Die neue NFL-Saison startet. Drei deutsche Profis haben den Sprung in die festen Team-Kader geschafft, darunter zwei Brüder. Die deutschen Fans müssen sich an einen neuen TV-Sender gewöhnen.
Für die meisten Menschen ist die Vorstellung einfach nur eklig: Mayonnaise im Kaffee. Football-Profi Will Levis findet diese höchst ungewöhnliche Kombination aber überaus köstlich, jeden Morgen haut sich der neue NFL-Quarterback der Tennessee Titans die helle Sauce ins schwarze Heißgetränk. „Ich dachte nicht, dass meine Mayo-Kaffee-Kombi so hohe Wellen schlagen wird. Bin aber sehr froh darüber!“, sagte Levis. Warum? Weil sie ihm einen Sponsoren-Deal mit einer Mayo-Firma einbrachte. „Lebenslang Mayo im Kühlschrank – ein Traum geht in Erfüllung!“, sagte der 24-Jährige. Willis war beim jüngsten NFL-Draft von den Titans erst in der zweiten Runde an 33. Stelle gezogen worden, obwohl ihn einige Experten als Kandidat für einen Top-5-Pick eingestuft hatten. Ob den NFL-Bossen, die vor der Talente-Lotterie bekanntermaßen den Background der Rookies komplett beleuchten lassen, Levis’ skurrilen Essgewohnheiten ein Dorn im Auge waren? Reine Spekulation. Doch klar ist: Geschichten wie diese werden nun wieder öfter zu hören und zu lesen sein, denn die NFL ist zurück.
In der Nacht zu Freitag deutscher Zeit startete die neue Saison in der nordamerikanischen Football-Profiliga. Traditionell machte der aktuelle Super-Bowl-Gewinner den Auftakt, die Kansas City Chiefs mit Star-Quarterback Patrick Mahomes genossen im ersten Spiel Heimrecht. Gegner waren die Detroit Lions mit dem deutschen Profi Amon-Ra St. Brown. Die Vorbereitung verlief für den Wide Receiver nicht problemlos, während einer gemeinsamen Trainingseinheit mit den Jacksonville Jaguars hatte er sich am Sprunggelenk verletzt. In der NFL sind die Clubs generell sehr verschlossen, was Diagnosen und zu erwartende Ausfallzeiten betrifft. Doch Lions-Coach Dan Campbell gab bei St. Brown schnell Entwarnung. „Ich glaube nicht, dass es etwas Ernstes sein wird.“
Gute Entwicklung bei St. Brown
Für Detroit wäre das gut, denn St. Brown hat sich zu einem sehr wichtigen Spieler für das Team aus der Autostadt entwickelt. Der Deutsch-Amerikaner geht mit einem gewissen Standing in sein drittes Jahr in der mit Abstand besten Football-Liga der Welt, im Vorjahr sorgte er mit 106 gefangenen Pässen für einen Raumgewinn von 1.161 Yards – nur sechs Passempfänger kamen auf mehr. Doch St. Brown sieht sich sogar ganz vorne. Auf die Frage im Interview des Nachrichtenmagazins „Fokus“, wie viele Profis auf seiner Position noch vor ihm stünden, antwortete er: „Keine. Null.“ Und auf die Nachfrage, ob er sich tatsächlich als Nummer eins einschätze, betonte St. Brown: „Die Nummer eins!“
Selbstvertrauen gehört zum American Football dazu, in der NFL sowieso. Wer hier an sich zweifelt, bringt es nicht weit. Dies hat der in Anaheim geborene Sohn einer Mutter aus Leverkusen längst verinnerlicht. Und so zweifelt er auch nicht am Teamerfolg in der neuen Saison. „Ich glaube, wir sind ready als Mannschaft“, sagte St. Brown, „wir haben eine gute Mannschaft, wir haben einen guten Kern an Spielern vom letzten Jahr und haben ein paar gute Draft Picks und Free Agents verpflichtet“. Er sei „sehr gespannt, was wir dieses Jahr reißen“. Viel hängt von Quarterback Jared Goff ab, dem St. Brown ohne jeden Zweifel vertraut. „Mein Quarterback ist der Beste! Es ist mein Quarterback, ich liebe den“, sagte der Wide Receiver: „Er ist die Nummer eins!“
Noch immer begegnen Experten Goff mit einer gewissen Skepsis, weil der Nummer-1-Pick beim Draft 2016 die Erwartungen seines Ex-Clubs Los Angeles Rams nie wirklich erfüllen konnte. Nach dem Wechsel zu Detroit lief es zunächst auch nicht besonders gut, doch in der zweiten Hälfte der Vorsaison drehte der 28-Jährige auf. Goff war der Schlüssel für die starke Schlussphase in der Hauptrunde, in den letzten zehn Spielen war er an 17 Touchdowns beteiligt – mehr als Patrick Mahomes, Joe Burrow, Tom Brady, Aaron Rodgers oder Trevor Lawrence in diesem Zeitraum. „Wenn er das tut, was er letztes Jahr gemacht hat, dann können die Leute nichts mehr sagen. Dann müssen sie zugeben, dass er einer der besten Quarterbacks ist”, meinte Teamkollege St. Brown.
Wegen der vergangenen Saison ist der Hype in Detroit riesengroß, die Fans trauen ihrer Mannschaft nicht nur das Erreichen der Play-offs, sondern sogar den Einzug in den Super Bowl am 11. Februar 2024 im Allegiant Stadium in Nevada zu. „Sie haben große Erwartungen, aber ich habe das Gefühl, dass sie immer für uns da sein werden, egal was passiert“, sagte St. Brown. „Das ist etwas, was ich als Spieler sehr schätze, denn es gibt definitiv diese Mitläufer-Fans, die man bei den großen Teams sieht, die viel gewinnen. Davon haben wir wenige.“ Der letzte große Erfolg der Lions, der Gewinn der NFL Championships, liegt bereits 65 Jahre zurück. Mithilfe der Fans wollen St. Brown, Goff und Co. das ändern. „In meinem ersten Jahr hatten wir eine Bilanz von 3-13-1; und die Fans waren immer noch für uns da“, sagte der Deutsche: „Und jetzt ist der Hype verrückt. Wenn ein Fan dich sieht, ist er super aufgeregt.“
Drei Deutsche Profis in der NFL
Amon-Ra ist aber nicht der einzige St. Brown in der NFL. Sein Bruder Equanimeous läuft für die Chicago Bears auf – und zwar auch als Wide Receiver. Der 26-Jährige hat bei seinem Club zwar keinen so herausragenden Status im 53-köpfigen Kader, doch er überstand immerhin den Cut und darf auf weitere Spielzeit in der besten Football-Liga der Welt hoffen. Allerdings hat er auf seiner Position mit Chase Claypool, Velus Jones Jr., Darnell Mooney, DJ Moore und Tyler Scott große Konkurrenz. Und auch unter den Brüdern herrscht nach wie vor ein gewisser Konkurrenzkampf. „Wenn sie eine bessere Bilanz als wir haben, ist das ein Problem“, sagte Lions-Profi Amon Ra St. Brown über die Bears mit Bruder Equanimeous: „Aber wenn sie schlechter sind als wir und dann ein bisschen gewinnen, ist das schon okay.“
Als dritter deutscher Profi hat es Jakob Johnson nach der Vorbereitung in den Kader eines NFL-Teams geschafft. Er läuft als Fullback weiter bei den Las Vegas Raiders auf und hat sich viel vorgenommen. „Ich kann es nicht erwarten, mit diesem Team auf dem Platz zu stehen, denn ich denke, wir haben einige Jungs, die bereit sind, etwas zu leisten“, sagte der gebürtige Stuttgarter. Auch er ist vollauf begeistert von seinem Quarterback Jimmy Garoppolo, für den er auf dem Platz blocken wird. Garoppolo sei „definitiv ein Typ, der alle auf die gleiche Wellenlänge bringt und sich nicht scheut, mir zu sagen, dass ich ein paar Schritte zurückgehen soll, wenn ich es zu eifrig treibe“. Es gibt teamintern aber auch Pläne, dass Johnson nicht als Fullback, sondern als Tight End zum Einsatz kommen könnte.
Wie gut sich die deutschen Profis mit ihren Teams in der neuen NFL-Saison schlagen, können die hiesigen Fans auf einem neuen Sender verfolgen. Die RTL-Gruppe hat sich das Rechtepaket an der NFL gesichert und damit ProSieben-Sat.1 abgelöst. Die rund 80 Live-Übertragungen werden mal auf den frei empfangbaren Sendern RTL sowie Nitro und mal auf dem kostenpflichtigen Streamingdienst RTL+ zu sehen sein. Auch der Anbieter Dazn zeigt NFL-Spiele. „American Football ist nach Fußball die beim 14- bis 49-jährigen Publikum begehrteste Sportart hierzulande“, begründete der ehemalige RTL-Geschäftsführer Henning Tewes die durchaus kostspielige Unternehmens-Entscheidung.
RTL löst ProSieben ab
Dass die Football-Community stetig wächst, bekommt auch Amon-Ra St. Brown bei seinen Besuchen in Deutschland mit. „Ich war im letzten Jahr hier und habe viele Interviews gegeben. Da waren immer richtig viele Football-Fans. Jetzt bin ich wieder da, und man sieht einfach, wie Football jedes Jahr größer wird“, sagte er. Auch seine Mutter, die in Leverkusen lebt, erzähle ihm oft, „wie das alles hier läuft und der Football immer größer wird“. Als er als kleiner Junge in Deutschland weilte, „da gab es nur Fußball, es gab kein American Football“, berichtete St. Brown: „Meine Freunde wussten gar nicht, was das ist, als ich ihnen erzählt habe, dass ich das spiele. Jetzt weiß jeder, was die NFL ist. Manche kennen die Regeln vielleicht nicht, aber jeder kennt die Liga. Das allein zeigt mir, wie groß es geworden ist.“
Den Boom hat auch die NFL erkannt, sie wird in der neuen Saison zwei Spiele der regulären Saison in Deutschland austragen lassen. Nach dem Riesenerfolg in der Vorsaison, als sich die Tampa Bay Buccaneers mit Superstar Tom Brady und die Seattle Seahawks in München gegenüberstanden und die Organisatoren nach eigenen Angaben über drei Millionen Tickets hätten verkaufen können, ist diesmal Frankfurt Gastgeber für die große NFL-Show. Am 5. November kommt es in der hessischen Metropole zum Duell zwischen den Miami Dolphins und den Kansas City Chiefs, eine Woche später kämpfen die Indianapolis Colts und die New England Patriots gegeneinander. Die Eintrittskarten waren nach Verkaufsstart innerhalb weniger Minuten ausverkauft, laut des Veranstalters hätten Fans auf über drei Millionen Geräten versucht, sich für den Verkaufsprozess auf der Internetseite einzuloggen.
„Wenn man sich anguckt, was letztes Jahr in München passiert ist, war das hervorragend. Darauf wird die Stadt Frankfurt aufbauen“, sagte Ex-NFL-Profi Sebastian Vollmer: „Das hilft auch der NFL, noch mehr Berührungspunkte zu finden.“ Er habe nach dem Spiel in München mit dem inzwischen endgültig zurückgetretenen Star-Quarterback Tom Brady gesprochen, berichtete Vollmer, „und es war eines seiner absoluten Lieblingsspiele. Die Atmosphäre war fantastisch, es hat sich wie eine Mischung aus Fußball und American Football angefühlt.“ Auch der letzte Amerikaner dürfte nun wissen, „wie ernst es ist und wie groß das Wachstum der NFL in Deutschland ist“.