Rund 1,3 Millionen Haustiere in Deutschland leben in Terrarien. Doch unter was kann ein exotisches Tier leiden? Und wie wird es behandelt? Ein Besuch in einer darauf spezialisierten Tierpraxis.
Scheinbar unbeholfen tapst der Leopardgecko etwas hin und her. Er hält inne und bewegt sein Köpfchen etwas. Dann weist Selina Siegel darauf hin, dass sich der Hals der Schuppenechse schwarz einfärbt – klarer Fall von Nervosität. Also wird das possierliche Tierchen einer Kundin wieder in seine Transportbox aus Styropor gepackt, denn die Verfärbung weist darauf hin, dass sich der Gecko unwohl fühlt. Und unnötig strapaziert sollen die Tiere wegen des FORUM-Termins ja auch wieder nicht werden. Es ist Donnerstag kurz nach 12 Uhr und in der Tierarztpaxis an der Ill geht es gerade etwas ruhiger zu – Mittagspause.
Selina Siegel ist Tiermedizinische Fachangestellte, die seit 2017 in der Praxis in Illingen arbeitet. Sie assistiert ihrer Chefin, Dr. Susanne Hofstetter, die gerade einige Untersuchungen an fünf Tierchen vornimmt. Neben dem Gecko sind dies zwei Bartagamen und zwei Kornnattern. „Sie heißen Korni und Natti“, sagt die Inhaberin der Praxis lachend über die beiden Würgeschlangen, die ausgestreckt jeweils mehr als einen Meter lang sind. Doch sie handhaben es wie die meisten ihrer Artgenossen und schlängeln so vor sich hin. Beide haben die typischen Körperflecken, bei Korni dominiert braun als Farbe, bei Natti ein schickes Grau.
Auf den Händen und Armen der zertifizierten Tierärztin für Innere Medizin der Kleintiere und Praxis-Inhaberin fühlen sie sich offensichtlich wohl, so locker winden sie sich darum. Es sind ja aber auch ihre eigenen Tiere. Wie untersucht man nun Exoten wie diese Reptilien? „Indem man sie zum Beispiel abtastet“, erklärt Susanne Hofstetter, die die Praxis seit Juli 2019 leitet. Denn bei Weibchen komme es häufig vor, dass die Eier steckenbleiben und es zur sogenannten Legenot kommt. „Das erkennt man auch deutlich“, erläutert sie. Natürlich könne man aber auch röntgen.
Die Bartagamen sind entspannt
Es könne jedoch auch zu Kratzverletzungen kommen – etwa, wenn sich eine Maus dagegen wehrt, von den Schlangen verspeist zu werden. Wer kann es ihr auch verdenken? Dies kommt vor allem in freier Natur vor, da Schlangen als Haustiere oftmals bereits tote Mäuse bekommen. Es komme auch öfter zu Hauterkrankungen, da sich Viren oder Bakterien ausbreiten und es zu Infektionen kommt. Dann sind da noch Lungenentzündungen oder Verstopfungen durch Fremdkörper. Einen Unterschied zwischen „normalem“ Haustier und einem eher exotischen Lebewesen macht sie natürlich nicht. „Im Notfall muss man jedem Tier helfen“, erklärt sie. So kommen auch diese Exoten „unters Messer“.
Korni und Natti, die sich angenehm kühl und etwas nach weichem Leder anfühlen, werden zurück in die Transportbox gesteckt. Bei Frauchen dürfen sie sich dann im Terrarium wieder frei bewegen. Damit gehören sie zu rund 1,3 Millionen Haustieren in Deutschland, die in Terrarien leben, wie der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands im vergangenen Jahr errechnet hat. Das ist eine ordentliche Zahl, auch wenn sie weit entfernt von den Haustieren Nummer eins (rund 15 Millionen Katzen) und Nummer zwei (geschätzt fast elf Millionen Hunde) ist. Auch gibt es deutlich mehr Kleintiere wie Kaninchen oder Meerschweinchen (fast fünf Millionen) und Vögel (3,7 Millionen). Insgesamt bereichern um die 34,4 Millionen Tiere in vielen Farben und Größen sowie unterschiedlichem Anspruch bei der Haltung unser Leben.
Die ockerfarbigen Bartagamen sind als nächstes dran. Die Mini-Saurier nehmen den Pressetermin dermaßen professionell und entspannt wahr, dass es kein Wunder ist, dass die süßen Echsen zum Heimtier des Jahres für 2023 gewählt wurden. Etwa 50 Zentimeter messen die beiden Tiere jeweils, die ebenfalls von Kunden zur Untersuchung gebracht wurden. Die Fachfrau rät dazu, Exoten wie Reptilien kurz vor der Winterstarre noch mal durchchecken zu lassen. „Wir möchten ja gesunde Tiere in den Winterschlaf schicken“, erläutert sie. Bei dem auch Kältestarre genannten Prozess werden die Lebensfunktionen eines Organismus auf ein Minimum heruntergefahren, um auch bei sehr kalten Temperaturen überleben zu können. Je nach Tierart kann die Winterstarre von drei Monaten bis hin zu einem halben Jahr dauern. Auch hier sei der Klimawandel zu spüren, da die Starre merklich später beginne, erklärt Susanne Hofstetter.
Parasiten können den Darm befallen
Bei Reptilien wie Bartagamen komme es häufig vor, dass sich mal der Schwanz einklemmt oder sie von Parasiten befallen werden, die sich im Darm oder in der Haut absetzen und für Erkrankungen sorgen. Häufig seien zudem Augeninfektionen, die man ganz normal mit Augentropfen behandeln kann. Auch Bartagamen erleiden öfter mal Verstopfungen wie Legenot oder Nasenausfluss. Und eine Sache zieht sich quer durchs Menschen- und Tierreich: Krebs. „Wo Gewebe ist, können Tumore entstehen“, so die Tierärztin. Die beiden Tierchen haben nichts Auffälliges, sodass auch sie zurück in die Box können. Ein wenig fühlen sie sich an wie mit kleinen Spitzen bewehrtes Leder, was ihren Stachelreihen entlang ihrer Seiten sowie unten am Kopf zu verdanken ist.
Susanne Hofstetter begann ihr Studium der Veterinärmedizin 2006 an der Veterinärmedizinischen Fakultät an der Universität Leipzig. 2019 kam sie zurück ins Saarland und begann ihre Arbeit in der Praxis, die seinerzeit noch Tierarztpraxis Dr. Küneke hieß. Wie bereits erwähnt übernahm sie die Praxis dann im Juli 2019. Seit Juli dieses Jahres trägt sie die Zusatzbezeichnung Fachtierärztin für Kleintiere. Selina Siegel begann ihre Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten 2017 und schloss sie 2020 ab. „Das interessiert mich schon sehr“, sagt sie über die Arbeit mit den Exoten. Daher macht sie bald noch eine Anästhesie-Fortbildung.