Regionalligist VSG Altglienicke trennt sich von Trainer Karsten Heine – der 68-Jährige will dem Fußball weiter verbunden bleiben.


Als die Meldung über seine Freistellung zu Beginn der vergangenen Woche die Runde machte, war der Tenor der Kommentare einhellig: schade, dass Karsten Heine nicht mehr Trainer der VSG Altglienicke ist. Der 68-Jährige gilt nicht umsonst im Auftreten als echter Sportsmann der „alten Schule“ – nie ausfallend, auch in der Niederlage stets die Contenance wahrend und höflich, wenn nötig aber auch klar im Umgang mit den Medien. Letztlich jedoch war es die 2:3-Heimniederlage gegen den ZFC Meuselwitz, die die Verantwortlichen beim ambitionierten Berliner „Dorfverein“ zum Handeln brachten: „Nach ausführlicher Analyse des bisherigen Saisonverlaufs, ist man zu dem Entschluss gekommen, im sportlichen Bereich einen neuen Impuls zu setzen“, hieß es da in der Vereinsmitteilung. Heine machte derweil aus seinem Herzen keine Mördergrube, schloss aber versöhnlich: „Zunächst bin ich enttäuscht über die Entscheidung, aber auch dankbar für die vier Jahre – gemeinsam haben wir die VSG zu einem Spitzenteam geformt.“ Zur Saison 2019/20 hatten die Altglienicker Heine gewissermaßen aus dem Hut gezaubert: die Tatsache, dass er damals schon drei Spielzeiten kein Team mehr geleitet hatte, löste einerseits Respekt über die Verpflichtung des anerkannten Fachmanns aus – andererseits aber auch Skepsis, ob der seinerzeit 64-Jährige nochmal die Anforderungen eines Aufstiegstrainers mitbringen würde. Er konnte es – doch im ersten, nicht kompletten Jahr der abgebrochenen „Corona-Saison“ verfehlte er mit dem Team die Qualifikationsspiele zur 3. Liga punktgleich mit Lok Leipzig nur aufgrund des minimal schlechteren Quotienten.
Sportsmann der „alten Schule“


In der folgenden Spielzeit, als der Meister im Nordosten turnusgemäß direkt aufsteigen durfte, war Viktoria Berlin nach elf Spieltagen der zweitplatzierten VSG bereits weit enteilt, bevor auch hier die Wertung nach der pandemiebedingten Absage der Spielzeit Tatsachen schaffen musste. So gut sollten die Berliner unter Karsten Heine in der Folge nicht mehr abschneiden, doch insgesamt kann der Übungsleiter immer noch einen beachtlichen Schnitt von 1,9 Punkten pro Spiel mit der VSG vorweisen. Aber die Konkurrenz in der Nordost-Staffel war eben auch hartnäckig: so reichten 2021/22 sehr gute 72 Punkte (aus 38 Partien) nur zu Platz 4, in der vergangenen Spielzeit landete man mit 52 Punkten (34 Spiele) auf dem 5. Rang. Hier hatten die Altglienicker bereits frühzeitig abreißen lassen, doch der Trainer krempelte zur Winterpause noch mal die Ärmel hoch und stellte die richtigen Schrauben. Auf Platz 10 liegend, startete Heine mit seinem Team eine Aufholjagd, die zu einem neuen Rekord in der Historie seit Bestehen der Regionalligen mit deutschlandweit fünf Staffeln im Jahr 2012 führen sollte. Sieben Siege in Folge ohne Gegentor, das hat es dort bis heute nicht gegeben. Doch die Serie kostete Kraft, gerade weil in dieser Phase einige „englische Wochen“ auf dem Programm standen – und als zum Frühlingsbeginn erstmals wieder kein Dreier eingefahren werden konnte, da war die VSG zwar bis auf Rang 3 vorgerückt, aber immer noch sechs Zähler hinter Spitzenreiter Energie Cottbus. So entwich die positive Anspannung aus dem Kader, es folgten sechs Spiele in der Liga ohne Sieg und das Aus im Viertelfinale des Berliner Pokals. In diesem Wettbewerb hatte Heine die Mannschaft im ersten Jahr noch zum Sieg geführt, was dem Verein die Teilnahme am DFB-Pokal 2020/21 bescherte – gegen den 1. FC Köln (0:6) zog man sich dort in der 1. Runde achtbar aus der Affäre.

Nun aber wollten die Verantwortlichen angesichts von acht Punkten Rückstand zu Platz 1 (bei einem Spiel weniger) offenbar nicht mehr länger auf die nächste Rekordaufholjagd warten. In der Tat war die Partie gegen Meuselwitz dabei nicht die erste, in der die Mannschaft bereits frühzeitig auf die Verliererstraße geriet: schon nach sechs Minuten hatte es dort 0:2 gestanden, gegen die U23 von Hertha BSC nach rund 20 Minuten sogar 0:4 (am Ende 2:6). Auch gegen Erfurt kam man nach frühem Rückstand nur noch zu einem 1:1, und dem aktuellen Tabellenführer Energie Cottbus gelangen die Treffer zum 2:1-Sieg auch schon vor dem Pausentee. Im Berliner Pokal musste man obendrein schon in der ersten Runde beim Regionalligaabsteiger Lichtenberg 47 im Elfmeterschießen die Segel streichen. Zuviel selbst für einen anerkannten Fachmann – dabei lagen die Ursachen sicher nicht nur in der Verantwortung von Karsten Heine.
Ursachen lagen nicht nur in Heines Händen
Durch die erst spät im Sommer vollzogene Ausgliederung des Herrenbereichs (inklusive U19) musste ein stark verändertes Team möglichst schnell konkurrenzfähig gemacht werden. Die traditionelle Personalpolitik, dem Verein etwas Glamour durch größere Namen zu verschaffen – in der Vergangenheit trugen etwa schon Boubacar Sanogo, Kevin Pannewitz oder der bisherige Co-Trainer Torsten Mattuschka das blaue Trikot –, führt auch dazu, dass die aus höheren Spielklassen kommenden Profis gerade in dem Umfeld des Regionalligisten mit dem schwächsten Zuschauerschnitt wiederholt nicht zu konstanter Leistungsstärke finden. Tolcay Cigerci ist in dieser Saison dabei einmal mehr die Ausnahme: Der begnadete Linksfuß kommt bereits auf neun Tore. Der ebenfalls vergangene Spielzeit geholte Philipp Türpitz konnte jedoch bislang nicht vollends überzeugen, ebenso die diesjährigen Neuzugänge Akaki Gogia und Martin Kobylanski. Sprich: Voraussetzungen, Strukturen und Personalpolitik der VSG Altglienicke haben die Profimannschaft dieses Jahr besonders anfällig dafür gemacht, nicht in jedem Spiel an die hundert Prozent zu kommen – so wird es für einen Trainer natürlich schwer. Ex-Profi Mattuschka, der das Team nun interimsweise führt, genießt dabei zwar nicht nur intern eine hohe Reputation, verfügt aber schon schlicht nicht über die erforderliche Lizenz – außerdem ist der 43-Jährige mit der Tätigkeit als TV-Experte (Sky, 2. Liga) gut ausgelastet und hat allein deshalb kein Interesse an einem Cheftrainerposten. Man darf also gespannt sein, wer Karsten Heine bei den Treptowern beerbt – in jedem Fall wird er sofort „liefern“ müssen. Und wie sieht es nun mit Heine aus: Könnte die Freistellung das Ende seiner sechs Jahrzehnte im Fußball bedeuten? „Meine Lebensplanung sagt, dass ich noch drei, vier Jahre lang tätig sein will – das muss nicht als Trainer sein. Ich will meine Erfahrung dem Fußball zukommen lassen und mich nicht zuhause hinsetzen und Opa spielen.“