Fabian Hürzeler ist der jüngste Trainer in den deutschen Profiligen. Dass Erfolg keine Frage des Alters ist, zeigt der 30-Jährige wie kein Zweiter: Denn Hürzeler hat aus dem FC St. Pauli ein absolutes Topteam der Zweiten Liga geformt.
Es ist der 23. Dezember 2022, einen Tag vor Heiligabend, als der FC St. Pauli den damals 29-jährigen Fabian Hürzeler zum Cheftrainer ernennt, womit er derzeit der jüngste Trainer im deutschen Profifußball ist. Das Alter scheint jedoch keine Rolle zu spielen, denn Hürzeler kann bereits erste Erfolge verbuchen. Seit seinem Amtsantritt hat er das Millerntor zu einer regelrechten Festung gemacht. Unter der Leitung des mittlerweile 30-Jährigen hat die Mannschaft nur ein einziges Heimspiel verloren. Hürzeler hat St. Pauli zu einem ernsthaften Anwärter auf den Aufstieg entwickelt, obwohl sein Start als Cheftrainer im Profifußball alles andere als einfach war. Als Hürzeler sein Amt übernahm, hatte St. Pauli gerade die Hinrunde als die auswärtsschwächste Mannschaft der Zweiten Liga mit nur einem Punkt Vorsprung auf Platz 18 abgeschlossen. Trotzdem konnten viele Fans des Hamburger Clubs die damalige Entscheidung der Vereinsführung, Timo Schultz von seinem Amt als Cheftrainer zu entbinden, nicht nachvollziehen. „Wer den FC St. Pauli lebt, würde niemals zu diesem Zeitpunkt eine Identitätsfigur wie Timo Schultz vor die Tür setzen“, lautete der Standpunkt einiger Fans in einer Petition. Für sie war die fehlerhafte Kaderplanung der Hauptgrund für die schwachen Leistungen. Es war bereits ungewöhnlich, dass der Assistent des vorherigen Cheftrainers nicht nur blieb, sondern auch dessen Amt übertragen bekam. Viele Anhänger des Kiezclubs stellten sich die Frage, wie Hürzeler eine Veränderung herbeiführen könnte, nachdem er scheinbar selbst am Absturz des Vereins beteiligt war. Doch er schaffte es. Nach der Wintervorbereitung, in der sich St. Pauli nur mit zwei offensiven Spielern verstärkte, legte er eine Serie von zehn Siegen in Folge hin und stellte damit einen neuen Vereinsrekord auf. In der Rückrunde war St. Pauli die beste Mannschaft der Liga und kassierte die wenigsten Tore. Das ist auch in dieser Saison der Fall, denn bisher stehen nur neun Gegentore auf dem Konto der Hamburger. Man könnte meinen, dass Hürzeler ein defensiv denkender Trainer ist, doch dem ist nicht so. Der 30-Jährige strebt mit seiner Mannschaft viel Ballbesitz an, möchte Drucksituationen spielerisch lösen und insgesamt offensiven Fußball spielen.
Serie von zehn Siegen in Folge
Wenn man Hürzeler in seiner Coachingzone beobachtet, entsteht der Eindruck eines äußerst ehrgeizigen und fast schon verbissenen Trainers, der nur schwer zufriedenzustellen ist. Bereits nach seinem ersten Erfolg, einem 1:0 beim 1. FC Nürnberg am 29. Januar, äußerte er sich: „Ein, zwei Stunden dürfen wir uns freuen, dann geht es an die Vorbereitung des nächsten Spiels.“ Um diesen jungen, aufstrebenden Trainer zu verstehen, muss man einen Blick auf seine bisherige Spieler- und Trainerkarriere werfen. Als früherer Mittelfeldspieler war er von 2004 bis 2012 in der Jugend des FC Bayern aktiv, fungierte als Kapitän der A-Jugend und galt als die Zukunft des Vereins. Noch heute trägt er den unbedingten Ehrgeiz und Siegeswillen in sich, den er dort verinnerlicht hat, und möchte diesen auch seinen Spielern vermitteln, wie er auf einer Pressekonferenz betonte. Trotzdem reichte es in seiner Spielerkarriere nur bis in die Regionalliga, und er startete seine Trainerlaufbahn 2016 beim SV Pipinsried. Als Spielertrainer führte er sein Team bis in die bayerische Regionalliga und blieb trotz des direkten Wiederabstiegs im Amt. Ab Juli 2019 war er zudem Co-Trainer von Christian Wörns bei der U20-Nationalmannschaft. „Auf mich wirkte er wie ein verwöhntes Bürschlein, das von seinen Eltern auf Rosen gebettet wurde“, äußerte sich damals der Pressesprecher des FC Pipinsried, Hubert Fesl, über Hürzeler, eine Aussage, die jedoch nicht an ihm haften blieb. Wenn man mit Verantwortlichen des Eimsbütteler TV spricht, dem Hamburger Verein, bei dem er während seiner Anfangszeit bei St. Pauli als Assistent von Schultz selbst noch spielte, beschreiben sie ihn als kommunikativen und äußerst authentischen Typen, der Konflikten nicht aus dem Weg geht und eine offene Diskussionskultur innerhalb des Teams pflegt. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit als Cheftrainer bei St. Pauli geriet Hürzeler im Training mit dem damaligen Kapitän Leart Paqarada aneinander. Allerdings bezeichnete er diese Konflikte später als Anzeichen für die Führungsqualitäten von Paqarada und lobte ihn dafür. Innerhalb der Mannschaft genoss Hürzeler von Anfang an hohes Ansehen, einschließlich Paqarada. Trotz seines jungen Alters scheint Hürzeler, der sich selbst als ausgesprochen fußballverrückt beschreibt, kein Autoritätsproblem zu haben. Inzwischen hat er auch die Anerkennung der Fans gewonnen, vermutlich auch, weil er sie in dieser Saison erneut von einem möglichen Aufstieg in die Bundesliga träumen lässt.
Waschechter Familienmensch
Das geht nur, wenn ein Trainer mit allem hinter seinem Beruf steht. Denn, auch wenn es Hürzeler, wie er sagt, schwerfällt, kann oder muss er ab und an auf Fußball verzichten, wie vergangenes Wochenende. „Es ist nicht nur mein Beruf, sondern meine Leidenschaft, das mache ich einfach sehr gerne“, erzählte er im Gespräch mit den Kollegen von „Tag24“. Die freie Zeit verbringt Hürzeler dann am liebsten mit seinen Liebsten. „Meine Familie ist leider nicht hier in Hamburg, sondern die lebt in München. Ich versuche dann in die Heimat zu reisen, um alle zu sehen. Meine Geschwister und meine Freunde zu sehen, ist für mich wirklich die meiste Erholung.“ Das hört sich beinahe so an, als wäre Familie Hürzeler nicht so in Fußball vernarrt wie er selbst? „Es geht. Aufgrund meines Jobs verfolgen sie es, sie fuchsen sich auch sehr hinein – speziell mein Vater. Aber auch meine Geschwister, die jetzt nicht die größten Fußballfans sind, verfolgen es, und das berührt mich. Man merkt einfach den Support, auch wenn sie nicht bei mir sind, spürt man das einfach“, erklärte er. Neben dem Fußball und seiner Familie gibt es eine weitere wahre Liebe im Leben des 30-Jährigen: Tattoos. Auch wenn sie nur zum Vorschein kommen, wenn der Trainer ein T-Shirt trägt, verriet er: „Ja, ich mag Tattoos, ich habe sehr, sehr viele am Körper. Das ist schon eine leichte Sucht, definitiv.“ Ob im Falle eines Aufstiegs seines Vereins FC St. Pauli ein Neues hinzukommt, wollte er wohl noch nicht „verschreien“: „Das kann ich nicht beantworten. Das sind Dinge, mit denen beschäftige ich mich, wenn es wirklich so weit ist. Es ist noch ein weiter Weg.“
Auch wenn der Weg noch weit ist, so würde Hürzeler immer mal wieder, wenn auch nicht sonderlich groß, mit höherklassigen Teams in Verbindung gebracht. Aber ist das auch eine Option für ihn? „Ich habe einen sehr guten Arbeitgeber“, betonte er erneut und erklärte, dass er es als „Privileg empfinde, hier arbeiten zu dürfen“. Dass der Erfolg der Mannschaft eng mit seiner Arbeit verbunden ist, steht außer Frage. Entsprechend weiß auch er vom Interesse an seiner Person. „Das gehört dazu“, sagte er. „Ich betone immer wieder, dass ich mich hier sehr wohlfühle und eine große Aufgabe habe.“ Zudem bereite ihm die tägliche Arbeit mit seinem Team große Freude. Dennoch, und das betonte er auch, stehe er mit seinem Berater, auch wenn ihm der Begriff schwerfiel, im Austausch. „Ich nenne es eher Wegbegleiter“, stellte Hürzeler klar. „Wir arbeiten schon seitdem ich 15 Jahre alt bin zusammen.“ Daher habe sich zwischen ihnen ein großes Vertrauensverhältnis entwickelt. „Wir erzählen uns alles“, erklärte der 30-Jährige. „Also weiß ich auch von dem Interesse anderer Vereine.“ Auch Präsident Oke Göttlich wehrt ab: „Gute Menschen werden überall nachgefragt, und das ist auch vollkommen richtig und in Ordnung so. Wir sind sehr dankbar, und ich glaube, auch Fabian ist uns sehr dankbar“, sagte der Club-Präsident. Hürzeler wisse, „was er am FC St. Pauli hat. Nämlich hier in Ruhe seine Idee weiterentwickeln und arbeiten zu können“.