Die VSG Altglienicke präsentiert mit Murat Salar einen neuen Trainer – der allerdings nicht die erforderliche Lizenz für die Regionalliga besitzt.
Bei seinem Debüt erwies sich bald, dass der neue Trainer der VSG Altglienicke zumindest ein Manko in der kurzen Zeit noch nicht beheben konnte: Denn auch im Nachholspiel zu Hause gegen den Chemnitzer FC am Dienstag vergangener Woche geriet die Mannschaft einmal mehr früh in Rückstand. Im Heimspiel zuvor gegen den ZFC Meuselwitz waren es sogar zwei Treffer in den ersten sechs Minuten gewesen – am Ende stand eine 2:3-Niederlage und die Trennung von Trainer-Urgestein Karsten Heine (68), der den Berliner Regionalligisten vier Jahre geleitet hatte. Immerhin stand den Verantwortlichen durch die länderspielbedingte Unterbrechung nach dem 13. Spieltag etwas mehr Zeit für die Suche zur Verfügung. Als dann der Name in der Fußballszene durchsickerte, war die Verwunderung dort beinahe so groß wie anfangs bei dem Auserkorenen selbst. Nicht nur deshalb, weil er erst im September seine Arbeit beim Fünftligisten CFC Hertha 06 in der Hauptstadt angetreten hatte – sondern auch, weil zuvor keine Kontakte zur VSG bestanden hatten. „Ich war etwas überrascht, aber natürlich auch geehrt, als der Anruf kam“, gestand Murat Salar ein. Der Trainer hatte im vergangenen Jahrzehnt unter anderem beim KFC Uerdingen (2014 – 15) oder Arminia Hannover (2016 – 19) gearbeitet, bevor er aus familiären Gründen im Fußballgeschäft kürzertrat. Mit einer Startbilanz von 16 Punkten aus sechs Partien hatte der 47-Jährige nun Hertha 06 im Eiltempo von den Abstiegsplätzen der NOFV-Oberliga Nord bis auf den siebten Platz geführt – dass sich dies aber bis in die Regionalliga Nordost herumsprechen und dort Interesse wecken könnte, damit hatte er doch nicht gerechnet. Aber: „In den ersten Gesprächen hat die Chemie gleich gestimmt und wir sind dann bald auf einen Nenner gekommen.“ Voraussetzung dafür war natürlich, dass Hertha 06 seinen Schnellstarter gehen lassen würde – doch auf dieser Ebene ist das nicht das größte Hindernis: „Ich bin natürlich unheimlich dankbar, dass mir keine Steine in den Weg gelegt wurden“, erklärte Salar dazu, „im Gegenteil: Man war sogar ein bisschen stolz darauf, seinen Trainer in die Vierte Liga abzugeben.“ Mutmaßlich war bei der VSG dabei die Hoffnung vorhanden, durch den jüngeren neuen Coach und dessen Erfolgsbilanz frischen Wind in den prominent besetzten Kader zu bringen und ähnlich wie dessen voriger Verein durchstarten zu können. Seine Verfahrensweise eine Liga tiefer schien jedenfalls auch für die VSG stimmig zu sein: „Ich hatte einige Spiele von Hertha 06 gesehen“, verriet Salar in diesem Zusammenhang der „Fußball-Woche“, „und mit der sofort in Angriff genommenen Stabilisierung der zuvor anfälligen Defensive ist es geglückt, der Mannschaft ihre verlorene Sicherheit zurückzugeben.“ Schließlich hatte auch die VSG bis dahin deutlich mehr Gegentore hinnehmen müssen als die Topteams. Der Staff des Regionalligisten wurde ansonsten beibehalten: die schon zu Heines Zeiten als Assistenten fungierenden Torsten Mattuschka und Dan Twardzik sollen dem Neueinsteiger auch als Bindeglied zur Mannschaft dienen. „Ich bin natürlich froh, mit ‚Tusche‘ und Dan zwei Insider an meiner Seite zu wissen.“ Ex-Profi Mattuschka ist dabei auch noch als Experte des TV-Senders Sky für die Zweite Liga eingespannt und steht deshalb an den Wochenenden oft nicht zur Verfügung.
Übergangszeit von maximal drei Monaten
Es gibt allerdings einen deutlich komplexeren „Haken“ an der gesamten Kooperation zwischen der VSG Altglienicke und Murat Salar: Der neue Trainer verfügt nämlich mit der DFB-Elite-Jugend-Lizenz nicht über den vom Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV) für die Regionalliga geforderten Schein. Ebenso wenig im Übrigen wie seine Assistenten – für die Übergangsphase bei der Trainersuche hatte die VSG jedoch immerhin eine 15-tägige Sondergenehmigung für Mattuschka erhalten. Eine Verlängerung wurde bereits beim Verband beantragt – laut „FuWo“ wurde von Seiten des NOFV allerdings darauf hingewiesen, dass diese maximal für drei Monate gültig sein dürfe. Der Berliner Regionalligist müsste also bis Anfang 2024 einen (weiteren) Übungsleiter mit der benötigten Lizenz gefunden haben. „Da werden wir eine Lösung finden, und ich hoffe auch bald“, zeigt sich Salar diesbezüglich optimistisch – dennoch darf man gespannt sein, wie ein solcher Dreh aussehen könnte und auf welche Art die Verantwortlichen bei den Treptowern diesen ausgestalten. Der neue leitende Trainer ist jedenfalls voller Euphorie und Tatendrang bei der Sache. „Klar ist man vor seinem Debüt immer etwas aufgeregt“, gestand Salar nach der Partie gegen Chemnitz, „aber nach ein paar Minuten ist das verflogen.“ Trotz des frühen Rückstands und eines weiteren Tiefschlags, denn Kapitän Tolcay Cigerci vergab vom Elfmeterpunkt nach 20 Minuten die Chance auf den raschen Ausgleich. Nicht zuletzt, weil „die vorhandene Qualität im Kader groß ist“, hatte der neue Coach keine Zweifel daran, dass sein Debüt noch ein gutes Ende nehmen würde.
Einen nicht unerheblichen Anteil daran hatte er selbst, denn mit Anthony Roczen und Robert Deziel jr. (Leihgabe vom FC Bayern München) brachte er die Torschützen zum finalen 2:1-Sieg als Einwechsler in die Partie. Dass sein persönlicher Nimbus seit der kurzen Phase bei Hertha 06, ungeschlagen zu sein und zu bleiben, gewahrt wurde, war Salar dabei gleichgültig: „Es geht doch vor allem um die Jungs: Dass sie heute mentale Stärke bewiesen haben, bis zum Schluss drangeblieben sind und sich dann belohnt haben – das war gleich schon ein großer Schritt“, leistete er dem Team nach Abpfiff verbal weitere Aufbauhilfe. Und im Gespräch unter vier Augen auch dem bereits im Profifußball bewährten Martin Kobylanski, den er erst in der letzten Minute der regulären Spielzeit eingewechselt hatte – in der Folge fiel noch der entscheidende Treffer.
Aber wie sind nun die gemeinsamen Ziele? Den Kampf um Platz eins und den diese Saison direkten Aufstieg in die Dritten Liga (turnusgemäß alle drei Jahre ohne Qualifikationsspiele) wird man bei der VSG Altglienicke nicht abgeschrieben haben – hält sich aber mit Willensbekundungen oder gar forschen Parolen zurück. „Die Liga ist so ausgeglichen“, verbreitet Murat Salar passend dazu mit einem Lächeln die gewünschte Aufbruchstimmung, „mal sehen, wie wir dann Weihnachten stehen werden.“