Wer Gruselfilme mag, wird mit „It lives inside“ große Freude haben. Der Kampf einer Schülerin gegen einen Dämon ist spannend und zugleich ein Coming-of-Age-Drama über die zweite Generation von Einwandererfamilien.
Eigentlich widersprechen Gruselfilme dem Wohlgefühl der Menschen. Böse Geister, unerklärliche Phänomene, geheimnisvolle Wesen in der Dunkelheit – warum sollte man sich so etwas freiwillig antun? Aber Filme wie „It follows“, „The Boogeyman“, „Paranormal Activity“, „Conjuring“ und „Insidious“ boomen, weil sie Zuschauer und Zuschauerinnen in einen wohligen Schauer versetzen und gewöhnlich mit einem Sieg über das Böse enden. Auch Regisseur Bishal Dutta ist Fan dieser Geschichten und hat offenbar die Klassiker des Genres gesehen. Sein Spielfilm-Debüt „It lives inside“ enthält alles, was ein guter Gruselfilm braucht und ist zudem ein Porträt junger Menschen, die nicht-amerikanischer Herkunft sind und zwischen den Kulturen ihrer Eltern und der modernen US-Gesellschaft stecken.
Der Horror steigt langsam an
Die Schülerin Samidha lebt in einer schmucken US-Kleinstadt. Ihre indischen Eltern, besonders die Mutter, halten an den Traditionen ihrer Heimat fest. Samidha hingegen möchte sich eher an die liberale Lebensart ihrer Klassenkameraden und Freundinnen anpassen. Größere Probleme als eine holprige Integration hat Samidhas Mitschülerin Tamira. Sie ist ebenfalls indischer Herkunft, distanziert sich vom Schulalltag und trägt mit finsterem Blick stets ein großes verschlossenes Glas mit sich herum. Tamira hat offenbar große Angst vor etwas und erklärt Samidha, in ihrem Glas habe sie einen indischen Dämon gefangen, der bald zu entweichen droht, um sich über das Fleisch der Menschen herzumachen. Während der Aussprache zwischen den Mädchen zerbricht das Glas: Der Dämon ist frei. Sein erstes Opfer ist Tamira. Auch Samidhas Seele und Körper sind in Gefahr. Das Mädchen sucht einen Weg, den Dämon zu besiegen.
Hier ein Knarren, da ein Schatten, dazu Albträume und bedrohlich wirkende Musik: Regisseur Bishal Dutta inszeniert die Geschichte geschickt mit vielen vertrauten Elementen des amerikanischen Horror-Kinos. Der Grusel steigt behutsam, denn der Dämon muss erst einmal an Kraft gewinnen, nachdem er aus seinem gläsernen Gefängnis entkommen ist. Aus der Dunkelheit heraus beobachtet das Monster sein Opfer, nur die Augen und eine schemenhafte Gestalt deuten Konturen an. Der Schauer wächst mit jeder Minute. Zu einem blutigen Gemetzel lässt sich der Film nicht hinreißen, auch nicht in den beiden Szenen, in denen der Dämon die ersten Opfer zum Stillen seines Hungers findet. Eine Kinderschaukel im Tageslicht ebenso wie die nächtlichen Schulflure im Schein flackernder Neonröhren werden zu Jagdszenen, ohne zu viel zu verraten vom Aussehen des Monsters, das sich erst im Finale in seiner ganzen Pracht zeigt.
Wie das Unheil an Kraft gewinnt und Samidha zunehmend in Panik verfällt, hätte schon zu einem vernünftigen Beitrag des US-Horror-Genres gereicht, wenngleich der Film dann nicht über den Durchschnitt hinaus gekommen wäre. Was „It lives inside“ besonders macht, ist Samidhas Konflikt zwischen den Kulturen. Zu Hause wird Sam (wie sie sich amerikanisch-konform nennt) von ihrer konservativen Mutter in indische Folklore gezwängt, in der Schule erlebt das Mädchen Alltagsrassismus von ihrer Mitschülerin („Sag mal was in Deiner Sprache! Ich filme dich dabei!“).
Konflikt zwischen den Kulturen
Nur widerwillig erkennt Sam an, dass die indische Mythologie noch immer sie und ihre Eltern beherrscht – ähnlich wie bei Millionen Einwanderern jedweder Nation. Die kulturelle Kluft und das Verharren in einem fremd gewordenen Vermächtnis machen es der zweiten oder dritten Generation von Zugereisten überall schwer, sich in die Gesellschaft ihrer neuen Heimat zu integrieren. Das Monster zu besiegen, dient also auch dem Überwinden von Althergebrachtem.
„It lives inside“ ist ein gekonnt inszenierter Horrorfilm, der seine Zuschauer und Zuschauerinnen in leisen Schritten in seinen Bann zieht. Durch ihr inneres Dilemma wird Samidha zur Identifikationsfigur vieler in ähnlichen Situationen lebender junger Menschen – nicht nur in den USA. Schauspielerin Megan Suri überzeugt als Sam, der manchmal kaum anzusehen ist, vor was sie mehr Angst hat: vor dem fleischfressenden Dämon oder vor dem Verharren in hinduistischen Traditionen ihrer Mutter. Der Film läuft seit 2. November in den Kinos und kann ab 2. Dezember zum Beispiel bei Amazon Prime gestreamt werden.