Im Munstertal lockt das Albert-Schweitzer-Museum, auf dem Donon ein Jupitertempel – und entlang eines zertifizierten Fernwanderwegs finden sich Wallfahrtsstätten, Weingärten und majestätische Schlösser.

Arzt, Philosoph, Musiker, Friedensnobelpreisträger und Humanist mit imposanten Schnauzbart: Der im Elsass geborene Albert Schweitzer war eine der großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Seine Kindheit verbrachte er zum Großteil im elsässischen Munstertal, genau genommen im Ort Gunsbach, wo sein Vater Ludwig beziehungsweise Louis Schweitzer 50 Jahre lang als evangelischer Pfarrer tätig war. In der Gunsbacher Simultankirche, die von der evangelischen und der katholischen Gemeinde gleichermaßen genutzt wurde, lernte der junge Albert das Orgelspiel.
Als Albert Schweitzer, der 1875 geboren wurde, im August 1928 den Goethepreis der Stadt Frankfurt erhielt, kaufte er von dem Preisgeld ein Haus in der Rue de Munster 8 in Gunsbach. Wenn er sich nicht in Lambarene aufhielt, einem Ort im heutigen Gabun, dem damaligen Französisch-Äquatorialafrika, wo er seit 1913 ein Urwaldkrankenhaus betrieb, weilte er häufig hier.Außerdem baute er sein Gunsbacher Haus zum europäischen Stützpunkt seines Dschungel-Krankenhauses aus. Heute befindet sich in dem Gebäude ein einzigartiges Albert-Schweitzer-Museum, das vor wenigen Jahren um einen Anbau erweitert und zum Großteil neu gestaltet wurde. Seit 2021 ist es wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Das Museum im Altbau der Maison Albert Schweitzer zeigt Fotos, Dokumente und Utensilien, darunter Albert Schweitzers Wiege und medizinische Instrumente aus dem Krankenhaus in Lambarene. Natürlich ist es kein einfaches Unterfangen, ein so facettenreiches Leben wie seines in einem kleinen Museum darzustellen – doch dem Gunsbacher Museum gelingt es gut, indem es Schweitzer in Zitaten und Dokumenten immer wieder selbst zu Wort kommen lässt. In den Ausstellungsräumen werden auch seine Bücher vorgestellt, seine Verbindungen zu Albert Einstein und zahlreichen Großen der Welt dokumentiert, seine Konzerttätigkeit in ganz Europa, aber auch die Zeit der Internierung in Frankreich während des Ersten Weltkriegs – und natürlich sein Einsatz als Urwalddoktor in Lambarene und sein Engagement als Atomwaffengegner.
Wer nach einem Besuch im Albert-Schweitzer-Museum gern noch weiter in Albert Schweitzers Biografie eintauchen möchte, dem sei ein Spaziergang auf dem Gunsbacher Albert-Schweitzer-Pfad empfohlen. Dieser führt unter anderem zum ehemaligen Pfarrhaus und zum Albert-Schweitzer-Denkmal am Kanzrain. Museumsleiterin Jenny Litzelmann rät außerdem zur Lektüre des Büchleins „Aus meiner Kindheit und Jugendzeit“. Darin beschreibt Albert Schweitzer, wie sich hier in Gunsbach die Haltungen und Gedanken entwickelten, die sein späteres Leben prägten. Darüber hinaus beinhaltet das Buch Anekdoten aus Schweitzers Jugend im elsässischen Munstertal, dessen ursprüngliche Schönheit auch heute noch einen längeren Aufenthalt lohnend macht.
Abwechslungsreiche Wanderung

Doch die Vogesen locken nicht nur mit Museen: Sie sind auch eine überaus abwechslungsreiche Wanderregion, die auf einem zertifizierten Fernwanderweg, dem Grande Randonnée 53 beziehungsweise Grande Randonnée 5 (GR 53 und GR 5), durchquert werden kann. Ein Weg, der über bewaldete Hügel und offene Kammstrecken führt, aber auch zu Tempeln und Pilgerstätten. Einer der populärsten Abschnitte der Fernwanderung ist der Anstieg von Grandfontaine zum Donon. Die abwechslungsreiche Strecke zum auf 1.008 Meter Höhe gelegenen Gipfel führt durch Mischwälder und ist nicht sonderlich anstrengend. Ein eigentümlich geformter Druidenstein links des Weges weckt unser Interesse, wenige Minuten später stoßen wir auf Treppenstufen, die im Ersten Weltkrieg von deutschen Soldaten gebaut wurden – die „Escalier de l’Empéreur“, so benannt zu Ehren Kaiser Wilhelm II. Die Kelten verehrten auf dem Gipfel, den wir schon bald erreichen, vermutlich ihren Stammesgott Teutates. Die Römer hingegen, das ist anhand von archäologischen Funden gut dokumentiert, hatten gleich drei Tempel für drei verschiedene Himmelsherrscher aufgebaut: Merkur, Jupiter und Sylvanus.

Der Donon, das merken wir auf einer der nächsten Etappen auf der „Traversée du Massif des Vosges“, ist nicht der einzige heilige Berg des Elsass: Oberhalb des Städtchens Obernai stoßen wir auf den Odilienberg. Er ist das wohl beliebteste elsässische Wallfahrtziel. „Die einzelnen Dörfer aus dem Elsass haben feste Zeiträume, zu denen sie den Odilienberg gemeinsam besuchen“, berichtet die Elsass-Kennerin Fabienne Fessler. In den Gebäuden auf dem Odilienberg befindet sich heute ein charmantes, aber einfaches Ein-Sterne-Hotel, das die frühere Pilgerherberge abgelöst hat, sowie ein Restaurant, mehrere Kapellen und ein kleines Konvent der Schwestern vom Heiligen Kreuz. Die Gebetszeiten der vier Nonnen und die zwei täglichen Messen stehen Hotelgästen offen. Auch bieten die Schwestern Beichtgelegenheiten an und auf Wunsch ein geistliches Gespräch. Hauptattraktion des Klosters ist ein Steinsarg mit den Gebeinen der Heiligen Odilie. Außergewöhnlich ist die Gestaltung von zwei Kapellen, der Tränen- und der Engelskapelle, die mit Mosaiken und Mosaikbildern dekoriert und von Blau- und Goldtönen geprägt sind.

Im Mischwald nahe der katholischen Pilgerstätte stoßen wir auf ein deutlich älteres architektonisches Relikt, die Heidenmauer. Ein mehr als 2.000 Jahre alter keltischer Ringwall, dessen gewaltige Steinquader mit Holzpfeilen, sogenannten Schwalbenschwänzen, befestigt wurden. Wie auch auf den Donon folgten hier auf die Kelten später die Römer. Diese verstärkten den Wall, um sich vor angreifenden Germanen zu schützen. Der nördliche Teil der mehr als zehn Kilometer langen Heidenmauer ist besonders gut erhalten. Um dort entlangzuwandern, folgt man aber nicht dem mit einem roten Rechteck markierten GR 53 beziehungsweise GR 5, sondern einer Markierung mit gelbem Andreaskreuz.
Ein über 2.000 Jahre alter Ringwall
Eine Erfahrung, die wir noch häufiger machen: Der GR 53 beziehungsweise GR 5 ist ein gut ausgebauter Fernwanderweg, doch wem es vor allem darum geht, die Landschaft und die Kultur des Elsass kennenzulernen, für den lohnt es sich, die Hauptroute immer wieder zu verlassen und die Umgebung auf anderen Strecken zu erkunden. Auf einem solchen Abschnitt, einer abseits des Fernwanderwegs gelegenen Wanderung zwischen den Weinorten Saint-Hippolyte und Bergheim, begleitet uns Armand Ducornet, ehedem Lehrer, seit Jahren passionierter Wanderer und auch Wanderverbandsfunktionär.
Mit ihm durchstreifen wir vom Sonnenlicht durchflutete Weingärten und genießen immer wieder Blicke auf die Hohkönigsburg, eine Anfang des letzten Jahrhunderts wiederaufgebaute Kammburg, die in 757 Meter Höhe auf einem Sandsteinfelsen über der oberrheinischen Tiefebene thront.