Ein Unbekannter erschießt fast 30 Menschen, eine junge Polizistin soll den Mörder finden. Fans von „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Fargo“ werden ihre Freude an „Catch the Killer“ haben, der seit 5. Oktober im Kino läuft.
In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es jedes Jahr mehrere 100 Massenschießereien und Amokläufe. Je höher die Zahl der Opfer, desto stärker die Resonanz in den Medien – und das stetige Beteuern der Politiker, zukünftig diese erschreckenden Taten durch mal jene, mal andere Ideen eindämmen oder gar ganz beenden zu wollen. Warum aber sinkt die Zahl dieser Verbrechen nicht? Der Film „Catch the Killer“ bietet eine Antwort auf diese Frage, indem er die Arbeit von Polizei und Politik nach einem Attentat zeigt. „Catch the Killer“ ist ein hochspannender Thriller.
Eleanor wollte schon immer FBI-Agentin werden. Aber sie hat es nur zur Streifenbeamtin in Baltimore geschafft. Dort wird sie Zeugin, als in der Silvesternacht ein unbekannter Täter 29 Menschen erschießt. Schnell übernimmt das FBI die Ermittlungen. Einfache Beamte wie Eleanor haben üblicherweise nichts weiter mit dem Fall zu tun. Als aber der zuständige FBI-Agent hört, wie Eleanor im Pausenraum eine Theorie über den Massenmörder aufstellt, holt er die junge Polizistin in sein Team. Eine Chance für Eleanor – aber auch eine Herausforderung, an der sie zu scheitern droht. Während viele Hinweise auf den Täter sich als nutzlos erweisen, gibt es auch innerhalb des FBIs viele Probleme.
Kollegen machen es ihr schwer
In der Filmgeschichte gibt es einige Frauen, die einen Serienkiller überführen – oft zeigen die Heldinnen bis zum Finale einen Teil ihrer verletzten Seelen. In „Das Schweigen der Lämmer“ (1991) zwingt der Kannibale Hannibal Lecter die Polizistin Clarice Starling, sich einem Trauma ihrer Kindheit zu stellen. Sigourney Weaver kann als Psychologin in „Copykill“ (1995) wegen Angstzuständen ihre Wohnung nicht verlassen, muss sich aber einem Killer stellen. Und bereits in sieben „Halloween“-Filmen wehrt sich Jamie Lee Curtis gegen den offenbar nicht klein zu kriegenden Michael Myers und muss dabei auch noch den Tod ihrer Tochter verarbeiten. Auch Eleanor in „Catch the Killer“ ist eine leidende Heldin auf Mörderjagd. Das Trauma, das Eleanor quält, bleibt zwar verborgen, nicht aber die Folgen. Eleanor ist ungeduldig, unbeherrscht und suchtgefährdet – Eigenschaften, die bei der Polizei auf Mördersuche nichts zu suchen haben. Weil aber der Mörder eine ebenso gequälte Seele ist, kann Eleanor sich mit ihm identifizieren. Die Schauspielerin Shailene Woodley (in Deutschland bekannt aus den „Die Bestimmung“-Filmen 2015/2016) verkörpert die junge Polizistin beeindruckend. Die stärksten Szenen sind, wenn Eleanor wortlos leidet. In der Badewanne verliert sie die Fassung bei dem Versuch, das Erlebte zu verarbeiten, in anderen Szenen bewegt sich die Kamera um sie herum und verdeutlicht das emotionale Chaos.
Ein spannendes Finale
Was Eleanor zu schaffen macht, ist nicht nur die Verantwortung, einen Massenmörder stellen zu müssen. Das Talent für diese Aufgabe hat sich nämlich – wie sich im Laufe der Handlung zeigt. Eleanor ist immer wieder mit dem Mörder auf Augenhöhe, versetzt sich in seine kranke Psyche hinein und ist ihm schließlich einen Schritt voraus. Zum Erfolg führt ihr Gespür aber erst einmal nicht – denn Widersacher hat sie in ihrem Team. Die Kollegen sind arrogant, inkompetent, selbstverliebt, die Bürokratie der Behörde blockiert schnelle und unkonventionelle Entscheidungen. Zudem macht sich die Waffenlobby stark, und in der Presse wird auf die Polizei großer Druck ausgeübt. „Catch the Killer“-Regisseur Damián Szifron offenbart so, dass es kein Wunder zu sein scheint, dass die USA ihr Problem mit Massenschießereien nicht in den Griff bekommen. Als Folge dieser polizeilichen Inkompetenz und Zeitverschwendung kommt es zu einem zweiten Massaker – zwar brutal inszeniert, aber nicht überraschend. Diese zweite Schießerei offenbart, wie verletzlich das urbane Leben ist, und dass jeder Bürger stets auch eine Zielscheibe ist.
Eleanors Gespür führt sie nach einigen Wirrungen in eine winterliche Landschaft. Dieses spannende Finale hält dem Vergleich mit dem genialen Thriller „Fargo“ (in dem ebenfalls eine Polizistin auf der Spur eines Mörders ist) durchaus stand und wird selbst erfahrene Fans von Polizeithrillern überraschen.