Der Ausgang der Landtagswahlen in Bayern und Hessen ist für die Parteien der Ampelregierung ein deutliches Warnsignal: SPD und FDP in beiden Ländern sind beinahe marginalisiert, die Grünen kommen politisch mit zwei blauen Augen davon. Der Ton in der Bundespolitik wird nun wohl noch rauer werden.
In der SPD-Parteizentrale hatte man bereits am Donnerstag vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen ein Gefühl dafür, was da auf die Sozialdemokraten zukommen würde: wenig Vergnügliches. Darum hatte man den Termin für das offizielle Dankeschön des Parteivorstandes an die SPD-Spitzenkandidaten aus den beiden Bundesländern, Nancy Faeser und Florian von Brunn, am Montag nach den Urnengängen vorsorglich schon mal auf zehn Uhr vordatiert: vor den Beginn der Parteivorstandssitzung, was relativ ungewöhnlich ist. Bislang galt immer: Erst wird das Wahlergebnis besprochen und dann gibt es das offizielle Dankeschön. Doch SPD-Chef Lars Klingbeil war offenbar schon vor einer Woche klar: Weder in Hessen und schon gar nicht in Bayern wird es etwas zu feiern geben.
Einmal mehr historisch schlechte Ergebnisse
Bundesinnenministerin Faeser war in Hessen unter Erfolgsvorbehalt angetreten: Hätte sie gewonnen, wäre sie in die hessische Staatskanzlei gewechselt – so aber bleibt sie in Berlin, bekommt zusammen mit von Brunn aus den Händen ihrer Partei schnell den Blumenstrauß im mehr als halb leeren Atrium des Willy-Brandt-Hauses überreicht, und weiter mit business as usual. In der SPD-Führung will man die Landtagswahlen in Bayern und Hessen schnellstmöglich vergessen, am besten gar nicht mehr darüber sprechen.
Viel zu besprechen gibt es auch nicht. Die Sozialdemokraten sind in beiden Ländern mit jeweils historisch schlechten Ergebnissen abgestraft worden. Darum geht nun der sozialdemokratische Blick nach vorn. Doch selbst Nancy Faeser, trotz Wahldebakels weiterhin Bundesinnenministerin, musste erkennen, dass ihre Migrationspolitik, neben den ständigen Ampelstreitigkeiten, das ausschlaggebende Momentum für das vernichtende Wählervotum war.
Nun soll sich alles ganz schnell ändern. Zukünftig will man die eigene Politik besser erklären. Doch was beispielsweise bei der Aufnahme von Flüchtlingen in den kommenden Monaten anders werden soll, dazu gibt es keine konkrete Aussage von Faeser. Auf die Frage, ob nun abgelehnte Asylbewerber zukünftig konsequenter abgeschoben werden sollen: keine klare Antwort. Faeser verweist nach ihrem Wahldebakel in Hessen weiter auf die Bundesländer, die ja abschieben könnten, wenn sie denn wollten.
In der SPD-Führung und dem Kanzleramt hofft man nun ganz offensichtlich auf die nächsten Monate ohne anstehende Landtagswahlen und damit erneuten Druck auf den Regierungskessel. Eine vermutlich trügerische Hoffnung, denn nicht nur die Kanzlerpartei SPD hat den Wähler-Unwillen zu spüren bekommen, sondern auch die mitregierende FDP. In München aus dem Parlament geflogen und in Wiesbaden mit gerade mal 5,0 Prozent den Wiedereinzug ganz knapp geschafft, ist die Stimmung bei den Freien Demokraten mehr als unterirdisch. Bayern und Hessen waren für die FDP verlässliche Bastionen. Beide Länder sind wirtschaftliche Stabilitätsanker, wo bürgerliche Mittelschicht und der produzierende Mittelstand einen festen Platz haben. Doch selbst hier dringt die FDP nur noch schwer zu ihrer Kernzielgruppe durch.
Parteichef Christian Lindner gerät zudem auch parteiintern immer weiter unter Druck. Deshalb versucht er, in seiner Funktion als Bundesfinanzminister das liberale Profil seiner Partei zu schärfen. Das fängt mit der finanziellen Ausstattung der anvisierten Kindergrundsicherung an und endet beim gedeckelten Industriestrompreis. Letzteres ist auch innerhalb der Liberalen mehr als umstritten. Finanzminister Lindner ist sich mit Bundeskanzler Scholz einig, dass es einen gedeckelten Industriestrompreis nach dem Gießkannenprinzip nicht geben soll. Der Wirtschaftsflügel innerhalb der FDP ist dagegen für solche Finanzhilfen für energieintensive Industriebetriebe – und übrigens auch flächendeckend die Ministerpräsidenten der Länder, Teile der SPD und letztlich Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen. Die FDP wird in den kommenden Monaten eher noch streitlustiger, als es bisher schon der Fall war.
Bei den Grünen ist man dagegen heilfroh, bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen lediglich mit Verlusten von drei beziehungsweise fünf Prozent aus dem Rennen gegangen zu sein. Wirklicher Stimmungs-Aufheller sind diese Ergebnisse zwar auch nicht, aber auch Parteichefin Ricarda Lang gibt an dieser Stelle die Parole aus: „Wir müssen unsere Politik zukünftig besser erklären und dürfen die Menschen nicht verunsichern.“ Eine wirkliche Antwort für die zukünftige Migrations- und Flüchtlingspolitik, den Dreh- und Angelpunkt der beiden Landtagswahlen, liefert das zwar nicht wirklich, aber man ist künftig zumindest bemüht.
Nach den Wahlen sind viele Fragen weiter offen
Wahlgewinner CSU und CDU freuen sich zwar über ihr gutes Abschneiden, aber auch hier liegt der Teufel im Detail der Analyse. Die Christsozialen mit Markus Söder in Bayern sind noch mal um 0,2 Prozent abgerutscht, während sich im Nachbarland Hessen Boris Rhein über einen Stimmenzuwachs von satten 7,6 Prozentpunkten freuen kann. Doch zur Gesamtschau gehören auch die Ergebnisse der AfD.
In Bayern kommen CSU, Freie Wähler und AfD auf 67,4 Prozent der Stimmen. Eine stramm konservative Zwei-Drittel-Mehrheit war bislang für Bayern typisch – allerdings verteilen sich die Stimmen des rechten Spektrums mittlerweile auf drei Parteien. Söder kann weiter mit den Freien Wählern regieren. Die AfD steht sowohl in Bayern als auch in Hessen als Oppositionsführer in den jeweiligen Landesparlamenten fest.
Das wird in den kommenden Wochen auch für weiteren Ärger mit der Bundespartei, vor allem mit CDU-Chef Friedrich Merz, führen. Immerhin geht es im kommenden Jahr um die Unions-Kanzlerkandidatur, und es sieht nicht so aus, als würde CSU-Chef Markus Söder – trotz erneut historisch niedrigem Wahlergebnis im eigenen Land – diesbezüglich klein beigeben.
Völlig unter die Räder gekommen ist bei den Landtagswahlen erneut die Linke, deren bundesweite zukünftige Existenz ohnehin seit Monaten mehr als infrage steht. Parteichefin Janine Wissler steht abermals in der Kritik, immerhin kommt sie aus Hessen und sollte auf Drängen des Parteivorstandes dort den Wahlkampf als Spitzenkandidatin anführen, was Wissler ob der mageren Erfolgsaussichten ablehnte. In Hessen ist die Linke nun zukünftig auch nicht mehr im Parlament vertreten, in Bayern hatte die Partei ohnehin keine Chance. Auch bei der Linken wird es damit in den kommenden Wochen einigen Klärungsbedarf geben, wenn die Partei sich nicht tatsächlich gleich selbst auflöst.
Letztlich lieferten die Wahlausgänge keine wirklichen Überraschungen, auch keine sonderlich neuen Erkenntnisse über den Zustand der politischen Landschaft. Nicht umsonst richtet sich der Blick schon seit Wochen in Richtung Osten, auf die Wahlen im kommenden Jahr in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.