Als Generalsekretärin und Vize-Bundesvorsitzende der FDP sowie als Bundesbauministerin gehörte sie in den 80er- und 90er-Jahren zu den profiliertesten deutschen Liberalen. Die 81-Jährige ist seit 2022 Stiftsfrau im Kloster Heiligengrabe.
Das hätte man von der engagierten Christin im hohen politischen Amt nicht erwartet: 1992 geriet Irmgard Adam-Schwaetzer mit ihrem Wutausbruch „Du intrigantes Schwein“ in die Schlagzeilen. Gesagt hat sie das zum Parteikollegen Jürgen Möllemann, der 1992 mit der FDP-Fraktion verhindert hat, dass trotz Nominierung durch das Partei-Präsidium 1992 nicht sie, sondern Klaus Kinkel Nachfolger von Außenminister Hans-Dietrich Genscher wurde. Adam-Schwaetzer fühlte sich durch solche „Strippenzieherei“ verraten und war besonders enttäuscht, dass mit ihr weder vorher noch nachher darüber gesprochen worden ist.
Wirbt für mehr Frauen in der FDP
Schwaetzer, die nach ihrer Scheidung 1991 den Doppelnamen abgelegt hat, sieht noch heute den wesentlichen Grund ihrer Nichtwahl in Vorbehalten des Bonner „Macho-Ladens“ gegenüber ihr als Frau: „Ich bin fest davon überzeugt, dass das heute so nicht mehr möglich wäre – und das ist gut so“, betonte sie 2022 in einem Deutschlandfunk-Interview. Da sie durch „Männerbünde“ als erste deutsche Außenministerin verhindert wurde, freut es sie besonders, dass derzeit Annalena Baerbock mit diesem Amt betraut wurde und Deutschland dort „in großartiger Weise“ vertritt.
Schwaetzer fühlt sich nicht erst seit heute als „Feministin“ und wirbt für einen höheren Frauenanteil in ihrer Partei: „Ich finde diese Freiheitsphilosophie der FDP viel zu kostbar, als dass man sie alleine den Männern überlassen dürfte“, betont sie 2022. Zu ihrer Regierungszeit lag die Frauenquote bei den Liberalen bei 25 Prozent, daran habe auch die von ihr 1990 initiierte Gründung der „Liberalen Frauen“ nichts ändern können: Heute sei die Quote sogar auf 20 Prozent gesunken. Ohne eine feste Frauenquote werde sich in der FDP in Sachen Gleichberechtigung nichts ändern, „weil es den Willen dazu nicht gibt“, kritisiert Schwaetzer, die ihrer Partei aber vor allem wegen des Bekenntnisses zu Freiheit und individueller Selbstverantwortung bis heute treu bleibt.
Nachdem sie 1992 als Außenministerin ausgebootet worden war, blieb sie noch zwei Jahre Bauministerin, bis ihr der wegen des Jahrhunderthochwassers in Schwierigkeiten geratene Neubau eines Abgeordnetenhauses („Schürmann-Bau“) die weitere Karriere verbaute. 1994 schied sie aus der Regierung und 2002 aus dem Bundestag aus. Das Verlassen der „großen“ Politik bedeutete für Schwaetzer anfangs eine ziemliche Umstellung, weil sie zuvor das befriedigende Gefühl hatte, „wirklich in einer Position zu sein, wo ich entscheidenden Einfluss habe“, sagte sie im Vorjahr dem Deutschlandfunk. Diese Gestaltungsmöglichkeiten hätten sie motiviert, nicht aber die mit dem Amt notwendigerweise verbundene Macht. Ihr Engagement wurde mit vielen Ehrungen bedacht, etwa 1995 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz. Zuletzt kam 2018 noch der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen hinzu.
Mit dem Umzug des Bundestages nach Berlin wechselte Schwaetzer ebenfalls in die Spree-Metropole und war einige Jahre für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung und zehn Jahre als Vorsitzende des Berliner Domkirchenkollegiums tätig. 2013 wurde sie als „Kompromiss-Kandidatin“ zur Präses (Vorsitzende des Kirchenparlaments) der Evangelischen Kirche Deutschlands gewählt, nachdem zwei andere Bewerber zuvor keine Mehrheit gefunden hatten. In dieser Funktion konnte Schwaetzer gut sieben Jahre lang in einem „sehr diskursiven Prozess“ unter Einbindung von Kirchengemeinden und Jugend die Zukunft der evangelischen Kirche mitgestalten: „Ich glaube, dass da Ansätze geschaffen worden sind, die mich hoffnungsvoll stimmen“, blickt sie trotz einiger Probleme optimistisch nach vorne und ist zufrieden, dass mit ihrer erst 27-jährigen Präses-Nachfolgerin Anna-Nicole Heinrich die Stimme der jungen Protestanten künftig noch mehr Gehör findet.
Seit Jahren in der Kirchenarbeit
Schwaetzer bleibt aber auch heute noch in der Kirchenarbeit präsent: Vor einem Jahr wurde sie Stiftsfrau des evangelischen Klosters Heiligengrabe in der Prignitz, eine evangelische Nonne sei sie aber jetzt nicht. „Wir haben keine Wohnpflicht im Kloster, sondern leben alle in unseren eigenen Bezügen.“ Mindestens fünfmal jährlich treffen sich die sonst in der gesamten Bundesrepublik lebenden Stiftsfrauen vor Ort: „Wir übernehmen bestimmte Aufgaben im Kloster und in der Region des Klosters und gestalten so auch eine kirchliche Landschaft“, betont Schwaetzer, die sich beim Antritt ihrer neuen Rolle nur verpflichten musste, im Kloster mitzuwirken, den Glauben zu leben und ihm Resonanz zu verschaffen. Damit hat sie keine Schwierigkeiten, denn der Glaube habe für sie schon seit Kindertagen immer eine große Rolle gespielt.
Rückblickend auf ihre politische Karriere empfindet die promovierte Apothekerin die Jahre der deutschen Wiedervereinigung als die prägendsten, der Einsatz sei bei den Beteiligten „bis an den Rand der Kräfte“ gegangen. Trotz aller anderen Engagements empfinde sie bis heute aber, „dass die Politik mein eigentlicher Beruf war“.