In gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre lädt das „Café Odor“ an der Kurfürstenstraße zu italienischen Kaffeesorten, koreanischem Tee, Kuchen und Frühstück ein. In Prenzlauer Berg gibt es mittlerweile eine Dependance.
Nahe der Potsdamer Straße, an der berüchtigten Kurfürstenstraße, hat die Freundin mit dem guten Geschmack kürzlich ein verstecktes Kleinod entdeckt. Da musst du unbedingt hin, schrieb sie mir in ihrer SMS. Berlinern ist die Kurfürstenstraße schon lange bekannt, allein schon durch ihren legendären Straßenstrich. Nicht weniger legendär an dieser Straße ist auch das „Café Einstein“, das einst eine Kaffeehaus-Institution in der Stadt war und vor Kurzem Insolvenz anmeldete.
Die Mitte des 17. Jahrhunderts erbaute und später den Kurfürsten gewidmete Straße ist lang: Sie erstreckt sich über etwa 2.000 Meter und verbindet zwei Berliner Stadtteile. Auf dieser Strecke gibt es sicherlich ganz unterschiedliche Geschichten zu erzählen. In ihrem östlichen Teil führt die Straße zum Park am Gleisdreieck. Nur wenige Schritte von der laut tösenden Potsdamer Straße entfernt taucht es auf der Kurfürstenstraße plötzlich auf wie aus dem Nichts: das „Café Odor“.
An diesem sonnigen Nachmittag sitzen ein paar Menschen davor, schlürfen Flat White, Earl Grey mit Milch und Eistee. Auch Ella, eine Reise-Bloggerin aus Korea, hat es sich dort mit einer Tasse Tee gemütlich gemacht, blinzelt in die Sonne und lässt sich dann für ihren neuesten Beitrag auf Instagram ablichten. Zwei, drei Treppenstufen weiter nach unten komme ich im Inneren des Cafés an. Die Souterrain-Location zieht mich sofort in ihren Bann: unverputzte Backsteinwände, grüne Bankerlampen auf den Couchtischen aus den 1950er- und 1960er-Jahren und kastanienbraune Chesterfield-Sofas. Klassische Klaviermusik klingt dezent aus den Lautsprechern, später folgen ein paar jazzige Töne.
Ein Ort zum Verweilen
Noch bevor ich den ersten Bissen zu mir genommen habe, wird mir sofort klar: Dieser Ort lädt zum Verweilen ein. Er versprüht den Charme eines ganz eigenen Stils, ohne aufdringlich zu sein. Und er trägt die Handschrift der Inhaberin Mihye Heo. Die Wahl-Berlinerin hat eine Leidenschaft für alte Möbel, von denen ein Teil aus ihrer Wohnung in ihr Café umgezogen sind. Ihre Wohnung sei auch gar nicht groß genug für „so viele Möbel“, erzählt sie im Gespräch mit uns.
Wir treffen die Gastronomin am Ende des langgezogenen Raums hinter der Theke. Eigentlich wollte sie ja ein Büro-Atelier eröffnen und nebenbei Kaffee verkaufen, erzählt sie. Dass das kleine Café so gut besucht ist, damit hat sie selbst am allerwenigsten gerechnet. Auf der Suche nach einem geeigneten Raum war Mihye Heo auf eine ehemalige Galerie an der Kurfürstenstraße gestoßen, die sie selbst mit viel Kleinarbeit zum „Café Odor“ umgestaltete. Unterstützt dabei hat sie ihre Geschäftspartnerin Dani Kim. Noch vor wenigen Jahren hat sich Mihye Heo nicht vorstellen können, einmal Inhaberin von nunmehr sogar zwei Cafés zu werden.
Die Kaffeehaus-Chefin wirkt entspannt. Möglicherweise auch, weil Mihye Heo mit dem „Café Odor“ und der im Juni eröffneten zweiten Filiale an der Dunckerstraße in Prenzlauer Berg nicht alles auf eine Karte gesetzt hat: Die 37-Jährige arbeitet auch als Foto-Modell für Werbefilme und Magazine und hat damit ein zweites berufliches Standbein.
Seit 14 Jahren lebt Mihye Heo nun in der deutschen Hauptstadt. Angefangen hat alles mit ihrem damaligen Professor in Korea, der ihr während ihres Germanistik-Studiums empfahl, zusätzlichen Nachhilfe-Unterricht zu nehmen, um ihr Deutsch zu verbessern. Sie sah aber nicht ein, zu ihren bereits hohen Studiengebühren noch für Deutsch-Unterricht zu bezahlen. Heos Mutter brachte sie auf die Idee, nach Deutschland zu reisen und dort ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Die Studentin folgte dem Rat, kam nach Berlin – und dann nicht mehr los von der Spree-Metropole.
Sie verbesserte ihr Deutsch, verlor aber das Interesse am Germanistik-Studium und studierte stattdessen erst Kunst und später auch Raumgestaltung. Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, jobbte sie in der Gastronomie. „Ich wollte vieles in der Gastronomie lernen, auch Kleinigkeiten“, erzählt sie im Gespräch. So jobbte sie nicht nur in verschiedenen koreanischen Restaurants, sondern auch in der Bar des „Amano Hotel“ und in einer Eckkneipe in Alt-Spandau, wo sie Bierzapfen lernte. Als sie eines Tages nach Korea verreisen und ihre Berliner Wohnung in dieser Zeit zwischenvermieten wollte, lernte sie ihre Landsmännin Dani Kim kennen. Aus dem Untermietsverhältnis wurde eine Freundschaft und später auch eine geschäftliche Partnerschaft.
Trotz ihrer koreanischen Wurzeln wollten Mihye Heo und Dani Kim kein typisches koreanisches Café eröffnen. „Wir haben hier nur das, was wir selbst mögen“, sagt Mihye Heo. Es gibt eine kleine, übersichtliche Karte mit Speisen und Getränken, stellenweise mit einem asiatischen Touch, etwa Pflaumen- oder Yuzu-Tee. Oder Croffles: Die Fusion aus Croissants und Waffeln sind erstmals in einem New Yorker Pop-up-Café kreiert worden, fanden dann aber schnell ihren Weg nach Korea. An der Kurfürstenstraße schmecken sie, wie Croffles eben schmecken sollen: außen kross und köstlich karamellisiert wie eine Lütticher Waffel und innen weich und fluffig wie ein Croissant.
Begeistert vom Matcha-Kuchen
Ich koste das süße Etwas mit Walnusseis – eine hervorragende Kombination. Dazu einen Matcha-Latte, und mein Fernost-Weh ist gelindert, zumindest kulinarisch. Nicht weniger lecker ist die kleine, aber feine Brunch-Mahlzeit, mit der ich meinen Appetit auf Herzhaftes stille: Naan an hausgemachtem Hummus mit Kartoffeln, Auberginen, Tomaten und Peperoni. Die Freundin erfrischt sich mit einem hausgemachten Eistee aus Zitronen, Wasser und Rosmarin, während ich mit einem rosaroten Grapefruit-Saft vorliebnehme – ebenfalls versehen mit einem Zweig des aromatischen Mittelmeergewächses.
Zum Abschluss testen wir noch ein paar Bissen von dem hausgemachten Zitronenkuchen, von dem Stammgast Hanna uns vorschwärmt. Laut Kuchenbäckerin Dani Kim ist der Kuchen auf „asiatische Art“ hergestellt. Das Ergebnis überzeugt. Die süße Sünde ist absolut köstlich. So wie Zitronenkuchen eben sein sollte, nur viel saftiger und aromatischer als konventionelle Sandkuchen mit Zitronengeschmack.
Ein paar Tage später besuche ich die Filiale in Prenzlauer Berg. Die Location an der Dunckerstraße ist kleiner, und mit ihrem puristischen Stil, den kaum verputzten Wänden und den Retro-Möbeln sieht sie aus wie die kleine Schwester des „Café Odor“ an der Kurfürstenstraße. Diesmal probiere ich ein Brioche mit Cheddar-Käse, Avocado-Omelett und Knoblauchsoße. Der süß-salzige Kontrast überzeugt mich nicht hundertprozentig. Begeistert dagegen bin ich vom Matcha-Kuchen. Auch hier schmeckt das Gebäck angenehm feucht und nicht so trocken wie so manch deutscher Sandkuchen. Überzeugend ist auch der Kontrast zwischen dem zuckerigen Guss und der eher dezenten Süße des eigentlichen Kuchens. Dadurch entfaltet sich der etwas herb-erdige, matcha-typische Geschmack besser.
Hätte ich noch Platz im Magen, würde ich sofort in ein Stück Bananenbrot beißen, das so attraktiv in der Auslage liegt. Zur Wahl steht auch ein Croissant-Frühstück mit Camembert, frischen Erdbeeren, Blütenhonig und Walnüssen. Nur Croffles gibt in Prenzlauer Filiale nicht. Stattdessen findet sich an der Dunckerstraße der asiatische Einfluss wieder. Diesmal in Form von Misubi. Die kleinen Snacks mit Frühstücksfleisch, Reis und Algen kommen ursprünglich aus Hawaii, erfreuen sich aber auch in Asien großer Beliebtheit. Wer mag, kann die kleinen Reisröllchen dort auch als Thunfischvariante mit gelbem Rettich und scharfer Sriracha-Soße kosten. Klar wird: Im „Café Odor“ ist für alle Geschmäcker etwas dabei.