Vom 14. bis zum 20. September findet die „True Italian Pizza Week“ statt. In ganz Berlin dürfen wieder Köstlichkeiten aus den besten Pizzerien der Stadt verschmaust werden. Wir haben zwei, drei Pizzen schon einmal vorgekostet.
Ob Antonio De Curtis’ Mutter bei der Geburt ihres Sohnes 1898 wohl ahnte, wie vielseitig talentiert ihr Sohn eines Tages werden würde? Auch bekannt unter seinem Künstlernamen Totò, wurde aus dem Neapolitaner nicht nur ein erfolgreicher Schauspieler und Komiker. Er tat sich auch als Drehbuchautor, Dramatiker, Sänger und Lyriker hervor. So schrieb er den Text für ein Lied, das später zu einem Klassiker in Neapel werden sollte: „Malafemmena“, was auf Deutsch so viel wie schlechte oder böse Frau bedeutet. Gewidmet hatte Antonio De Curtis das Lied seiner Frau Diana Bandini Rogliani in den 1950er-Jahren. Sie hatte sich kurz davor von ihm getrennt. De Curtis’ Liedzeilen sind voller Liebesschmerz. „Ich liebe und ich hasse Dich, ich kann Dich nicht vergessen“, heißt es in dem Volkslied.
Wie gut, dass in der gleichnamigen Pizzeria nicht ganz so viel Drama an der Tagesordnung steht. Das Sentimentalste, was mir bei „Malafemmena“ an der Danziger Straße auffällt, ist ein Poster von Diego Maradona mit Heiligenschein. Die Fußball-Legende hat viele Jahre für den SSC Neapel gespielt. Ansonsten wartet die Location mit neapolitanischer Pizza vom Feinsten auf. Küchenchef Michele D’Angelo erzählt uns im Gespräch nicht ohne Stolz, dass „Malafemmena“ Mitglied der Associazione Verace Pizza Napoletana (AVPN) ist.
Sein Stolz ist verständlich, schließlich haben nur sechs Pizzerien in ganz Deutschland das begehrte Gütesiegel dieser Organisation. Wer von der AVPN zertifiziert ist, hat eine Art Ritterschlag im Pizza-Universum erhalten. Das neapolitanische Gremium legt strenge Qualitätskriterien fest. So gibt es unter anderem klare Vorgaben darüber, wie der Teig geknetet und geformt werden soll und dass die Zutaten hochwertig sein müssen. Eine Kommission überprüft die Lokale vor Ort, bevor sie zertifiziert werden können.
Michele D’Angelo verschwindet kurz hinter seinen Pizzaofen und kommt ein, zwei Minuten später mit einer Pizza N’duja di Spilinga zurück. Allein schon der Belag sieht teuflisch gut aus: Die feuerrote Creme der kalabrischen Streich-salami bildet einen pittoresken Kontrast zu dem nachtschwarzen Beet aus fein gemahlenen Oliven. „Achtung, scharf“, will uns die überaus charmante Kellnerin Laura vorwarnen. Doch der erste, zaghafte Biss gibt Entwarnung. Die aus Schweinefleisch und Chili hergestellte Creme schmeckt sehr würzig und pikant, aber nicht so höllisch scharf, dass man sofort Feuer speien müsste.
300 Restaurants in 24 Städten
Angetan bin ich vor allem vom fluffigen Rand und dem dünnen Boden. So muss neapolitanische Pizza schmecken und aussehen: Durch die extrem kurze Backzeit von ungefähr 60 bis 70 Sekunden bei einer Ofentemperatur von circa 440 Grad Celsius erhält der Pizzarand sein typisches schwarz-weiß geflecktes Leopardenmuster. Für die Vorbereitung braucht man indes einen langen Atem. „Zunächst muss der fertige Teig 24 Stunden ruhen“, sagt der gebürtige Neapolitaner. Dann werden daraus kleine Bällchen gerollt, die weitere acht Stunden gehen müssen, bis sie am Ende gerade einmal eine Minute im Ofen gebacken werden.
„Malafemmena“ ist eine der Pizzerien, die an der „True Italian Pizza Week“ teilnehmen. Bei diesem Event vom 14. bis zum 20. September dreht sich alles darum, die „wahre italienische Pizza“ bekannt zu machen, wie der Organisatord der „True Italian Communication“ schreibt. Die Schlemmerwoche für die Freundinnen und Freunde der runden Köstlichkeit findet gleichzeitig in 300 Restaurants statt – von Stuttgart bis Rostock sind 24 deutsche Städte mit dabei. Auch in Berlin machen von der „Bar Internazionale“ bis zum „Zollhaus Pankow“ mehr als 30 Pizzerien mit. Für einen Preis von 15 Euro bieten alle teilnehmenden Lokale eine Pizza aus zwei, drei Optionen und einen Aperol Spritz an.
Im „Malafemmena“ empfiehlt uns Kellnerin Laura einen Sarti-Spritz mit Blutorangen-Likör und Prosecco: Der fruchtig frische Cocktail betört nicht nur durch seinen Geschmack. Mit seinem sommerlich-fröhlichen Pink macht er dem neuen Barbie-Film farbästhetisch sofort Konkurrenz. Später nippen wir noch an einem Campari Amalfi, der uns mit seiner erfrischenden Grapefruit-Note beschwingt.
Weiter geht es mit fluffigen Teigköstlichkeiten aus der Stadt am Vesuv. Und so verwöhnt uns Küchenchef Michele D’Angelo mit einer Pizza Simply the Veg: Nach Oregano duftend liegt sie auf unserem Teller. Und mit ihren gelben Daterino-Tomaten, den roten Piennolo-Tomaten aus der Vesuv-Region und frittierten Auberginen sieht sie gemüsig und zum Anbeißen aus. Wir probieren dann beide Varianten: Einmal vegan, ganz ohne Käse. Und danach vegetarisch mit sahniger Burrata on top. Dabei bin ich positiv überrascht, dass sie in beiden Varianten absolut tiefenaromatisch schmeckt – selbst ohne Käse.
Veganer Mozzarella ist sehr aromatisch
Wer es dennoch vegan und trotzdem käsig mag, kann im „Malafemmena“ Pizzen auch mit veganem Mozzarella vom Hamburger Start-up Vanozza Käse ordern. „Dieser Käse ist sehr, sehr gut“, befindet der Küchenchef. Doch erst einmal überrascht uns Kellnerin Laura mit einem unerwarteten Dessert aus dem Hause „Malafemmena“: Das „Malamisù al Pistacchio“ ist ein Tiramisù mit zart zerschmelzender Pistaziencreme. Es ist so gut, dass ich es brav bis zum Ende auslöffele.
Nur zwei, drei Straßen weiter schauen wir bei „60 Seconds to Napoli“ vorbei. Dort schickt man den Teig sogar in einen 72-stündigen Schönheitsschlaf, bevor er in den 485-Grad-Ofen geschoben wird. Die fertige Kreation, die man auch auf der „True Italian Pizza Week“ probieren kann, nennt sich verheißungsvoll The Beast. Auch die anderen Pizzen auf der Karte haben interessante Namen wie Kawanbunga, Don Diabolo oder Arnie. Letztere wartet mit Babyspinat, Knoblauch, Fior di Latte und Steirischem Bergkäse auf. Sie ist eine Hommage an den im kalifornischen Exil lebenden Österreicher Arnold Schwarzenegger.
Wir aber sind voll und ganz zufrieden mit The Beast – eine Köstlichkeit mit Bresaola vom Black-Angus -Rind, Fior di Latte, Flocken von zwei Jahre gereiftem Parmigiano Reggiano, überaus fruchtiger Tomatensoße und Tomaten in DOP-Qualität sowie einem Schuss Olivenöl. Die Zutaten werden mehrmals wöchentlich eigens aus Neapel angeliefert, erzählt Chef Yanick Borowiak im Gespräch. Auch an der Oderberger Straße legt man großen Wert auf hochklassige Qualität. „Von der Guacamole bis zur Trüffelmayo machen wir alles selbst“, erzählt der Wahl-Berliner.
Zutaten direkt aus Neapel geliefert
Yanick Borowiak und seine Geschäftspartner Adrian Kuras und Susanne Voigt hatten 2018 die Idee, die echte neapolitanische Pizza auch in ihrer Heimatstadt Dortmund anzubieten. Im Frühjahr 2019 konnte das erste „60 Seconds to Napoli“ dort eröffnen. „Wir waren die erste neapolitanische Pizzeria dort“, erinnert sich Yanick Borowiak. Das Konzept kam im Ruhrgebiet gut an. So gut, dass das Lokal expandierte und mittlerweile auch in anderen Städten im Ruhrgebiet und anderswo vertreten ist – so unter anderem in Leipzig, Hamburg und Berlin.
Neun Filialen hat die Kette jetzt, eine zehnte kommt in Kürze dazu. Der Name „60 Seconds to Napoli“ spielt darauf an, dass man sich die Reise an den Stiefel sparen und stattdessen einfach eine echt neapolitanische Pizza genießen kann, denn auch die Pizza an der Oderberger Straße wird nur circa 60 Sekunden im 485-Grad-Ofen gebacken. Außer Pizzen bietet das Lokal noch eine übersichtliche Auswahl an Salaten und Antipasti wie Burrata und Black-Angus-Carpaccio an.
Wir könnten im „60 Seconds to Napoli“ auch noch eine Pizza Forest probieren, je nach Vorliebe vegan oder vegetarisch. Doch für heute haben wir uns schon kugelrund gegessen. Und die eigentliche Pizza Week kommt ja erst noch. Es gibt noch so viel zu entdecken in der Küche aus der Stadt am Vesuv.