Nichts ist so beständig wie der Wandel. Das gilt auch für die Entwicklung der Rentenversicherung. Deren Geschichte ist auch eine dauerhafter Reformen.
Die Rente ist sicher. Selbst wenn dem so ist, heißt das noch nichts darüber, über wieviel Rente Bundesbürger nach ihrem Arbeitsleben verfügen, wieviel Beschäftigte und Arbeitsgeber an die Rentenversicherung abführen müssen, wieviel Steuerzahlerinnen und -zahler für die Zuschüsse aus der Bundeskasse aufbringen müssen.
Seit 1990 ist das Rentenniveau kontinuierlich gesunken. Damals lag die Netto-Standardrente bei 55 Prozent (des durchschnittlichen Jahresentgelts) vor Steuern, 2012 waren es erstmals unter 50 Prozent, aktuell liegt es bei knapp über 48 Prozent, der sogenannten „Haltelinie“.
Die Entwicklung der Rente ist von einer ganzen Reihe von Reformen geprägt. Die größeren davon aus der jüngeren Vergangenheit sind mit den Namen Norbert Blüm und Walter Riester verbunden.
Rentenniveau sinkt seit 1990 stetig
Norbert Blüm, Minister für Arbeit und Sozialordnung in der Ära Kohl (1982-98) habe „wichtige Rentenreformen auf den Weg gebracht, die Millionen von Menschen ein würdevolles Leben im Alter sichern. Unter seiner Ägide wurde frühzeitig auf die demografische Entwicklung reagiert“, schrieb die Deutsche Rentenversicherung in einem Nachruf. (Blüm starb im April 2020). Das „Handelsblatt“ würdigte ihn gar als „Jahrhundertpersönlichkeit der Sozialpolitik“ und schrieb: „Mit seinen Rentenreformen und der Einführung der Pflegeversicherung wollte Helmut Kohls einziger Sozialminister der Demografie ein Schnippchen schlagen.“
Aber schon vorher gab es in schöner Regelmäßigkeit Reformen, wenn sich abzeichnete, dass die Rentenkasse knapp werden würde – oder sozialpolitische Forderungen umgesetzt wurden.
1957 wurde das Umlageverfahren eingeführt, Renten aus den eingehenden Beiträgen finanziert. Das funktioniert aber nur, solange es genügend Beschäftigte gibt, die einzahlen, und die Konjunktur läuft. Demografische Entwicklung und erste Konjunkturkrisen erforderten also Korrekturen. 1978 werden Rentenerhöhungen von der Entwicklung der Bruttolöhne abgekoppelt. 1983 wird beschlossen, dass Rentner Krankenkassenbeiträge zahlen müssen. Kindererziehungszeiten werden angerechnet.
Die Wiedervereinigung 1989 stellt das Rentensystem vor enorme Herausforderungen, 1992 folgt eine tiefgreifende Rentenreform, unter anderem der Beschluss, die Altersgrenze schrittweise anzuheben (auf 65 Jahre). Seit 1995 müssen Rentner auch in die Pflegekasse einzahlen.
1997 wird der „demografische Faktor“ eingeführt, der zu einer Absenkung des Rentenniveaus führt.
Ein Jahr später (1998) wird die Mehrwertsteuer von 15 auf 16 Prozent angehoben, um den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung zu finanzieren (andernfalls hätten die Beitragssätze drastisch erhöht werden müssen).
2002 wird die „Riester-Rente“ eingeführt. Die staatlich geförderte kapitalgedeckte Privatvorsorge soll ausgleichen, dass das Rentenniveau weiter sinkt. Die Riester-Rente ist bis heute umstritten.
Seit 2004 müssen Rentner auch Beiträge zur Pflegeversicherung entrichten.
Mit der Reform 2005 beginnt die Besteuerung der Rente.
2006 wird die schrittweise Einführung der Rente mit 67 beschlossen.
2014 wird die „Mütterrente“ eingeführt, 2017 die „Flexi-Rente“.
2018 werden die bisherigen „Haltelinien“ aktualisiert. Das Rentenniveau soll nicht unter 48 Prozent (vorher: 46 Prozent) fallen, die Beiträge nicht über 20 Prozent (vorher: 22 Prozent steigen). Die Festlegung gilt bis 2025.
2023: In der Bundesregierung werden Pläne diskutiert, wonach die doppelte Haltelinie aufgeweicht wird. Das Mindestrentenniveau von 48 Prozent soll bleiben. Außerdem wird ein sogenanntes „Generationenkapital“ diskutiert, über das Beitragssatzsteigerungen zumindest abgefedert werden sollen. Zudem werden weitere Vorschläge diskutiert, beispielsweise eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die Entwicklung der Lebenserwartung.