Die private Riester-Rente steht vor dem Aus. Ganz wegfallen soll sie nicht, stattdessen transparenter und einfacher werden. Ein staatlicher Aktienfonds soll die künftigen Rentenbeiträge stabil halten.
Es ist die nächste große Baustelle der Bundesregierung: die Rente. „Die schwelende Sorge, nicht ausreichend für das Alter vorsorgen zu können, treibt viele Menschen um. Die Bundesregierung muss sich nach der Sommerpause endlich ernsthaft für eine verlässliche und kostengünstige private Altersvorsorge einsetzen“, sagt beispielsweise Ramona Pop, Vorstandschefin des Verbraucherzentralen-Bundesverbandes (VBZV) in Deutschland. „Das Bedürfnis der Verbraucherinnen und Verbraucher nach einer sicheren privaten Altersvorsorge muss dabei über eine langfristige, breit diversifizierte Anlage am Kapitalmarkt umgesetzt werden. Dafür braucht es einen öffentlich organisierten Fonds, der das Geld kostengünstig und renditestark anlegt.“
Das Thema drängt seit Jahren: Bereits vor der Bundestagswahl im September 2021 sahen 88 Prozent der befragten Menschen in einer Befragung im Auftrag des VZBV die Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher im Bereich private Altersvorsorge als sehr oder eher wichtig an. Durch immer höheren Druck auf die Rentenkasse aufgrund des demografischen Wandels will die Ampelkoalition die Rente nun zukunftssicher aufstellen.
Ein wichtiges Standbein soll dabei die private Rente bleiben. Bislang war die Riester-Rente die dritte Säule der Vorsorge, neben der gesetzlichen und der betrieblichen Rente. Jetzt soll die Riester-Rente auslaufen, mit Bestandsschutz für die derzeit laufenden Verträge, stattdessen im Gespräch ist eine reformierte private Vorsorge.
„großer Wurf ausgeblieben“
Kürzlich trafen sich Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Versicherungsverbänden im Kanzleramt, um ihre Expertise zur privaten Rente abzugeben. Unter den Verbänden fand sich aber keine Mehrheit für ein staatlich organsiertes Aktienmodell, wie es in Schweden beispielsweise seit Jahren der Fall ist. Dies belegt der Abschlussbericht der „Fokusgruppe private Altersvorsorge“. Wörtlich heißt es: „Diesen Mitgliedern der Fokusgruppe ist es wichtig, den spezifischen Charakter der drei Säulen der Alterssicherung und die Produktvielfalt in der geförderten privaten Altersvorsorge zu erhalten.“ Die Wissenschaft, insbesondere die „Wirtschaftsweisen“ der Bundesregierung, übte daraufhin deutliche Kritik daran. Der Bericht sei interessengeleitet, so die wissenschaftlichen Wirtschaftsberater der Bundesregierung. Keiner der teilnehmenden Verbände habe ein Interesse daran, das bestehende System zu ändern: Gewerkschaften und Arbeitgeber wollen sich nicht umstellen, die Versicherungen und Banken keine Kunden verlieren. Daher plädierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – mit Ausnahme des gewerkschaftsnahen Ökonomen Achim Truger – vehement für einen staatlichen Aktienfonds mit einem Opt-out-Modell. Darin würde jeder Arbeitnehmer automatisch einzahlen, es sei denn, er entscheidet sich aktiv dagegen – auch dies angelehnt an das schwedische Modell.
Gleiches kritisiert auch der Bund der Versicherten (BdV) in einer Presseerklärung: „Der große Wurf bleibt leider aus. Stattdessen müssen sich die Bürgerinnen und Bürger weiterhin eigenständig informieren, wie sie an eine faire und einträgliche zusätzliche Altersvorsorge kommen. Das ist für viele keine einfache Aufgabe“, sagt Stephen Rehmke, Vorstandssprecher beim BdV.
Das neue Modell wird nach der Sommerpause der Berliner Politik verhandelt: Das Rentenniveau soll laut Bundesarbeitsministerium dauerhaft bei 48 Prozent gesichert werden. Mit dem Aufbau eines sogenannten Generationenkapitals soll der Beitragssatz langfristig stabilisiert werden – hier kommen die Aktien ins Spiel. Die gesetzliche Rente solle sich dann zukünftig aus drei Quellen finanzieren“, kündigte Heil an: aus den Rentenbeiträgen, dem Steuerzuschuss und Erträgen vom Kapitalmarkt. Letzteres ist neu und erinnert an das schwedische Aktienmodell, doch genau dasselbe will die Bundesregierung nicht übernehmen.
Vom ursprünglichen FDP-Plan einer Aktienrente ist das Generationenkapital ein großes Stück entfernt. Die FDP hatte im Wahlkampf dafür geworben, dass zwei Prozent des Einkommens in eine kapitalgedeckte Vorsorge gesteckt wird. Stattdessen will die Regierung zunächst zehn Milliarden Euro aus öffentlichen Darlehen auf dem Kapitalmarkt anlegen. Die einzelnen Renten sollen damit nicht aufgebessert werden, sondern in rund 15 Jahren die Rentenbeiträge stabilisiert werden.
Eile ist, wie so oft in diesen Zeiten in Berlin, auch in dieser Angelegenheit geboten. Das derzeitige Rentensystem gilt bis 2025. Mittelfristig drohe ein Finanzierungsproblem, so der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums, wenn das derzeitige System weiter besteht und lediglich durch Bundeszuschüsse gestützt würde. Es zeige sich, dass nach Berechnungen des Beirates 2040 mehr als die Hälfte des Bundeshaushaltes zur Stützung des bestehenden Rentenniveaus von 48 Prozent herangezogen werden müsse. Daher begrüße der Beirat die Empfehlungen der Fokusgruppe, die darauf abzielen, die kapitalgedeckte Rente zu stärken.
Generationen-Kapital statt Aktienrente
Doch die dritte Säule wackelt. Das Riester-Modell hat immer weniger Zuspruch: zu kompliziert, zu kostenintensiv für den Verbraucher, zu wenig transparent – zugunsten der Versicherungswirtschaft, heißt es etwa seitens des Bundes der Versicherten. Einige Produkte sind so teuer, dass die staatliche Zulage direkt von den Gebühren aufgefressen wird. Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt. Die Versicherer sind verpflichtet, 100 Prozent der eingezahlten Riesterbeiträge für die Rentenbezieher bei Renteneintritt zu garantieren. Wegen dieser Restriktion aber sind die erzielten Renditen gering, weil die Gelder mit möglichst wenig Risiko am Kapitalmarkt platziert werden. In Deutschland „riestern“ laut Gesamtverband der Versicherungswirtschaft derzeit 16 Millionen Menschen, zuletzt wurden jedoch immer weniger Verträge abgeschlossen.
Um wieder mehr Menschen für das private Vorsorgen zu gewinnen, sollen nun andere Formen der privaten Vorsorge kommen. Genannt werden vonseiten der Fokusgruppe ETF-Fonds – börsengehandelte Indexfonds, die transparenter, riskanter und daher renditestärker sind, jedoch geringere Garantien anbieten könnten. Zudem sollen Anbieterwechsel erleichtert werden und Produkte über ein Internetportal miteinander vergleichbar sein. Bestehende Produkte und Verträge könnten dann auch gewechselt werden. Es soll weiter Zulagen, besondere Zuschüsse für junge Menschen und Menschen mit geringem Einkommen sowie die Möglichkeit des steuerlichen Sonderausgabenabzugs geben. Bleiben soll auch das Prinzip, dass in der Investitionsphase keine Steuern anfallen, dafür aber dann bei Auszahlung, wenn der Steuersatz wegen des geringeren Einkommens im Rentenalter niedriger ist.
Damit wird das bestehende System aus Sicht der künftigen Rentenanspruchssteller nicht völlig umgekrempelt, sondern seine Schwächen ins Visier genommen. Ob diese Neujustierungen rasch das Vertrauen in ein System der privaten Vorsorge stärken, das jahrelang höchst ineffizient arbeitete und daher stark in der Kritik stand, darf bezweifelt werden.