „unfair“ bis „unsägliches Signal“ lauten die Reaktionen aus Sozialverbänden. Die Deutlichkeit der Kritik rührt auch daher, dass ohnehin eine große Lücke klafft zwischen Renten und Pensionen, der Altersversorgung von Beamten.
Auch wenn Durchschnittszahlen nur bedingt aussagekräftig sind – unter anderem wegen der Komplexität der Systeme sowie im Beamtenbereich der Unterschiede zwischen Bund, Ländern und Kommunen – und verschiedene Berechnungen zu (leicht) abweichenden Zahlen kommen je nachdem, welche Parameter betrachtet werden, verdeutlichen sie in der Grundtendenz die Probleme. So hat beispielsweise das Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen im Vergleich für das Jahr 2020 als Durchschnitt errechnet: für Beamtenpensionen in den Ländern 3.590 Euro brutto (Männer) und 2.970 Euro (Frauen) gegenüber Renten von 1.637 Euro (Männer) und 1.210 Euro (Frauen).
Für Beamte mussten bereits Ende 2019 Rücklagen von über 800 Milliarden Euro gebildet werden, davon knapp 600 Milliarden für Pensionen und über 200 Milliarden für Beihilfen (bei privater Krankenversicherung). Auch diese Belastungen wachsen ständig.
Das hat auch dazu geführt, dass kurzzeitig eine neue Diskussion über den Beamtenstatus ausgebrochen ist. Der Wirtschaftsweise Martin Werding forderte Anfang des Jahres eine Reform der Beamtenversorgung, weil die langfristig nicht tragfähig sei. Deshalb sollte überlegt werden, ob wirklich überall hoheitliche Aufgaben (wie beispielsweise bei Polizei und Justiz) erfüllt werden. Die Diskussion, ob etwa Lehrerinnen und Lehrer verbeamtet sein müssen, ist nicht neu. Diese Entwicklungen haben auch bekannten Vorschlägen wieder Auftrieb gegeben, etwa dem Konzept einer Art Bürgerversicherung für die Rente, in die alle einzahlen.
Alte und neue Lösungsansätze
Zusätzlich ist die steigende Armutsgefährdung im Alter eine Herausforderung, die durch steigende Pflegekosten weiter verschärft wird. Über 18 Prozent der Über-65-Jährigen in Deutschland gilt als armutsgefährdet (Europäische Vergleichsstatistik, Statistisches Bundesamt), der Anteil steigt mit zunehmendem Alter und liegt bei Über-80-Jährigen bereits deutlich über zwanzig Prozent. Das Bundesfinanzministerium hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 18,4 Milliarden für Grundsicherung im Alter bereitgestellt.
Die Herausforderungen sind alle schon länger bekannt, eine grundlegende Reform komplexer Systeme wie der Rente ist aber nicht zu erwarten. Sollte es zur Einführung des sogenannten Generationenkapitals kommen, wäre dies ein Stück weit ein Paradigmenwechsel.
Neben den harten Fakten, die die Herausforderungen kennzeichnen, zeigt sich auf der anderen Seite, dass Senioren in Deutschland überwiegend zufrieden sind. „Die Rentner von heute sind glücklicher, schätzen sich gesünder ein und sind körperlich aktiver als ihre Altersgenossen vor zwei Jahrzehnten“, lautet das Fazit einer Studie von Professor Bernd Raffelhüschen (SKL Glücksatlas 2022).
Jetzt geht es darum, die Weichen so zu stellen, dass auch künftige Seniorengenerationen das von sich sagen können.