Das Städtchen Dömitz in Mecklenburg-Vorpommern begeistert Besucher mit seiner malerischen Lage zwischen zwei Flüssen – und seiner spannenden Geschichte.
Die meisten Städte, ob Metropole oder Kleinstadt, die man bei einem Ausflug besichtigen und erleben will, bieten ein sehenswertes Zentrum. Was in unserem Land dazu gehört, man kennt es zumeist: eine oder mehrere Kirchen, ein Marktplatz, ein Rathaus, eine erhaltene oder liebevoll restaurierte Altstadt, vielleicht ein Denkmal oder ein Brunnen.
Auch das kleine Städtchen Dömitz mit seinen rund 3.000 Einwohnern steht solchen Erwartungen nicht nach, im Gegenteil. Ganz unaufdringlich schmiegt sich die südlichste Stadt Mecklenburg-Vorpommerns an das östliche Ufer der Elbe, die sich hier nahezu naturbelassen in weiten Bögen durch das „Unesco Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe“ schlängelt. Man befindet sich hier nur wenig entfernt vom Dreiländereck, in dem Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Brandenburg aneinandergrenzen.
Die Altstadt von Dömitz ist nur über eine Torbrücke gen Norden und eine Hafenbrücke im Süden zu erreichen, denn sie ist umgeben von den Flüssen Elde und Elbe. Kein Wunder, dass es in Dömitz 14 Stege und Brücken gibt. Wohin man seine Schritte auch lenkt, zum kleinen Hafen mit der Schleuse oder ins Zentrum mit seinen stillen Gassen und malerischen Flecken, ans Wasser stößt man überall. Das wissen vor allem im Sommer Freizeitkapitäne, Paddler und Wassersportler zu schätzen, denn Dömitz ist End- oder Ausgangspunkt der Müritz-Elde-Wasserstraße, die die Elbe mit der oberen Havel verbindet.
Die unmittelbare Nähe zum Wasser der Elbe ist auch ein Grund dafür, dass Dömitz und seine Nachbarschaft erst spät besiedelt wurden. Häufige Überschwemmungen und schlechte Böden boten zunächst schlechte Voraussetzungen, um hier heimisch zu werden. Für andere Zwecke hingegen bot die Lage des Fleckens besondere Vorteile. Von hier aus war eine durch den Fluss gegebene, traditionelle Grenze gut zu überwachen. Das galt für die bewaffneten Konflikte zwischen Slawen und anrückenden Germanen im 12. und 13. Jahrhundert ebenso wie für die zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen wechselnden Parteien in den folgenden Jahrhunderten. Eine westlich des Ortes gelegene Elbinsel wurde im 13. Jahrhundert idealer Bauplatz für eine Burg und eine spätere Festung, die die Entwicklung von Dömitz entscheidend prägen sollten. Nicht umsonst zeigt das Dömitzer Wappen ein Stadttor als typisches Symbol für eine befestigte Stadt. Bis heute ist die Beziehung zwischen Stadt und Festung im Straßenbild der Stadt unmittelbar erkennbar.
Die Torstraße, die zu den wichtigsten Straßen von Dömitz gehört, führt in gerader Linie vom Stadteingang zum Rathausplatz. Hier lag der ehemalige Paradeplatz vor der Festung. Und als nach dem großen Stadtbrand 1809 neue, bis heute zumeist gut erhaltene Fachwerkhäuser entstanden, musste die große Straßenbreite unbedingt eingehalten werden. Denn eine freie und breite Hauptstraße zur Festung war eine wesentliche Voraussetzung für deren Verteidigung. Neben dieser ältesten Geschäftsstraße der Stadt, mit deren Pflasterung 1850 auch die Befestigung der anderen Straßenoberflächen von Dömitz beginnt, sind im überschaubaren Zentrum zahlreiche historische Gebäude zu besichtigen. Der Rathausplatz, die Kirche, die Elbstraße und die Friedrich-Franz-Straße bieten hier vielerlei Ansichten denkmalgeschützter, restaurierter Häuser.
Während des Spaziergangs fällt dem interessierten Besucher jedoch sehr schnell auf, dass das gesamte Straßen- und Wegenetz des Städtchens nicht planlos nach Lust und Laune entstanden ist, sondern sich den optimalen Verteidigungsbedingungen der bereits erwähnten Festung unterordnen musste. Dömitz ist eine Festungsstadt, und ohne die militärische Anlage wäre dieser Flecken wohl ein verschlafener, unbedeutender Ort am Elbestrand geblieben.
In geraden Linien hin zur Festung
Es war der mecklenburgische Herzog Johann Albrecht I., der zwischen 1559 und 1565 von einheimischen und italienischen Bauleuten die heute noch erhaltene Festung auf den Ruinen der alten Burg Dömitz errichten ließ. Die Lage dafür war ideal. Auf einer Insel in der Elbniederung, die hochwasserfrei war, bot sich natürlicher Schutz. Nach Studienreisen durch Italien nahm der Herzog einen aus Oberitalien stammenden Festungsbaumeister in die Pflicht. Er sollte hier die stärkste Grenzfestung Mecklenburgs gegenüber Brandenburg und Hannover errichten und durch diesen Kontrollpunkt gleichzeitig auch die Elbzolleinnahmen ermöglichen und sichern.
Wer nun die Festung umrundet, erkennt ein regelmäßiges Fünfeck als Grundform. An jeder Ecke sind Bastionen errichtet, die Kasematten für die Aufnahme von Waffen und Wirtschaftsgerät beherbergen, alle nur auf Gewehrschussweite voneinander entfernt. Die Festungsmauern selbst erreichen eine Höhe von neun Metern. Damit Soldaten und Bewaffnung schnell und übersichtlich vom Stadtwall zur Festung oder umgekehrt verlegt werden konnten, führten die Hauptstraßen von Dömitz in geraden Linien zur Festung. Heute gehört die Festung Dömitz zu den besterhaltenen Flachlandfestungen in Nordeuropa und ist in ganz Norddeutschland die einzige vollständig erhaltene pentagonale Zitadelle der Renaissance.
Immer wieder wurde die Festungsanlage zu einem Eroberungsziel verschiedener Generäle und Landesfürsten. Dänische und schwedische Treppen besetzten während des Dreißigjährigen Krieges Festung und Stadt, die Feldherren Tilly und Wallenstein zogen in Dömitz ein. Alle Chroniken aus vergangener Zeit bezeugen, wie sehr Dömitz unter Belagerungen und Kanonaden litt, und viel menschliches Leid war dieser Verbindung zwischen Stadt und Festung geschuldet. Die Festung, der Hof und die von den hohen Mauern umschlossenen einzelnen Gebäude sind heute gut zu besichtigen, ebenso sehenswerte Ausstellungen und das Museum zur Stadt- und Festungsgeschichte. Dies gilt auch für die Zeit der deutschen Teilung, die besondere Schwierigkeiten und Beeinträchtigungen in unmittelbarer Nähe zu Stacheldraht und Todesstreifen entlang der Elbe mit sich brachten.
Operationsfähigkeit sollte flexibel sein
Wer nun von der Festungsmauer seinen Blick über das südwestliche Flussufer schweifen lässt, wird in der Ferne ein weiteres Wahrzeichen von Dömitz entdecken. Die Dömitzer Eisenbahnbrücke ist ein monumentales Industriedenkmal und Mahnmal an das Ende des Zweiten Weltkrieges, das seinesgleichen sucht. Die Brücke, mit 1.050 Meter eine der längsten Flussbrücken Deutschlands, wurde zwischen 1870 und 1873 erbaut und verband die Bahnlinie Lüneburg – Wittenberge. Vier große Brückenbögen mit jeweils 67,80 Metern Länge überspannten den Strom, 16 kleinere Bögen überbrückten die Überschwemmungsgebiete am Flussufer. Dieser beeindruckende Bau war auch ein Zeugnis dafür, dass neben den traditionellen Transportrouten zu Lande und auf den Binnenwasserstraßen die Eisenbahnlinien immer wichtiger wurden. So sollte auch der Dömitzer Umschlagplatz für die Elbe- und Eldeschiffe an die Bahnstrecke angebunden werden. Doch das Eisenbahnnetz zu erweitern, diente auch militärischen Zwecken, wobei die Nähe zur Dömitzer Festung unter Aspekten der Verteidigung durchaus beabsichtigt war. Hauptsächlich ging es um eine flexiblere Operationsfähigkeit des Heeres. Während des Ersten Weltkrieges wurden so Truppentransporte aus Norddeutschland an die Westfront hauptsächlich über die Brücke abgewickelt.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Brücke am 20. April 1945 von der alliierten Luftwaffe angegriffen und schwer getroffen. Nie mehr aufgebaut, mahnte sie an das Kriegsende und später an die deutsche Teilung. Die Brückenpfeiler auf dem Ostufer der Elbe wurden 1987 von der DDR gesprengt, die 550 Meter langen Brückenreste im Westen blieben stehen und waren beliebter Haltepunkt auf dem Elbe-Rad-Wanderweg.
Nachdem die Deutsche Bahn lange Zeit vergeblich versucht hatte, das Bauwerk zu verkaufen und verschiedene Nutzungskonzepte verworfen worden waren, wurde die Brücke 2010 versteigert. Seitdem flossen acht Millionen Euro in die Sanierung und Restauration nach historischem Vorbild und im August dieses Jahres wurde ein Skywalk von 130 Metern Länge eröffnet. Der Besuch lohnt auf jeden Fall. Der Blick aus dieser Perspektive auf die naturerhaltene Elbtalaue ist einmalig. Auch Eisenbahnfans kommen auf ihre Kosten. Sollte der Skywalk von den Besuchern gut angenommen werden, ist auch der Ausbau von zwölf weiteren Brückenbögen als Aussichtsplattformen geplant.
Eine beeindruckende Festungsanlage, Skywalk in der Flussniederung und eine beschauliche Kleinstadt dazwischen sind auf jeden Fall eine Stippvisite wert.