Mediterrane, saisonale Speisen mit besonderem Twist erwarten die Gäste im Bistro „Bloom“ in Neukölln. Kreiert werden die Leckereien von der maltesischen Küchenchefin und Inhaberin Charlie Fabre.
Das „Bloom“ ist kein Lokal, das im Verborgenen blüht. Gelegen ist das Neuköllner Bistro an einer breiten Straße gegenüber vom Volkspark Hasenheide – dort, wo die Flughafenstraße zum Columbiadamm wird. Untergebracht ist die Location in einem Eckgebäude, dessen Fassade mit zahlreichen Graffiti-Tags versehen ist. Draußen sitzen die Gäste in der spätsommerlichen Abendsonne, und im Inneren des Restaurants fallen nackte, unverputzte Wände und viel Grünpflanzen ins Auge. Die Ästhetik des Unfertigen und des Unperfekten vermittelt den Eindruck des charakteristischen Berliner Anti-Chics, so wie man ihn in Nach-Wende-Jahren in der deutschen Kapitale erlebte.
Mit dem „Bloom“ hat Charlotte Fabre, die sich Charlie nennt, im Mai 2022 ihren Traum, ein eigenes Restaurant zu eröffnen, wahr gemacht. Bis zum Anfang der Corona-Zeit hieß das „Bloom“ noch „Bhorn“. Es hatte einen anderen Besitzer und war ein Ableger des Kreuzberger Cafés „Ahorn“.
Aufgewachsen ist Charlie Fabre in Naxxar auf Malta. Ihr Vater, ein gebürtiger Franzose, führte dort ein Restaurant. „Kochen war ein wichtiger Teil meiner Kindheit, beim Essen um den Küchentisch hat die Familie wieder zusammengefunden“, erinnert sich die Köchin. Bereits als Siebenjährige half sie im Lokal ihres Vaters aus und gab das Trinkgeld, das sie dort verdiente, für Süßigkeiten aus, erzählt die Wahl-Berlinerin. Mit 16 ging die Malteserin für ein halbes Jahr nach Libyen, um erstmals professionell in die Gastronomie einzusteigen. „Das war mein erster Job“, sagt sie. Nach Libyen zu gehen sei nicht außergewöhnlich gewesen, es gebe enge wirtschaftliche Verflechtungen und Austauschprogramme zwischen beiden Staaten, erläutert sie uns auf Nachfrage.
Fexibel und bereit für jede Herausforderung
Weitere Stationen folgten, die die junge Gastronomin rund um den Globus schicken sollten. „Ich habe überall von Australien bis Nordamerika gearbeitet, von der gehobenen Gastronomie in Melbourne bis zu Brunch-Cafés in Berlin“, erzählt die umtriebige Frau. Die gastronomische Neugier der quirligen Malteserin führte sie in die Küchen der spanischen Stadt Salamanca ebenso wie auf Schiffsyachten und in die Schweizer Alpen. Im englischen Bristol machte Charlie Fabre dann eine Ausbildung als Patissière. „Diese Erfahrungen haben mich zu einer flexiblen Köchin gemacht, die bereit ist, sich jeder Herausforderung zu stellen“, sagt sie rückblickend.
Die Herausforderungen kamen dann tatsächlich. Dann nämlich, als die Küchenchefin – die längst in Berlin angekommen war – wie so viele andere Gastronomen von den Einschränkungen der Corona-Zeit überrascht wurde. Sie bot nun Catering-Dienste mit eigens hergestellten Kuchen und Torten an. Es funktionierte gut. Nach der Corona-Zeit aber wollte sie ihren Traum von einem eigenen Lokal verwirklichen. Die passionierte Gastronomin wurde schließlich in ihrer Neuköllner Wohngegend an der Flughafenstraße fündig. Der Standort an der Ecke mit Südseite sagte ihr zu. „Zeitgleich mit meinem 30. Geburtstag konnten wir das ‚Bloom‘ eröffnen“, erinnert sich die heute 31-Jährige.
Seitdem bieten sie und ihr Team eine Küche an, die „Einflüsse von überall“, aber auch von Malta und von Fabres französischer Großmutter hat, wie sie berichtet. Dabei liegt der Inhaberin und Küchenchefin auch Nachhaltigkeit am Herzen: „Ich denke immer auch an den CO2-Fußabdruck“, sagt sie. „Zunächst einmal stellen wir sicher, dass alle unsere Produkte vor Ort angebaut, geerntet und produziert wurden. Die meisten unserer Produkte kommen aus Deutschland und Holland, aber wir streuen auch Spezialitäten aus Italien, der Schweiz und Frankreich in unsere Menüs ein.“ Der kreative Kopf lässt sich bei seinen Kreationen auch von den Jahreszeiten inspirieren: „Es gibt Erdbeeren aus der Region im Sommer, Grünkohl im Winter und Spargel im Frühling“, erläutert sie. Sobald sie die Zutaten habe, werde der Abfall minimiert. „Das heißt, wir verwenden den ganzen Blumenkohl, einschließlich der äußeren Blätter und der Stiele. Alle Abfälle, die anfallen, werden recycelt, die restlichen Lebensmittel spenden wir an Obdachlose.“
Während wir zu Dritt auf das Essen warten, bringt uns Tom Ullevålseter, unser liebenswürdiger Kellner aus Oslo, erst einmal Erfrischendes. Meine Begleiterin ist ganz angetan von dem Zitronen-Spritz: Der Crémant, verfeinert mit einem Limoncello aus Capri, Zitronenspritzern und Minze, ist genau das Richtige für den Start in den Spätsommernachtstraum. Nicht weniger traumhaft sind die alkoholfreien Drinks. Die Lavendel-Limonade schmeckt fabulös. Sie erinnert an längst vergangene Reisen in die Provence mit ihren lilafarbenen, aromatisch duftenden Feldern. Das Getränk ist ebenso hausgemacht wie die Basilikum-Limonade mit Holunderblüten, die meine Begleiterin wählt.
Handschrift der Patissière
Alsbald schon schwelgen wir in den Köstlichkeiten, die uns die Dame des Hauses empfiehlt. Wir starten mit confierter Paprika auf einer krossen Baguette-Scheibe, Walnussstückchen und Frischkäse, abgeschmeckt mit Salz und Zitrone. Köstlich ist auch die Vorspeise mit Kohlrabi, die auf unserem Teller gleich in einer Dreifachvariante zum genussvollen Verzehr bittet: als sautiertes Blatt, als Mousse und als blanchiertes Gemüsestückchen. Die Idee dahinter, die Gerichte möglichst nachhaltig zu verwenden, ist hier hundertprozentig aufgegangen.
Vielen von Charlie Fabres Leckereien sieht man ihre Handschrift als ausgebildete Patissière an. Denn viele der herzhaften Kleinode sind kunstvoll angerichtete Türmchen, die an süße Törtchen erinnern. Sie schmeicheln nicht nur dem Gaumen, sondern auch dem Auge. Absolutes Highlight ist hier die „Deconstructed Tarte“: Die Küchenchefin kombiniert dazu angeflämmten Lauch mit raffiniertem Speckchutney, Spinat, gerösteten Mandeln und einer Mousse aus Comté – gekrönt hat sie das schmackhafte Kunstwerk mit einer kleinen essbaren Blüte. Hübsch beblümt ist auch das verzehrbare Türmchen aus Kohlrabi, knackigen grünen Apfelscheiben, Minze, Mascarpone und Haselnüssen. Geschmackvoll gemüsig geriert sich ebenso ein Törtchen mit Erbsen-Hummus, Erbsen, grünen Bohnen und Ziegenkäse, verfeinert mit Zitrone und Pfeffer.
Für Begeisterung sorgt auch das Weiderind-Steak aus Brandenburg an Nussbutter und Gratin dauphinois. „Absolut butterweich“, ruft meine fleischliebende Begleiterin aus. „Da ist das Fleisch ganz glücklich vom Knochen gefallen“, ist sie sich sicher. Ein wohliges Mundgefühl vermittelt die Basis des Ensembles: Das Gratin ist hervorragend sahnig und kommt nach südostfranzösischer Machart aus der Dauphiné ganz ohne Käse aus.
Gesundes kann so lecker sein
Begeistert von den kleinen Schlemmereien am Abend statte ich dem Bistro einige Tage später einen weiteren Besuch ab. Ich bin neugierig auf den Brunch dort. Im „Bloom“ gibt es beliebte Klassiker wie Kartoffelrösti oder The Stack mit Sauerteigbrot, Spinat und Ei. Französisch wird es mit Crêpes, gefüllt mit Mascarpone, gebratenem Speck, Erdbeeren und Mandeln. Veganer hingegen kommen bei einem Müsli aus Mandel- und Thymian-Granola auf ihre Kosten. Dazu gibt es geröstete Aprikosen, veganen Joghurt und Sprossen.
Ich probiere an diesem Wochenende ein Sandwich der besonderen Art, das sich ganz schlicht The Sarnie nennt. Die Basis ist eine Scheibe Sauerteigbrot mit Erbsen-Hummus, Nussbutter und einer Mousse aus Comté. Darauf türmt sich, wieder einmal, Gemüsiges: Kohlrabi, Blumenkohl und angeflämmter Lauch, daneben liegen pittoresk verstreut ein paar grüne Erbsen. Wunderbar, dass Gesundes so lecker schmecken kann. Als Extra-Beilage nehme ein pochiertes Ei. Möglich ist auch gebratener Speck. Zum Abschluss genehmige ich mir noch eine fluffige Nascherei der Patissière. Und so goutiere ich vergnüglich einen kleinen, aber feinen Financier mit Mandel- und Zitronengeschmack. Délicieux, délicieux. Was für ein schöner Start ins Wochenende!