Vielen gilt Vicco von Bülow als größter Humorist der deutschen Nachkriegsgeschichte. Er selbst machte nie viel Aufhebens um seine Person. Dieser Tage wäre Loriot 100 Jahre alt geworden.
Als Bernhard-Viktor „Vicco“ Christoph-Carl von Bülow, besser bekannt als Loriot, am 22. August 2011 im oberbayrischen Ammerland im Alter von 87 Jahren verstarb, schaltete der Art Directors Club Deutschland eine ganzseitige Todesanzeige in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ für sein Ehrenmitglied. Die gesamte Seite bestand nur aus vier Worten: „Lieber Gott, viel Spaß!“ Loriot selbst hätte daran wohl seine Freude gehabt.
In diesen Tagen wäre der große deutsche Humorist 100 Jahre alt geworden. Ihn zu greifen ist gar nicht so einfach, denn Vicco von Bülow war weit mehr als „nur“ Humorist. Mal war er Schauspieler, mal Cartoonist, mal Regisseur, mal TV-Moderator. Er inszenierte Opern und wagte sich auch selbst einmal ans Dirigentenpult. Und er stürmte sogar die Charts. In Erinnerung bleibt er den meisten aber mit seinen Sketchen – ob gezeichnet oder gespielt.
Eine Anfrage für ein Interview über den großen Meister bei seiner Familie lehnte diese freundlich ab und begründete dies mit den Worten: „Loriots Werk spricht für sich.“ Dass dieser Satz ebenso treffend ist wie die vier Worte im oben erwähnten Nachruf, wird einem spätestens dann bewusst, wenn man in der heimischen DVD-Sammlung kramt und die längst vergessenen Schätze wieder über den Bildschirm flimmern.
Wie anders Loriots Humor im Vergleich zu Humoristen oder Comedians der Gegenwart ist, wie besonders, wird einem auf diese Weise schnell wieder bewusst – auch sehr schmerzlich. „Wer glaubt, Humor bestehe darin, sich über andere Leute lustig zu machen, hat den Humor nicht verstanden. Um komisch zu sein, muss man vor allem sich selbst zur Disposition stellen“ – sagte Loriot einst selbst. Ihm ging es nicht um den platten Kalauer und den schnellen Lacher. Nie machte er Gags, die unter die Gürtellinie zielten oder jemanden herabwürdigten. Sein Humor war niemals laut und brachial, sondern stets feinsinnig und feingeistig. Und sein Humor war stets im Alltag verwurzelt.
Stets kollegial, höflich und zuvorkommend
„Loriots Kunst war vor allem auch deshalb so komisch, weil seine Figuren oft vollkommen humorlose Typen sind“, schrieb Stefan Kuzmany 2011 anlässlich des Todes von Vicco von Bülow. Und: „Stets sind Loriots Geschöpfe viel zu sehr mit dem Versuch beschäftigt, den äußeren Anschein einer respektablen Person zu wahren, als dass sie bemerken könnten, wie sehr sie sich mit diesem Versuch lächerlich machen. Es ist dieser manchmal verzweifelte, manchmal stoisch geführte Kampf um die Würde und gegen widrige Umstände, der Loriots Sketche ausmacht, meist mit ihm selbst in der Hauptrolle des Unbeholfenen.“
Loriots kongeniale Partnerin Evelyn Hamann sagte in einem ihrer seltenen Interviews vor mehr als 25 Jahren einmal: „Humor erfordert Strenge, Kunstfertigkeit und Disziplin.“ Vermutlich war genau dies das Rezept hinter dem Erfolg der beiden, denn wie sie galt noch viel mehr Loriot bei der Arbeit als perfektionistisch, fast schon pedantisch. Jedes Wort, jede Gestik und Mimik, jedes noch so kleine Detail mussten bei ihm stimmen.
Mit Loriot zu arbeiten war für die Schauspieler am Set selten ein Spaß, aber dennoch stets ein großes Vergnügen. „Zu lachen gab es nichts. Wir mussten alle sehr ernsthaft, präzise, diszipliniert und ausdauernd arbeiten“, erinnerte sich Heinz Meier einmal. Der Schauspieler war ein enger Weggefährte und Begleiter in zahlreichen Sketchen, etwa als Lottogewinner Erwin Lindemann. „Er hat uns teilweise zum Wahnsinn getrieben: Nein, das war nichts; noch mal, noch mal, noch mal. Stunden und Stunden drehten wir an einer Szene.“ Nicht selten dauerte es einen ganzen Tag, bis ein einziger Sketch im Kasten und so war, wie Loriot es wollte. Und doch sei bei allem niemals Druck von Loriot ausgegangen, erinnern sich all die, die mit ihm arbeiten durften. Vielmehr sei er bei allem Perfektionismus stets hilfreich, kollegial, höflich und zuvorkommend gewesen.
Herausgekommen sind auf diese Art und Weise zeitlose Klassiker, deren Humor auch noch Jahrzehnte später aktuell ist. Zeit, sich diese nochmals zu Gemüte zu führen – damit nicht nur der liebe Gott seinen Spaß hat.