In Ende, in der Provinz Ost-Nusa-Tenggara, sollte trotz Klimawandel nicht alles vorbei sein und die Bäume für Schokolade weiter wachsen. Die Bauern begannen nach dem großen Regen mit ihrem Kakao von vorne und fingen den Regen zum Wassersparen ein.
Die Schicksale von Menschen im malerischen Regierungsbezirk Ende, an der Südküste der indonesischen Insel Flores, wo neun Tage währender Regen alles zerstörte, sind keine Einzelfälle. Auch die Flutkatastrophe im Ahrtal geht auf Extremwetterereignisse in Form von heftigen Niederschlägen zurück. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) schreibt über Klimakrisenkosten: „Für die Flut im Ahrtal des Juli 2021 stellten Untersuchungen einen eindeutigen Einfluss des Klimawandels fest.“ Modellrechnungen zeigten, dass der Klimawandel die Eintrittswahrscheinlichkeit um den Faktor 1,2 bis neun und die Niederschlagsmenge um bis zu 19 Prozent erhöht hat. Das Klima kennt keine Grenzen. Die Experten von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Instituten beraten vor Ort, wenn Betroffene wie in Ende vor dem Ruin stehen und sich an neue Anforderungen, wie Schutz vor zu viel Wasser und zugleich Wassersparen, anpassen müssen. Dabei geht es auch um die Chance auf ein besseres Leben für alle und um Gerechtigkeit im Umgang mit den Naturgewalten.
Schwerer Wassermangel
Hunderte Experten veröffentlichten im Namen der Vereinten Nationen (UNO) im Frühjahr eine Zusammenschau mit Handlungsempfehlungen. Ihre Ratschläge richten sich an Politiker, aber auch an Otto Normalverbraucher. „Dieser Synthesebericht unterstreicht die Dringlichkeit, ehrgeizigere Maßnahmen zu ergreifen, und zeigt, dass wir, wenn wir jetzt handeln, immer noch eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft für alle sichern können“, sagt Hoesung Lee. Als Chef des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen, kurz IPCC, steht er dem Weltklimarat genannten Gremium der Vereinten Nationen vor.
„Wir leben in einer vielfältigen Welt, in der jeder unterschiedliche Verantwortung trägt und unterschiedliche Möglichkeiten hat, Veränderungen zu bewirken. Einige können viel tun, während andere Unterstützung brauchen, um den Wandel zu bewältigen“, sagt Lee. Ihm zufolge, seien „umwälzende Veränderungen“ dort wahrscheinlicher, wo Vertrauen herrsche, wo alle zusammenarbeiten, um der Risikominderung Vorrang zu geben, und wo Nutzen und Lasten gerecht verteilt würden.
Die Dramaturgie von zu viel oder zu wenig Wasser erfasst immer mehr Alltagsleben. Im Weltklimabericht heißt es: „Die zunehmenden extremen Wetter- und Klimaereignisse haben Millionen von Menschen in Form von akuter Ernährungsunsicherheit und verminderter Wassersicherheit betroffen.“ Die größten negativen Auswirkungen bestünden in vielen Orten und Gemeinschaften in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika, in den am wenigsten entwickelten Ländern, auf kleinen Inseln und der Arktis sowie weltweit für indigene Völker, kleine Lebensmittelproduzenten und einkommensschwache Bevölkerungsgruppen und Haushalte.
Schokolade, die glücklich macht, beginnt als Bohnen auf Bäumen zu wachsen. Die Kakaoerzeuger aus Ende wollten ihre Existenz in ihrer Heimat wiederaufbauen und wissen, wie ihre Gemeinschaft Risiken durch Klimakatastrophen vorbeugen kann. Die Rainforest Alliance und deren Partner-NGO Rikolto organisierten Schulungen für sie. Hier erfuhren die Bauern, was die Forschung über klimafreundliche Anbaumethoden weiß und darüber, wie sie ihre Feuchtigkeit und Wärme liebenden Pflanzen vor Hochwasser schützen und gesund erhalten, ohne Wasser zu verschwenden.
Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung leidet, dem Bericht des Weltklimarats zufolge, derzeit zumindest während eines Teils des Jahres unter schwerem Wassermangel. Dieser sei auf eine Kombination aus klimatischen und nicht klimatischen Faktoren zurückzuführen. Was müssen wir tun, damit der Zugang zu Wasser keine Frage von Wohlstand oder Wohnort ist und damit alle genug Wasser zum Leben und Glücklichsein haben?
Regenbaukulturen fördern
Kakaofarmer Sapar lernte wie andere indonesische Kleinbauern, sich und seine Felder mit klimaresilienter, das heißt Wald schonender, Agroforstkultur an die Transformation von Klima und Umwelt anzupassen und Wasser zu sparen: Vom Saisonschnitt und Mulchen bis hin zum Ausheben von „Rorak“-Gruben, die abfließendes Regenwasser auffangen. Schatten spenden seinem Kakao andere Bäume, die zudem CO2 speichern: „Meine Ernten haben sich verbessert und ich erziele ein besseres Einkommen für meine Familie.“
Im Jahr 2022, ein Jahr nach der schlimmen Überschwemmung, schulte die Rainforest Alliance über 1.500 – insgesamt 1.690 – Kleinbauern wie Sapar in sieben Regionen Indonesiens.
Saravanan Subramanian rät aus geographischer Sicht zu einer klimaresistenten Wasserwirtschaft im globalen Süden. Internationale Organisationen sollten dazu beitragen, dass Institutionen hierfür gestärkt und reguliert werden. Der Wissenschaftler, der am Deutschen Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS) im Forschungsprogramm Umweltmanagement mitwirkt, befasst sich im Global Framework on Water Security in Agriculture (WASAG) in Arbeitsgruppen mit Dürre sowie Wasser und Ernährung. Er forschte, lehrte und beriet in Australien, Indien, Usbekistan, Madras, Bonn und München.
Der Experte spricht sich gegen Grundnahrungsmittel wie Weizen aus Entwicklungsländern aus, da diese viel Wasser benötigen. „Die meisten afrikanischen und anderen Länder des globalen Südens exportieren Landwirtschafts- und Lebensmittelprodukte, die einen großen Wasserfußabdruck haben, in den globalen Norden.“ Subramanians Argumentation zufolge würde eine Rückkehr zu traditionellen, klimaresistenten Pflanzen dazu beitragen, dass der Bevölkerung im globalen Süden mehr Wasser zur Verfügung stehe. „Aufgrund des wachsenden Weltmarktes für Nahrungsmittel wie Weizen und Reis haben viele Länder des Südens den Anbau von klimaresistenten Pflanzen eingestellt oder reduziert“, sagt Subramanian. Klimaresistente Kulturen, wie Hirse und andere Getreidearten, würden weniger Wasser verbrauchen.
Der Senior Researcher setzt sich dafür ein, nährstoffreiche und gegen Extremereignisse widerstandsfähige Regenfeldbaukulturen zu fördern. Der angestrebte Benefit: Die Ernährung zu verbessern und die Interessen der kleinen Lebensmittelproduzenten und einkommensschwachen Haushalte zu schützen.
Wasser wird immer wertvoller und knapper. Der Forscher empfiehlt, dass die meisten Länder, insbesondere der globale Norden, ihren Pro-Kopf-Wasserverbrauch senken sollten. Der Geograph tritt dafür ein, Gewässer wie Feucht- und Überschwemmungsgebiete zu schützen und wiederherzustellen. Insbesondere im globalen Süden. Subramanian rät zudem, die Klimafinanzierung zu stärken, um Investoren für eine widerstandsfähige Wasserinfrastruktur zu gewinnen.
Wirtschaft und Natur im Einklang
Das anfangs zitierte BMWK-Merkblatt rechnet vor, dass rein monetäre Investitionen in Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel die möglichen Schadenskosten um 60 bis 100 Prozent reduzieren könnten. Es erwähnt bei diesen Zahlen aber auch hohe Unsicherheiten. Geld könnte beim Klima manches gerechter gestalten. Was sollte dem Fazit des IPCC-Berichts gemäß bezahlt, wie eine umweltfreundliche Lebensweise belohnt werden?
Babette Never rät dazu, die Finanzströme in eine global funktionierende und gerechte Klimafinanzarchitektur fließen zu lassen. Die Politikwissenschaftlerin arbeitet am IDOS-Forschungsprogramm zur Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme mit. Nach ihrer Ansicht sollten vor allem die Finanzzusagen für den neuen internationalen Fonds für Schäden und Verluste durch den Klimawandel eingehalten werden. Aktuell sei noch unklar, wann und wie diese Zusagen umgesetzt werden.
„Der Prozess dorthin sollte für Entwicklungsländer zu zusätzlichen, angemessenen, klar planbaren und zugänglichen Finanzmitteln führen“, sagt die Expertin. Auch die deutschen Finanzzusagen zu mehr Waldschutz – Forest Climate Leaders Partnerships – in Entwicklungsländern und die Umsetzung der Partnerschaften für eine gerechte Energiewende könnten ihr zufolge helfen. Letztere seien im Kern ein Finanzierungsmechanismus von Industrieländern, um Entwicklungsländern, wie Vietnam oder Südafrika, die besonders von Kohle abhängen, bei der Umsteuerung ihrer Energie- und Wirtschaftssysteme auf einen sauberen, nachhaltigen Weg zu helfen.
Wann klappt’s mit der umweltfreundlichen Lebensweise? Laut Never, wenn die Existenzgrundlagen erhalten und „wirtschaftliche Potenziale im Einklang mit der Natur ermöglicht“ würden. Die Politikwissenschaftlerin spricht davon, Entscheidungen des Einzelnen für nachhaltige Mobilität, Ernährung oder Wohnkonzepte günstig, einfach und attraktiv zu machen.
Auf nationaler Ebene gebe es in vielen Ländern bereits finanzielle Anreize und Steuern. „Kohlenstoffsteuern sind ein besonders wirksames Instrument, um umweltfreundliche Lebensweisen zu motivieren“, betont die IDOS-Expertin. Bei einer Rückführung der Steuereinnahmen an arme Haushalte, könne nach neuester Forschung sogar die Armut reduziert werden, beispielsweise in Peru.
Die Akzeptanz von Kohlenstoffsteuern in Gesellschaften steige, wenn die Einnahmen sowohl direkt für Umweltprojekte genutzt würden als auch, um die Mehrausgaben armer Haushalte auszugleichen. „Dies trifft auch auf Länder des Globalen Südens zu, wie unsere Forschung zeigt“, betont die Wissenschaftlerin. „Eine entsprechende Umweltsteuerreform wäre also ein mächtiges Instrument.“
„Alle in einem heißen Boot“
Angenommen, wir konsumieren weniger und sparen dadurch Emissionen: Hätten davon alle etwas – auch Menschen, die Änderungen ablehnen? Interventionen bei Endverbrauchern könnten laut des jüngsten Weltklima-Berichts bis 2050 40 bis 70 Prozent Emissionen nach Treibhausgasminderungsquote (THG) reduzieren, erläutert Babette Never. Die Ressourcen des Planeten seien endlich. „Verbrauche ich global gesehen überproportional viel, hat jemand anderes weniger“, rechnet die Forscherin vor.
Die Politikwissenschaftlerin malt aus, dass „wir bald alle in einem heißen, ungemütlichen Boot im Sturm“ säßen – auch diejenigen, „die Änderungen ablehnen“. Durch strukturelle Ungleichheit und eine ungerechte Verteilung von Wohlstand würden allerdings die Möglichkeiten, sich das „heiße, ungemütliche Boot ein klein wenig komfortabler zu machen“ oder „Tabletten gegen Seekrankheit zu kaufen“, auch wieder ungleich verteilt sein. Hier müsse die Politik eingreifen.
Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Lebensstile würden nicht automatisch Verzicht oder Verlust bedeuten. Der Politikwissenschaftlerin zufolge gebe es bereits einige „coole Alternativen, die allerdings noch stärker und schneller genau das werden müssen: cool“. Never leitet ihre Coolness-Forderung aus den Verhaltenswissenschaften ab: „Menschen vergleichen sich, streben nach Statussymbolen und orientieren sich an sozialen Normen in der Gesellschaft. Daran hängt auch einiges an individueller Zufriedenheit.“
Als Beispiele für „coole Alternativen“ nennt Never die Reparatur und Wiederverwendung von Kleidung. Auch Produkte als nachhaltige Dienstleistung zu buchen, statt selbst zu besitzen, schlägt Never vor. „Wenn wir die Bedürfnisse und das Wohlergehen des Menschen stärker in den Mittelpunkt stellen, wird klarer, dass zur Erfüllung unserer zentralen Bedürfnisse weniger notwendig ist, als uns Werbung und unsere konsumbasierten Wachstumspfade glauben machen.“
Der Nutzen nachhaltigen Konsums und nachhaltiger Lebensstile seien für Gesundheit, Wohlergehen und Zufriedenheit groß: „Höhere Lebenserwartung, weniger Krankheit, mehr Zeit für menschliche Beziehungen“. – Das sind Vorteile für alle aus einem klimafreundlichen Verhalten, die auch im jüngsten Weltklimabericht nachzulesen sind. Die Empfehlungen der Wissenschaft zur sozialen Komponente einer umweltfreundlichen Lebensweise liegen vor. Der Anfang ist gemacht. Auch in Ende.