Über Jahrzehnte hatte Loriot vor allem Fernsehen gemacht. In den Jahren 1988 und 1991 kamen dann die Spielfilme „Ödipussi“ und „Pappa ante portas“ in die Kinos – dank Horst Wendlandt.

Ein fürs Fernsehen entwickeltes Format ins Kino zu bringen, ist ein Wagnis. Für die große Leinwand gelten ganz andere Gesetze als für den kleinen Kasten, der früher in den deutschen Wohnzimmern stand. Loriot wagte den Sprung ins Kino. Dazu musste er seinen Hauptfiguren mehr Tiefe geben und gleichzeitig eine Handlung erschaffen, die über einen längeren Zeitraum trägt. Trotzdem sind seine Filme kürzer als die meisten Spielfilme: Der 1988 herausgekommene Film „Ödipussi“ ist 90 Minuten lang, „Pappa ante portas“ aus dem Jahr 1991 nur 84 Minuten.

Es sind die für Loriot typischen Themen und Figuren, die sich auch in den beiden Kinofilmen wiederfinden. Geschickt gestaltet er die Handlungsstränge so, dass sich die Figuren an Orten und in Situationen wiederfinden, wie er sie auch schon zuvor für seine Sketche ausgewählt hat. Etwa bei der Beratung in einem Geschäft, im Restaurant und Hotel, bei einer Vereinssitzung und bei einem Familientreffen. Und natürlich zu Hause in Wohnung oder Haus, wo Loriot das Familienleben karikiert.
Es geht um Absurdität der Situationen
Schon als junger Mann hatte Vicco von Bülow in kleinen Rollen in Kinofilmen mitgespielt, erstmals 1940 als Statist. Der heute noch bekannteste Film aus seinen frühen Jahren dürfte Bernhard Wickis „Die Brücke“ (1959) sein. Hier spielt er eine Nebenrolle als deutscher Feldwebel. Mit den später entstandenen Werken Loriots haben diese Auftritte allerdings fast nichts gemein.

Mitte der 1980er-Jahre hatte Filmproduzent Horst Wendlandt über drei Jahre hinweg bei gelegentlichen Zusammentreffen Loriot immer wieder vorgeschlagen, einen Kinofilm zu drehen. Schließlich sagte Loriot dann zu. Und Wendlandt finanzierte „Ödipussi“ mit sieben Millionen Mark. Eine Investition, die sich lohnen sollte. In „Ödipussi“ spielt Loriot Paul Winkelmann, einen 56 Jahre alten Mann, dessen Handeln größtenteils von seiner Mutter Louise Winkelmann (Katharina Brauren) beherrscht wird. Zwar ist Paul kürzlich in eine eigene Wohnung gezogen, sein Kinderzimmer bei Mama steht aber immer noch für ihn bereit. Die wäscht und bügelt seine Hemden und versteht nicht, wofür ihr Sohn überhaupt eine eigene Wohnung braucht. Paul führt in dritter Generation einen Familienbetrieb: das Möbelgeschäft Winkelmann & Sohn, dessen Sortiment er um eine umfangreiche Kollektion an Stoffen erweitert hat. Eines Tages kommt die Diplom-Psychologin Margarethe Tietze (Evelyn Hamann) in sein Geschäft. Da dort gerade Chaos herrscht – die Vorführung des Kleiderschranks Trulleberg ist völlig schiefgegangen –, beachtet er sie kaum.

Das Schöne an den Loriot-Filmen ist unter anderem, dass man, wenn man über sie schreibt, keine Angst haben muss, zu viel zu verraten. Es geht bei dieser Form der Komik um den Moment, um die Absurdität von Situationen und die noch absurderen Dialoge, die Loriot seinen Figuren in den Mund legt. Ähnlich wie die Sketche kann man sich die beiden Spielfilme immer wieder anschauen, ohne dass es einem langweilig wird. Als sich Paul und Margarethe kurz nach ihrem Besuch im Laden erneut treffen, entschuldigt er sich. Es stellt sich heraus, dass Margarethe eine Sitzgruppe in ihrer psychologischen Praxis neu beziehen lassen will. Paul bietet an, am nächsten Tag mit seinen Musterbüchern bei ihr vorbeizukommen. Zwar entpuppt sich die Sitzgruppe als fünf Stühle mit gepolsterter Sitzfläche. Das erklärt Paul ihr in der für Loriot typischen Art. Trotzdem kommen die beiden ins Gespräch und sie erklärt ihm, wie wichtig Farben für das Wohlbefinden ihrer Klienten seien: „dass beispielsweise eine alleinstehende Frau, die zu Depressionen neigt, sich möglicherweise in einer violetten Sitzgruppe umbringt.“
Familienalltag herrlich seziert
Sie bittet Paul, mit zu einem älteren Ehepaar – den Melzers – zu kommen, das sie berät. Dort entwickelt sich eine Szene, die vielen, die den Film schon einmal gesehen haben, in Erinnerung geblieben sein dürfte: Während Margarethe versucht, das Paar, das seine Wohnung vorwiegend in Grau eingerichtet hat, zu ein paar fröhlicheren Farbtönen zu bewegen, erklärt Paul, welche Grautöne er im Sortiment hat: „Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau, Steingrau, Bleigrau, Zementgrau“. Die Filme leben vor allem von der Interaktion zwischen Loriot und Evelyn Hamann. Sie harmoniert wunderbar mit den von Loriot gespielten Figuren. Sei es als eher lebensfrohe Diplom-Psychologin, die auf das 56-jährige, in vielen Dingen überkorrekte Muttersöhnchen trifft, sei es – in „Pappa ante portas“ – als Ehefrau, die ihren Mann zwar liebt, ihn aber zumindest tagsüber eher als Störfaktor sieht.

1991 kam „Pappa ante portas“ in die Kinos. Loriot spielt hier Heinrich Lohse, einen Familienvater, der mit 59 Jahren in den Vorruhestand geschickt wird. Anlass dafür ist, dass er für seinen Arbeitgeber auf Vorrat Schreibmaschinenpapier für die nächsten 40 Jahre eingekauft hat, um einen Mengenrabatt zu bekommen. Zuhause verkündet er seiner Ehefrau Renate (Evelyn Hamann), dass er sich in Zukunft um den Haushalt kümmern wolle. Dabei hat er keine Ahnung, was während seiner Abwesenheit eigentlich im Haus der Familie vor sich geht. Und so bringt Heinrich mit vollem Elan eingespielte Abläufe durcheinander – was seiner Frau mächtig auf die Nerven geht. Nicht nur, dass er 150 Gläser Senf einkauft (Rabattpreis) – er hält auch die Putzfrau für eine Einbrecherin. Das den Film durchziehende Thema ist die Beziehung zwischen Heinrich und Renate Lohse, die durch Heinrichs überraschende Pensionierung in eine Krise gerät. Auf dem Weg hinaus gibt es zahlreiche Situationen, die sich für die für Loriot typische Komik anbieten. Bis hin zum Familientreffen am Ende des Films, bei dem die Verwandtschaft ihre gegenseitige Abneigung nur mühsam verstecken kann. Die Welt von Loriot ist die der gutbürgerlichen Mittelschicht, wie sie sich in den 1960er- und 1970er-Jahren selbst inszeniert hat. Ihr hält der Humorist – so hat sich Loriot selbst mitunter bezeichnet – den Spiegel vor. Und lässt sie über ihr eigenes, von ihm ins Komische überzeichnetes Verhalten lachen. Auch die beiden Kinofilme spielen in dieser Welt – auch wenn 1988, als „Ödipussi“ herauskam, und 1991, als „Pappa ante Portas“ folgte, die Welt vieler Menschen schon anders aussah. Es ist eine Welt, in der man ganz selbstverständlich im Laden an der Theke nach einem Glas Senf fragt, statt es im Supermarkt in den Einkaufwagen zu stellen. Eine Welt, in der Vertreter an der Haustür klingeln, um fragwürdige Produkte zu verkaufen. Und in der bei Familienfeiern Harmonie beschworen wird, obwohl eigentlich für jeden offensichtlich ist, wie schlecht es um die Beziehungen einiger Familienmitglieder steht.

Gleich vier Rollen in „Pappa ante portas“
In „Pappa ante portas“ spielt die durchlaufende Handlung eine größere Rolle als in „Ödipussi“. Es gibt wiederkehrende Gags wie den 16-jährigen Sohn Dieter (Gerrit Schmidt-Foß, heute unter anderem die Synchronstimme von Leonardo DiCaprio), der seinen Eltern immer wieder neue Freundinnen vorstellt – und dabei von ihnen komplett ignoriert wird. Und den Hund der Familie, von dem den ganzen Film über nur das Hinterteil mit wedelndem Schwanz zu sehen ist. Loriot ist in diesem Film in gleich vier Rollen zu sehen. So sitzt beim Familientreffen etwa Opa Hoppenstedt mit am Tisch, bekannt aus Loriots Weihnachtssketchen.