Die Grand Old Party steht heute fast völlig unter dem Einfluss von Donald Trump. Dieser agiert nach dem Motto „Teile und herrsche“. Anders als 2016 existiert mittlerweile ein weitreichender Plan, wie die erzkonservative Rechte die US-Demokratie umbauen will.
Krieg in der Ukraine, Krieg in Israel. Zwei heiße Konfliktherde, in denen die USA eine gewichtige Rolle spielen. Das Recht, die dafür notwendigen Gelder freizumachen, hat das Repräsentantenhaus. Eigentlich. Ohne einen Sprecher aber ist dieser Teil der US-Regierung lahmgelegt: durch einen einzigen Vertreter des politisch extremen, populistischen, isolationistischen und kaum kompromissbereiten „Make America Great Again“-Flügels (MAGA, nach dem Wahlkampfslogan Donald Trumps) der Republikaner.
Um überhaupt im 15. Wahlgang in das Amt gewählt werden zu können, hatte sich der bisherige Speaker Kevin McCarthy zur Geisel der extremen Rechten seiner Partei gemacht: Auf Druck des Kongressabgeordneten Matt Gaetz aus Florida hatte der sogenannte „Freedom Caucus“, die MAGA-Fraktion der republikanischen Abgeordneten, McCarthy einen Deal abgetrotzt: ihre Stimmen für ihn, wenn er zulasse, dass ein einziger Abgeordneter seine Abwahl veranlassen könne. Genau darüber stolperte McCarthy und das schon fast erwartungsgemäß. Denn dass das Repräsentantenhaus Gefahr läuft, in der zunehmend aufgeheizten Stimmung in den USA im Vorfeld des Präsidentschaftswahlkampfes im kommenden Jahr zur Geisel der Extremisten zu werden, war abzusehen.
Radikalisiert und kompromisslos
Entzündet hatte sich der Konflikt an einem schwelenden Haushaltsstreit. McCarthy hatte vor wenigen Wochen in buchstäblich letzter Minute einen Übergangshaushalt – ohne Hilfsgelder für die Ukraine – ausgehandelt, bevor der US-Regierung das Geld ausging und sie wichtige Einrichtungen schließen und Mitarbeiter unbezahlt nach Hause schicken musste. Der so verabschiedete Übergangshaushalt verlängert die Frist, bis ein neuer Haushalt endgültig ausgehandelt werden kann, bis November. Daran, dass der Kompromiss überhaupt zustande kam, störte sich jedoch der Freedom Caucus und dort vor allem Matt Gaetz. Er brachte die Abwahl McCarthys ins Rollen – wegen „Verrats“.
Ein Chaos, das für die Partei zur Unzeit kommt. Denn sie befindet sich mitten in den Primaries, den Vorwahlkämpfen um das Präsidentenamt. Offen ausgetragene Flügelkämpfe – für die weniger radikalen Republikaner eine erschütternde Peinlichkeit. Für die extremistischen das Mittel zum Zweck, um endlich die eigene Agenda durchzusetzen: geschlossene Grenzen, harte Einschnitte in die staatlichen Sozialprogramme, um das Staatsdefizit zu verringern, Kulturkampf gegen „Wokeness“. Zahlreiche moderate Stimmen hat die immer schriller auftretende Partei in den vergangenen Jahren bereits vergrault, darunter die Abgeordneten Adam Kinzinger und Liz Cheney, den noch amtierenden, aber nicht wieder antretenden Senator Mitt Romney.
Heute richtet sich die GOP ganz an einem einzigen Mann aus, Donald Trump, im Kongress und in den Bundesstaaten. Alle anderen Präsidentschaftskandidaten liegen bei parteiinternen Umfragen so weit abgeschlagen hinter Trump, dass dieser es nicht einmal für nötig hält, mit ihnen öffentlich zu debattieren. Einzig Nikki Haley verdient dabei besondere Beachtung: Die Ex-UN-Botschafterin ist die einzige Kandidatin, die laut Umfragen Joe Biden mit Leichtigkeit in einem hypothetischen Präsidentschaftsduell schlagen könnte. Selbst für Donald Trump steht es mal wieder 50:50 – mit leichtem Altersvorteil für Trump.
Jene Personenbezogenheit ist im US-amerikanischen politischen System nichts Neues, Gleiches gilt für die Demokraten und Joe Biden. Dass Ex-Präsident Donald Trump dennoch über Jahre einen so weitreichenden Einfluss auf die aktuelle Politik behält, ist neu. Auch, dass er trotz der vielen Verfahren, die gegen ihn anhängig sind, antritt, mit weitem Abstand der führende republikanische Kandidat ist und viele Umfragen im Land gegenüber dem amtierenden Präsidenten Joe Biden dominiert.
Neu gegenüber 2016 ist aber auch, dass die amerikanische Rechte mittlerweile einen Plan hat, um ihren Griff um das politische System endgültig und für längere Zeit zu sichern, und zwar von Tag eins einer möglichen Präsidentschaft an. Hatte Trump die Gelegenheit, den Obersten Gerichtshof mit einer großen Zahl ultrakonservativer Richter und Richterinnen zu besetzen, soll nun der übrige Regierungsapparat umgebaut werden. „Project 2025“ des konservativen Thinktanks Heritage Foundation beschreibt auf 1.000 Seiten detailliert, wie das geschehen soll. 50.000 Regierungsmitarbeiter sollen gefeuert werden und nur noch in Teilen durch handverlesene Konservative ersetzt werden, die den Staat dann von innen heraus bekämpfen sollen. „Wir müssen die Zone mit Konservativen fluten“, wird der Direktor des Projektes, Paul Dans, zitiert. Außerdem soll die Unabhängigkeit des Justizministeriums eingeschränkt und das Vorgehen der Bundespolizeibehörde FBI gegen Falschinformation beendet werden.
Mit dieser Vorgehensweise will die GOP das Chaos der vergangenen Präsidentschaft Trumps eindämmen, eine loyale Bürokratie soll dem reibungslosen Durchregieren nicht mehr im Wege stehen. Dabei sind laut der gemeinnützigen Stiftung „Partnership for Public Service“ nur rund 4.000 Angestellte politisch ernannt; Bidens Regierungsapparat hat davon bislang 537 ernannt, andere arbeiten seit den Zeiten verschiedener Vorgängerregierungen in ihren Ämtern. Der Großteil der US-Bundesbürokratie wurde in den 70er-Jahren unter Präsident Carter modernisiert und professionalisiert. Das soll sich nun ändern. Jener Radikalumbau aber ist bislang noch Zukunftsmusik. Ob Trump letztlich der republikanische Kandidat werden kann, ist noch unklar. Aufgrund der zahlreichen Verfahren gegen ihn und des 14. Verfassungszusatzes, der Personen, die einen Aufstand anzetteln, öffentliche Ämter verbietet, könnte er noch aus dem Rennen geworfen werden. Die juristische Debatte über jenen Zusatz der US-Verfassung, der noch nie zur Anwendung kam, läuft.
Den Staat entkernen
Die Chancen auf eine Wiederwahl Trumps stehen ungeachtet der laufenden Prozesse und Anklagen laut Umfragen gut. Seit Herbst 2021 ist der Geschäftsmann wieder auf Wahlkampftour, verstärkt die Frequenz der Auftritte immer weiter und wird dabei nicht müde, die Slogans seines vorherigen Wahlkampfes von 2016 gebetsmühlenartig zu wiederholen. Gleichzeitig wurde über das „Rolling Stone Magazin“ bekannt, dass sich Pläne verfestigen, die USA werde unter Trump aus der Nato austreten – wenn seine schon vor Jahren formulierte Forderung nicht eingehalten werde, dass alle Nato-Staaten zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für die Nato selbst aufwenden.
Die große Unbekannte: der unabhängige Kandidat. Robert F. Kennedy jr., ein verschwörungsgläubiger Impfgegner und Ex-Demokrat, dessen berühmte Familie sich öffentlich pikiert über die Kandidatur des Sohnes von Bobby Kennedy zeigt, könnte nach Umfragen der öffentlich-rechtlichen Sender NPR und PBS vor allem Trump Stimmen abjagen. In einem Dreierwettstreit mit Kennedy jr. hätte Joe Biden einen Vorsprung von sieben Punkten vor Trump. 44 Prozent der registrierten Wähler unterstützen Biden. 37 Prozent unterstützen Trump, 16 Prozent Kennedy. Ob Kennedys Kampagne jedoch die gewaltige Kluft an Geld und Professionalität seiner beiden gegnerischen Kampagnen bis zur Präsidentschaftswahl aufholen kann, ist fraglich.
Mittlerweile hat sich das Repräsentantenhaus auf einen Kandidaten einigen können. Mike Johnson war bislang wenig auffällig und hat wenig Feinde. Der evangelikale Anwalt aber galt im Vorfeld des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 als einer der wichtigsten juristischen Initiatoren der Wahlanfechtung und der Lüge von der gestohlenen Wahl. Offenbar können sich die Republikaner aber damit gut anfreunden.