Der erfolgreiche Moderator, Comedian und Musiker Tom Lehel war in seiner Schulzeit massivem Mobbing ausgesetzt. Heute schreibt er Kinderbücher über dieses Thema – und er engagiert sich mit seinem Anti-Mobbing-Präventionsprogramm in Grundschulen.
Herr Lehel, Sie haben mehrere Bücher zum Thema Mobbing in Schulen veröffentlicht, in denen Sie auch eigene Mobbing-Erfahrungen in Ihrer Kindheit schildern. In welchem Alter und über welchen Zeitraum wurden Sie gemobbt, und wie genau sah das aus?
Bei mir fing es bereits in der zweiten Klasse an. Es ging von Ausgrenzung bis hin zu körperlicher Gewalt. Dieser Zustand änderte sich bis zur weiterführenden Schule und bis zum Internat nicht. Es wurde immer schlimmer, intensiver und sehr gewalttätig. Bis hin zum Versuch mir Heroin zu spritzen, um mich abhängig zu machen. Das war der Auslöser für mich, aus der Zwangsgemeinschaft „Internat“ auszubrechen und aktiv auf meine Eltern zuzugehen.

Konnten Sie vorher nicht mit Eltern und Lehrern darüber reden?
Die Lehrer hat es nicht interessiert und meine Eltern haben mir nicht geglaubt. So wie es heute noch sehr häufig vorkommt. Mich gegen die Angreifer zu wehren hätte die Gewalt nur multipliziert.
Welche Auswirkungen hatte das Mobbing auf Sie, zum Beispiel auf Ihre psychische und körperliche Gesundheit?
Ich kann bis heute mit neuen Gruppen nicht gut umgehen. Ich bin immer sehr misstrauisch. Ich kann schlecht allein einschlafen. Wenn ich irgendwo hingehe, muss ich immer meine Umgebung „scannen“, das heißt sicher- gehen, dass da keiner ist, der mir Schaden zufügen kann. Das ist sehr anstrengend! Ich kann mich nicht richtig auf das freuen, was so kommt, da ich immer skeptisch bin, dass etwas Negatives passiert. Mein Körper hatte immer mit Entzündungen zu kämpfen. Entweder meine Organe oder den Zahnbereich betreffend. Das hat sich mit der Zeit aber zum Glück gelegt.
Mit „Wir wollen mobbingfrei!!“, Ihrem Anti-Mobbing-Präventionsprogramm für die 3. und 4. Klassen von Grundschulen, sind Sie auch selbst in Schulen unterwegs. Wie genau sieht dieses Programm aus?
Ich mache ein Schulevent, welches circa 120 Minuten dauert, um die Kids für das Thema zu sensibilisieren. Die Art und Weise wie ich es mache ist einzigartig – Tom-Style. Und ich habe es anhand meiner Erfahrungen und Büchern erarbeitet. Fünf Jahre lang habe ich es vorbereitet, um den besten Weg niederschwellig und attraktiv zu präsentieren. Abends gibt es einen Elternabend mit meinem Pädagogen-Team und anschließend mache ich an einem anderen Tag die Lehrerfortbildung mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Ist Ihr Programm rein präventiv oder haben Sie an den Schulen auch schon von Mobbing mitbekommen?
Mein Programm ist rein präventiv. Wenn es schon zu Mobbing in den Schulen gekommen ist, ist es leider für den Geschädigten zu spät. Er oder sie werden es ihr Leben lang mit sich tragen. Prävention heißt ja auch Intervention. Dennoch ist Prävention die einzig wirksame Art.
Wie reagieren die Schüler auf Ihr Programm und welche Fragen stellen sie?
Aus Datenschutzgründen werde ich keine Schüler zitieren, aber was ich sagen kann ist, dass ich 93 Prozent der Kids positiv erreiche. Dieses Ergebnis muss von den Lehrern weitergetragen und immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Die Fragen beziehen sich meist auf meine Vergangenheit.
Wie sind Ihre Erfahrungen: Sprechen Kinder bei Lehrern oder zu Hause über Mobbing oder ist es ihnen eher peinlich?
Sie machen es leider nicht oft, da sie entweder ihre Eltern nicht belasten wollen oder die Eltern nehmen es nicht ernst, wie es bei mir der Fall war. Oft wollen sie es auch nicht wahrhaben und sehen weg. „Mein Kind ist ein Opfer? Mein Kind ist ein Mobber? Nein, mein Kind doch nicht!“ Ob die Kinder ihren Lehrern offen gegenübertreten, hängt vom Vertrauen zu ihrem Lehrer ab. Wenn diese auf Augenhöhe mit den Kindern sind und nicht hierarchisch denken, könnte es funktionieren. Mein Programm stärkt die Kinder, um sich selbst zu regulieren, denn die Kids wissen, wo Mobbing stattfindet. Sie müssen in der Gemeinschaft bestärkt werden sich dagegenzustellen, gegenseitig aufeinander aufzupassen und Verantwortung zu übernehmen. Wenn alle das gleiche Wissen haben, kann das Monster „Mo“ – Mobbing – im Käfig gehalten werden. Dieser Käfig mit seinem Monster ist ja leider immer zugegen und kann sich leider für jeden öffnen. Wenn wir aber alle zu „Wächtern“ werden und darauf achten, dass sich dieser Käfig nicht öffnet, dann kann eine Schule oder eine Gemeinschaft „mobbingfrei“ werden. Einfach eine Frage von Haltung.
Was würden Sie sagen: Wird Mobbing heute ernster genommen als in Ihrer Kindheit?
Ja, da diese Bezeichnung erst seit dem Jahre 2000 bekannt ist. Und es wird immer mehr zum gesamtgesellschaftlichen Problem. Die, die es früher erwischt hat, sind heute psychisch und physisch beeinträchtigt. Und es werden immer mehr.

Welche Tipps würden Sie Kindern und Jugendlichen geben, die gemobbt werden?
Auf meiner Seite www.wirwollenmobbingfrei.com gibt es Tipps. Was ich bei einem akuten Fall zum Beispiel immer empfehlen kann, ist die „Nummer gegen Kummer“. Die können sehr gut helfen und Tipps geben. Ansonsten immer ein Mobbingtagebuch führen, um Beweise zu haben. Mit diesen Aufzeichnungen zum Schulleiter gehen, falls die Lehrer sich nicht kümmern. Wenn es da nicht klappt zum Anwalt und im akuten Fall auch zur Polizei gehen und sich informieren.
Welche Tipps würden Sie Eltern von Betroffenen und Lehrern geben?
Grundsätzlich immer dem Kind Zeit geben sich zu äußern und ihm die Sicherheit geben, dass es alles erzählen kann und darf. Egal, wie peinlich es ist. Man ist der Fels in der Brandung für das Kind und nimmt es ernst. Mit Zeit meine ich, sich wirklich mit dem Kind hinzusetzen und alles andere auszuschalten. Kein Smartphone, kein TV, kein Radio. Der Fokus nur auf das Kind – „ich bin für dich da und alles andere ist unwichtig“. Sicherheit geben stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder. Immer positiv bestärken und dem Kind das Gefühl geben: „Du bist hier sicher, und wir nehmen es ernst, was du sagst. Wir lösen diese Probleme mit dir gemeinsam.“
Sie wurden in Ihrer Schulzeit auch von einem Lehrer gemobbt. Ihre Eltern haben Sie damals schließlich in einem Internat angemeldet. Was würden Sie in solchen Fällen heute raten?
Meine Eltern haben leider, wie viele Eltern, nach dem Motto gelebt: „Oh Gott, was sollen die anderen sagen?“ Sie haben aber nach meiner Internatszeit und dem Zwischenfall mit dem Versuch, mir Drogen zu spritzen, umgedacht und daraus gelernt. Es war wie eine göttliche Ohrfeige. Dadurch hat sich unser Verhältnis so positiv verändert, dass ich mein Nest hatte, welches mich schlussendlich dann doch noch sehr selbstbewusst machen konnte. Es ist also nie zu spät! Heute würden meine Eltern wohl mit der Schulleitung sprechen, sich extrem über den Lehrer beschweren und mit Anzeige oder anderen juristischen Mitteln drohen. Sie würden nicht wie früher einfach wegschauen, sondern Verantwortung übernehmen. Sie wären mit Sicherheit „Wächter“ des Käfigs des Monsters „Mo“ und würden wie zwei Felsen in der Brandung an meiner Seite stehen. Sehr stark!