Die französische Schauspielerin Eva Green über ihre Rolle in den „Die drei Musketiere“-Filmen, ihre Schüchternheit, warum sie einen Bullshit-Terminator hat, und was sie gern machen würde, wenn sie nicht Schauspielerin wäre.
Madame Green, Sie schlüpfen in „Die drei Musketiere – D’Artagnan“ in die Rolle der mysteriösen Milady de Winter, wie auch im zweiten Teil „Milady“. Was hat Sie denn bewogen, in gleich zwei „Musketiere“-Filme mitzuspielen?
Mehrere Dinge. Ich finde die Besetzung durch die Bank sehr gut. Angefangen von Vincent Cassel als Athos über François Civil als D’Artagnan bis hin zu Vicky Krieps als österreichische Königin Anna. Sehr gefallen hat mir auch, dass sich der Film sehr eng an den Roman von Alexandre Dumas anlehnt und trotzdem einen frischen und originellen Zugang gefunden hat. Bei unserer Version werden sich die Zuschauer sehr gut mit den Musketieren identifizieren können, weil sie diesmal aus echtem Fleisch und Blut sind. Und was Milady de Winter betrifft: Sie ist eine sehr komplexe Figur. Sie ist mal eine Femme fatale, dann wieder eine charmante Ratgeberin. Sie ist äußerst liebenswert, dann wieder total durchtrieben und böse – vor allem im ersten Film. Im zweiten Teil kommen dann auch ihre anderen Charaktereigenschaften zum Vorschein und man versteht, warum sie nur so und nicht anders handeln konnte. Und sie ist sehr mysteriös, was mir natürlich auch ganz besonders gut gefallen hat.
Milady de Winter ist eine sehr bekannte Romanfigur, die schon in vielen Filmen eindrucksvoll dargestellt wurde. Wie vermeidet man da das allzu Bekannte, das Klischee?
Das war die größte Herausforderung für mich. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mich da auf einem sehr schmalen Grat bewegt habe. Ich habe versucht, sie als ambivalente Figur dazustellen. Als eine Frau, die man nie wirklich zu fassen bekommt, da sie ihre wahren Motive immer geschickt verschleiert. Es brodelt immer etwas in ihr, das aber nie wirklich zum Vorschein kommt.
Wieviel von Milady steckt denn in Eva Green?
(Lacht) Sie meinen, wieviel Femme fatale? Wieviel raffinierte Intrigantin? Also, ganz im Ernst: Natürlich fließt beim Spielen auch immer etwas von meiner Lebenserfahrung mit ein. Ich bewege mich ja nicht im luftleeren Raum. Was mich mit Milady de Winter verbindet, ist letztlich ihre tief empfundene Menschlichkeit. Sie ist verletzlich und stark. Sie ist hilfsbedürftig und manipulativ. Sie ist ein echter Wildfang und eine ruchlose Verführerin. Und genau wie Milady haben doch auch wir im Laufe unseres Lebens die unterschiedlichsten Erfahrungen machen müssen … Sie ist wie ein Chamäleon. So jemanden zu spielen ist für jeden Schauspieler ein Geschenk.
Sie haben immer wieder betont, wie schüchtern Sie im wirklichen Leben sind. Und wie Sie sich dann doch auf der Leinwand vor den Augen von Tausenden von Zuschauern zur Schau stellen. Können Sie uns das bitte erklären?
Nein. Die einzige Antwort, die ich darauf habe, ist: Ich muss wohl masochistisch veranlagt sein. (lacht) Als Schauspielerin arbeite ich in einer fiktiven Welt, in einem geschützten Raum. Dort kann ich Dinge tun, die ich im wirklichen Leben nie machen würde. Ich habe ein Drehbuch und einen Regisseur, der mich leitet. Daran kann ich mich festhalten. Das auf der Leinwand bin ja nicht wirklich ich. Ich spiele eine Person, hinter der ich mich sehr gut verstecken kann. Und je mehr diese Person charakterlich von mir entfernt ist, desto leichter kann ich mich verstecken – und desto mehr Spaß habe ich dabei. Wenn ich mich vor einer Kamera produziere, habe ich eine Art Sicherheitsnetz, das ich im wirklichen Leben nicht habe.
Fühlen Sie sich beim Schauspielern etwa lebendiger?
Ja, auf gewisse Weise. Ich fühle mich da mehr in meiner Mitte. Das Blut zirkuliert wieder besser. Vor einer Kamera bin ich ganz sicher nicht so schüchtern und vergeistigt wie im Alltag. Die Schauspielerei hilft mir diesbezüglich tatsächlich dabei, auch im wirklichen Leben besser zurechtzukommen. Wenn ich einen Drehort verlasse, bin ich meist leer und friedlich. Ich habe mich auf eine gute Art ausgepowert, habe mir meine Dämonen vor der Kamera ausgetrieben. (lacht) Zuhause bin ich dann ganz sanft und lieb. Ich behaupte nicht, dass die Schauspielerei eine Therapie für mich wäre. Aber manchmal ist es sehr gut und befreiend alles rauszulassen.
Vincent Cassel hat uns unlängst verraten: „Ich habe dieselbe Einsamkeit bei Eva Green gefunden, die ich auch von mir kenne.“ Sie sind oft mit ihm gemeinsam vor der Kamera gestanden …
… genau das hat er auch zu mir gesagt. Und dass ich sehr instinktiv spiele und immer für eine Überraschung gut bin. Das sind natürlich große Komplimente, die ich aber nur zurückgeben kann. Wir sind bei den Dreharbeiten zu den „Musketiere“-Filmen sehr gut miteinander ausgekommen und zuvor auch schon bei der TV-Miniserie „Liaison“. Wir klicken einfach ein. Das ist etwas sehr Schönes und Befreiendes. Und es passiert mir nicht so oft.
Er sagte auch noch, dass er Sie – wie sich selbst – für einen Außenseiter in der Filmindustrie hält.
Auch damit hat er Recht. (lacht) Wir sind beide echte Freaks!
Sie halten sich immer noch für einen Außenseiter?
Ja, die Leute, die im Filmbusiness das Sagen haben, halten mich meistens für sehr seltsam. Und ich sehe mich auch so: als etwas fremdartige, abseitige Person. Aber vielleicht habe ich mir dieses Etikett, das man mir angeklebt hat, mittlerweile selbst zu eigen gemacht. Ich weiß nicht… Vielleicht kommt das alles doch von meiner mimosenhaften Schüchternheit. Ich zucke sehr schnell zusammen, wenn man mich mit etwas konfrontiert. Ich ziehe mich dann sehr schnell in meine Muschel zurück. Außerdem bin ich sehr schlecht im Smalltalk. Und ich habe einen echten Horror davor, bei einem öffentlichen Auftritt etwas ins Mikrophon sagen zu müssen. Da kriege ich rote Pusteln und fürchte, gleich einen Tourette-Anfall zu kriegen. Ich scheue mich auch meist auf diese großen Filmpremieren-Partys zu gehen. Da gehe ich lieber ins Hotelzimmer oder nach Hause und lese oder höre klassische Musik.
Liegt Ihre berufliche Introvertiertheit vielleicht auch daran, dass Sie im Filmbusiness oft nicht gerade die besten Erfahrungen machen mussten?
Absolut. Schauspieler werden sehr oft nicht als Künstler, sondern als Geldmaschinen betrachtet, und das nicht nur in Hollywood. Je mehr Geld man einspielt, desto freundlicher sind sie zu einem. Aber wehe, man landet einen Flop. Dann grüßt man dich nicht mal mehr. Das Filmbusiness ist ein Power-Play ohne Ende. Was mich betrifft, habe ich den Luxus, ab und zu nicht nur in großen Mainstream-Filmen mitspielen zu können, sondern auch in kleineren Arthouse-Movies. Gerade die kleineren Filme sind künstlerisch oft viel befriedigender, weil man sich dort mehr auf die Charaktere fokussiert und auf die Geschichte, die sie erzählen. Genau aus diesem Grund sind die beiden „Musketiere“-Filme für mich auch so besonders: Auf der einen Seite sind sie pures Entertainment, bei dem wirklich alle Register gezogen werden. Andererseits wird aber sehr viel Wert auf die Figurenzeichnung gelegt. Man lernt als Zuschauer diese Menschen wirklich kennen.
„Mein Ziel ist es, meine wahre Identität zu finden und mir selbst treu zu bleiben!“ Ein großartiges Lebensmotto. Wie nahe sind Sie diesem Ziel gekommen?
Ich glaube schon, dass ich inzwischen zu mir selbst gefunden habe. Und mir treu geblieben bin. Ich kann gar nicht anders. Ich wünsche mir manchmal, dass ich viel kontaktfreudiger wäre. Und ambitionierter – auf eine gute Art und Weise. Aber ich kann mich nicht so gut verstellen oder etwas vorgeben, das ich nicht bin. Ich gehe auch nicht von einem Business-Meeting zum nächsten oder treffe Produzenten oder Regisseure und versuche mich bei ihnen anzupreisen. Ich kann mich schlecht verkaufen. Ich bin eben sehr, sehr schüchtern. Aber das ist okay.
Gibt es Orte, die Sie immer wieder aufsuchen?
Sie werden lachen: Ich gehe gern in alte Kirchen. Nicht weil ich so religiös bin, aber ich finde die Atmosphäre dort sehr angenehm. Es hat nicht nur etwas Beruhigendes, sondern gibt mir auch das Gefühl von etwas Großem. Wenn ich an all die Menschen denke, die diese Kirchen über so lange Zeit – oft über Jahrhunderte hinweg – gebaut haben, fasst mich etwas sehr Erhabenes an. Ich habe früher auch Ikonen gesammelt. Als ich vor einigen Jahren in Russland war, habe ich dort einige erworben. Ich mag Objekte, die eine Geschichte haben.
Wie schöpfen Sie nach langen Drehtagen wieder Kraft?
Früher habe ich etwas Klavier gespielt, um mich zu entspannen und zu regenerieren. Aber inzwischen ist mein Lieblings-Hobby, mit meinen Hunden spazieren zu gehen. Das klingt langweilig, ist es aber nicht. Ich lebe nun ja schon seit über 20 Jahren in London. Da gibt es viele sehr schöne Parkanlagen. Wenn ich mit meinen Hunden dort bin, habe ich das Gefühl, dass ich wirklich sehr frei atmen kann. Da finde ich dann den Seelenfrieden, den ich suche.
Wenn Sie einen Menschen näher kennenlernen wollen – was finden Sie da anziehend, und was stößt sie eher ab?
Sie meinen bei einem potenziellen Liebhaber? Einem Regisseur? Einem Menschen, der im Flugzeug neben mir sitzt?
Ja – bei allen. Und bitte fangen Sie mit dem Liebhaber an.
(lacht) Das hätten Sie wohl gern! Ich kann Ihnen versichern, dass ich natürlich sehr vorsichtig bin, wenn ich neuen Menschen begegne. Ich habe auch einen eingebauten Bullshit-Terminator! Leute, die sich aus den falschen Gründen an mich heranmachen, schieße ich sofort ab. (lacht) Da habe ich einen sechsten Sinn. Ebenso fühle ich auch, wenn eine wirkliche Verbindung entsteht. Wenn man mich tatsächlich kennenlernen und nicht von dem schönen Schein profitieren will.
Wenn Sie nicht Schauspielerin wären – was würden Sie tun? Und wo wären Sie? Die Antwort, dass Sie dann in Norwegen Kuchen backen
würden, glaube ich Ihnen nicht.
Ach, das würde ich schon gerne machen. (lacht) Freilich nicht als Lebensaufgabe. Was ich sehr gern machen würde, ist, Kritiken über Luxushotels in aller Welt zu schreiben. Und gutes Geld dafür zu bekommen. Zum Beispiel für das Condé-Nast- Traveller-Magazin. Dann würde ich in all diesen schönen Hotels eine Zeitlang in den besten Suiten leben. Das wäre doch toll!
Können Sie sich bitte noch mit vier Worten selbst beschreiben?
Durchgeknallt, schüchtern, abenteuerlustig – und furchtbar komisch.