Wo Maschinen oder andere Tiere nicht mehr weiterkommen, werden in Deutschland immer öfter Wasserbüffel als Landschaftspfleger eingesetzt. In Storkow in Brandenburg kümmern sich Landwirt Jan-Peter Vogel und sein Team um die imposanten Tiere.
Kommt mal her, Büffel, Büffel, Büffel“, ruft Neele. Langsam, fast etwas träge, setzt sich die Wasserbüffelherde in Bewegung. Der große und starke Wilhelm legt seinen Kopf auf Neeles Schulter. Die junge Agrarstudentin krault ihn am Hals und an den Ohren. Plötzlich röhrt es tief und laut. Wilhelm hebt seinen Schwanz, kniet sich auf die Vorderbeine und plumpst auf den Boden. „Das ist ein Zeichen, dass er sich wohlfühlt“, erklärt Neele. Wilhelm ist ein fünfjähriger Wasserbüffel mit einem dicken Fell, einem breiten Kopf und stattlichen Hörnern. Und der schwarze Koloss hat Vertrauen zu ihr. Auf dem Büffelhof in Storkow, im Ortsteil Görsdorf-Busch im Land Brandenburg, leben 19 Wasserbüffel. Wilhelm ist der Zuchtbulle und der Boss. Sind die Kühe neidisch, wenn Wilhelm so viele Liebkosungen bekommt? Neele lacht und sagt: „Nein, wenn sie wollen bekommen sie genauso viel Aufmerksamkeit, aber Wilhelm ist der Verschmusteste.“ Sie zeigt auf die Kuh Berenicke. „Die kuschelt lieber mit meinem Vater.“ Die Landwirtin weiß, wie alle in der Bande ticken. Wichtig sei, dass die Dynamik innerhalb der Herde stimmt. Die Büffel können allerdings auch stur und nachtragend sein. Das erkennt sie am Blick. Wenn Wilhelm gestresst ist oder sich unwohl fühlt, senkt er seinen Kopf, hält die Hörner senkrecht und schüttelt den Kopf. Von Ende Mai bis Oktober weidet ein Teil der Herde auf einem großzügigen, zehn Hektar großen Gelände hinter der Burg Storkow, während sich die anderen in Wildau aufhalten.
Fahrradfahrer und Wanderer bleiben stehen
Dass die Tiere in Storkow sind, ist unter anderem Michael Kurz zu verdanken. „Wir haben ein Zeichen gesetzt, dass Landwirtschaft und Naturschutz gut zusammen passen“, sagt Kurz, Gründer der Storkower Burgbüffel GBR. Exoten in der deutschen Landwirtschaft sind sie schon lange nicht mehr. In den 1980er-Jahren wurden Wasserbüffel erstmals in Deutschland eingeführt. Die Landwirte erkannten die Vorteile der Büffel als Nutztiere, da sie sich hervorragend zur Landschaftspflege und zum Naturschutz eignen. Mit ihren breiten Füßen können sie sicher auf matschigem Grund waten. Heute gibt es mehrere Tausend Wasserbüffel in Deutschland, vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2012 haben die Wasserbüffel auf dem Gelände hinter der Burg Storkow und in Wildau eine erstaunliche Leistung vollbracht. Sie haben die Biodiversität verbessert. Die Fläche hinter der Burg war verschilft und sumpfig. Traktoren blieben beim Mähen stecken. Die Feuerwehr flammte die Wiesenflächen ab. Die Einwohner ärgerten sich, denn Rußpartikel flogen über die Stadt. Doch das Schilf wuchs weiter. Rinder und Schafe waren ebenfalls keine guten Kandidaten für die Pflege von Flächen mit hohem Schilf, da sie Gras und andere niedrig wachsende Pflanzen bevorzugen. Es wurde nach einer anderen Lösung gesucht. Die damalige Bürgermeisterin schlug vor, es mit Wasserbüffeln zu versuchen. Sie könnten nicht nur die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren verbessern, sondern auch ein neues, strukturreiches Biotop erschaffen. Durch die Fußtritte der Büffel entstehen Mulden, die sich mit Wasser füllen. Dort gibt es Würmer und Insekten, welche eine reichhaltige Nahrungsquelle für andere Kleintiere sind. Storkow hoffte auch, das der Storch, das Wappentier der Stadt, sich hier wieder vermehrt ansiedelt.
„Wasserbüffel, warum nicht?“, blickt Michael Kurz, inzwischen wird er „Büffelopa“ genannt, zurück. Die Flächenagentur des Landes Brandenburg kaufte die Wiesenflächen der Eigentümer. Die Büffel, die aus den Niederlanden stammten, wurden auf dem Hof der Öko-Landwirtin Sonja Moor in Hirschfelde bis zu ihrem Einsatz in Storkow „zwischengeparkt“. Endlich war es soweit. Am 31. Mai 2012 kamen der fünfjährige Konrad und drei Kühe nach Storkow. Die Einwohner begrüßten an diesem Tag die großen wuchtigen Tiere. Die jedoch scherten sich gar nicht um die Neugierigen. Sie stapften auf ihren Sommersitz, bewunderten das hohe Schilf, begannen sofort zu fressen und verschwanden innerhalb weniger Minuten im dichten Grün. „Die sehen wir nie wieder“, dachte Michael Kurz. „Was ich damals nicht wusste: Wasserbüffel sind in der Lage, sich durch dichtes Schilf zu navigieren.“
In Storkow begann der Büffeltourismus. Fahrradfahrer und Wanderer blieben am Zaun stehen, und freuten sich mal andere Tiere als Rinder zu sehen. Zeitungen berichteten, sogar die Wetterfee im Fernsehen stellte die Tiere vor. Das war gut, denn so wurden die Renaturierungsprojekte und deren Zweck verständlich erläutert. Nachdem ein Teil der Flächen wieder betreten werden konnte, holten freiwillige Helfer bei einer Säuberungsaktion kaputte Medizinflaschen, alte Türen, Herdplatten, verrostete Töpfe und sogar ein Motorrad heraus. Michael Kurz berichtet, dass auch für ihn und sein Team die Unterbringung und die Winterfütterung der Tiere anfangs eine neue Erfahrung war. Es stellte sich die Frage, ob die Tiere wie geplant das ganze Jahr über auf der nassen Fläche verbleiben oder ob sie auf einen trockenen und höher gelegenen Winterplatz gebracht werden mussten. Es war klar, dass die Tiere Heu und Stroh benötigten und der Unterstand regelmäßig ausgemistet werden musste. Da es sich bei den Tieren um Bio-Büffel handelte, wurde ausschließlich Bio-Heu und Bio-Stroh von Landwirten aus der Region verwendet. Die Tiere fühlten sich in den Unterständen sichtlich wohl und im Sommer gab es den ersten Nachwuchs.
Anfangs wurden sie belächelt
Ihr Zuhause haben die imposanten Tiere bei Jan-Peter Vogel. Der Landwirt, der 1996 seinen Hof auf Bio umgestellt hatte, beobachtete in den vergangenen Jahren eine zunehmende Begeisterung für Wasserbüffel. Das Simmentaler Fleckvieh und die Wasserbüffel wachsen hier stressfrei auf. Seit fünf Jahren wird er von seiner Tochter Neele unterstützt. Die angehende Landwirtin Pia Thieme arbeitet ebenfalls auf dem Hof mit. Schon immer hegte die Pferdebesitzerin den Wunsch, mit Tieren zu arbeiten. Trotz der Bedenken ihres Großvaters, der ihr sagte, dass sie dann rund um die Uhr einsatzbereit sein müsse, entschied sie sich für ein Studium der Agrarwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Gegensatz dazu hatte Neele nie wirklich den Wunsch, auf dem Hof ihres Vaters zu arbeiten. Sie ist von Kindesbeinen an mit den Tieren aufgewachsen und kennt daher die Herausforderungen des Berufsalltags aus erster Hand. „Der Betrieb war mir immer wichtig und die Tiere waren stets ein integraler Bestandteil davon. Allerdings war mir auch bewusst, dass ich den Betrieb nicht alleine bewältigen kann, ohne mich selbst zu überfordern. Mut und Leidenschaft sind gefragt, wenn man sich als junger Mensch für die Landwirtschaft entscheidet“, sagt sie und lacht dabei. Denn sie bereut es nicht, dass sie ihr Lehramtsstudium abgebrochen und ein landwirtschaftliches Studium begonnen hat. Die Gründer der Storkower Burgbüffel GbR, die anfangs von manchen als Ökofans belächelt wurden, haben sich in Storkow als Vorreiter in der Landschaftspflege erwiesen. Die tierischen Landschaftspfleger drängten den Wildwuchs des Schilfs auf den Flächen erheblich zurück. Orchideen, Wiesenschaumkraut und Erdbeerklee wachsen auf den Wiesen. Sogar die Störche sind wieder da. „Um die Herde vernünftig zu regulieren und artgerecht zu halten, sind wir mittlerweile in die Fleischdirektvermarktung eingestiegen“, erklärt Jan-Peter Vogel. Aufgrund ihrer speziell angepassten Vormägen sind die Tiere in der Lage, auch aus Sauergräsern und Neophyten hochwertige Milch und Fleisch zu produzieren. Das Büffelfleisch ist dunkler als Rindfleisch, hat einen niedrigen Cholesteringehalt, ist eiweißreich und fettarm. Der Geschmack ist eine Mischung aus Wild und Rind.
Sobald genügend Bestellungen eingegangen sind, werden die Tiere zum Schlachter ins Nachbardorf gebracht. „Unser Online-Hofladen besteht jetzt seit zwei Jahren. Hier können unsere Kunden bequem über Balken-Anzeigen sehen wie viel vom Tier noch zum Verkauf steht“, sagt Neele. Wer die Kolosse kennenlernen möchte, kann einen Ausflug entlang der gut gesicherten Weidenzäune bei Neele ordern. Nicht immer haben die Büffelgucker Glück und bekommen die großen Tiere zu Gesicht. Denn oft grasen sie zwischen Stadtrand und Dahmeufer oder hinter der Burg.