Unter den vergleichsweise seltenen farbigen Diamanten gelten die rosafarbenen Exemplare als größte Kostbarkeit. Nun konnten Forscher endlich das Rätsel über ihre Entstehung lösen, wobei nur einer von drei Faktoren bislang unbekannt gewesen war.
Internationale Experten schätzen, dass nur etwa jeder zehntausendste geschliffene Diamant mit wenigstens einem Karat farbig ist, was im Fachjargon als „fancy“ bezeichnet wird. Farbige oder fancy Diamanten sind daher in der Natur eine echte Rarität und machen gerade mal 0,1 Prozent des globalen Diamantenabbaus aus. Während farblose Diamanten nur aus einem einzigen Element, nämlich Kohlenstoff, bestehen, ihre Atome durch ein regelmäßiges Kristallgitter zusammengehalten werden und jegliche Nuancen-Verfärbungen als wertmindernd angesehen werden, verdanken fancy Diamanten ihre Farbe durch entsprechende Lichtabsorption entweder einem strukturellen Defekt im Kristallgitter oder dem Einschluss von Fremdatomen wie Stickstoff bei gelben Diamanten oder Bor und Stickstoff bei blauen Diamanten. Letztere sind zwar äußerst begehrt, stehen in der Diamantenpyramide aber nur an zweiter Stelle hinter den rosafarbenen Diamanten. Diese bestehen, ähnlich wie ihre farblosen Brüder, nur aus dem Element Kohlenstoff und verdanken ihre Farbe einer Fehlbildung im Kristallgitter. Die Farbpalette der fancy Diamonds ist sehr breit, insgesamt sind 27 verschiedene Töne registriert. Von Braun oder Gelb über Pink und Violett bis hin zu Rot, Orange, Rosa, Grün oder Blau. Es gibt sogar einen schwarzen sogenannten Carbonado-Diamanten, der eigentlich kein echter Diamant ist, weil er das für die dunkle Farbe verantwortliche Material Graphit enthält und daher auch kein bisschen transparent ist.
Im 17. Jahrhundert erstmals entdeckt
Rosafarbene Diamanten wurden erstmals im 17. und 18. Jahrhundert in Indien und etwa zeitgleich in Brasilien entdeckt. Heute wird der Wert von fancy Diamonds neben der Größe in Karat sowohl von der Farbe als auch von der Farbintensität beziehungsweise Farbsättigung bestimmt. Je kräftiger die Farbe, desto seltener, wertvoller und daher auch umso preisintensiver ist der jeweilige Stein. Aufgrund ihrer Rarität übertreffen die Gebote für rosafarbene oder blaue Diamanten im Handel die für vergleichbare farblose Exemplare bei Weitem. Auf Auktionen sorgen Prachtstücke rosafarbener Diamanten regelmäßig für Rekordsummen jenseits von 50 Millionen Dollar. Mit einer Million Dollar pro Karat muss bei rosafarbenen Steinen von hoher Qualität inzwischen immer gerechnet werden. In seiner fast 250-jährigen Geschichte soll das berühmte Auktionshaus Christie’s lediglich 18 polierte rosa Diamanten jenseits der zehn Karat versteigert haben.
Die Mehrzahl der weltweit geförderten und gehandelten rosafarbenen Diamanten kam aus der australischen Argyle-Diamantenmine. Die Argyle-Mine galt als größte Quelle für Naturdiamanten, hier wurde ein Fünftel der Weltproduktion geborgen. Obwohl ein Großteil der geförderten Mengen – bis zur Schließung wegen wirtschaftlicher Erschöpfung im November 2020 waren hier 865 Millionen Karat Rohdiamanten gewonnen worden – von der Qualität her nicht für die Schmuckherstellung geeignet war, konnte Argyle doch mit einem ganz besonderen Pfund wuchern. Denn mehr als 90 Prozent der globalen rosafarbenen Diamanten entstammten dieser Mine.
Am Standort dieser Mine hätte es gängigen Theorien zufolge eigentlich gar kein Diamanten-Vorkommen geben dürfen. Ein Rätsel für die Wissenschaft. Zunächst einmal werden Diamant-Minen üblicherweise in geologisch sehr alten und mittig gelegenen Kernbereichen von Kontinenten angetroffen, den sogenannten Kratonen. Aus deren Tiefen – mehrere hundert Kilometer tief im Erdmantel eingeschlossen – waren die Diamanten schließlich durch den Ausbruch urzeitlicher Vulkane Richtung Erdoberfläche befördert worden. Argyle befindet sich allerdings nahe der Küste in einer Randzone, an einer Nahtstelle verschiedener Landmassen abseits eines Kratons.

Diamanten entstehen gemeinhin, wenn Kohlenstoff in Tiefen von mehr als 500 Kilometern im Erdmantel eingeschlossen und anschließend durch enormen Druck zur kompakten Diamantstruktur zusammengepresst wird. In geringeren Tiefen verwandelt sich der Kohlenstoff dabei lediglich in Graphit. Dieser Prozess der Diamant-Bildung hat sich in der Argyle-Region genau so vor 1,8 Milliarden Jahren abgespielt. Wobei die Kompression durch das Aufeinanderprallen der heute fest verbundenen Landmassen der Kimberley-Region und Nordaustraliens ausgelöst worden war. Durch die Kollision der beiden Landmassen wurde zudem das Kristallgitter der Diamanten verzerrt und machte sie dadurch farbig. Unter vergleichsweise leichterem Druck kam es dabei in Argyle zur Bildung von rosafarbenen Diamanten, bei stärkerer Kompression zur Entstehung von hellbraunen Diamanten in Richtung Champagner oder Cognac.
Die beiden Faktoren Diamantentstehung und Landmassen-Kollision setzte ein Forscherteam unter Federführung des Mineralogen Hugo Olierook vom John de Laeter Centre der Curtin University in Perth als wissenschaftlich bekannt voraus. Was die Forscher bei ihrer Studie, die im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, allerdings aufklären wollten, war das bislang ungelöste Rätsel, wie die Diamanten rund um Argyle überhaupt aus den Tiefen des Erdmantels Richtung Erdoberfläche gelangen konnten.
Das Team um Hugo Olierook sammelte zunächst rund zwei Kilogramm Mineralien-Proben aus der Argyle-Diamantmine und untersuchte anschließend das Alter der silikatreichen Zirkon-Kristalle mithilfe feinster Laserstrahlen. Dank Uran-Blei- und Uran-Thorium-Datierungen konnte das Alter der Mineralien auf etwa 1,3 Milliarden Jahre eingegrenzt werden – 100 Millionen Jahre älter, als bisher angenommen worden war. Daraus zogen die Forscher den Schluss, dass sich die Lagerstätte mitsamt den Diamanten genau zu dieser Zeit aus flüssigen Materialien aus tieferen Erdschichten gebildet haben musste. Dafür mussten gewaltige vulkanische Prozesse verantwortlich gewesen sein.
Das Team gelangte zu der Überlegung, dass es einen direkten Zusammenhang zum ebenfalls auf die Zeit vor 1,3 Milliarden Jahren datierten Auseinanderbrechen des Super-Urkontinents Nuna geben musste, der während des Paläoproterozoikums die Landmassen der Erde vereint hatte. Dabei hatte sich die damals auf der Nordhalbkugel positionierte australische Platte von jener Landmasse abgelöst, die später den Norden Chinas bilden sollte. Trotz der gewaltigen dabei freigesetzten Kräfte konnten die Teile des heutigen Australiens zusammenbleiben. Aber laut Hugo Olierook ist es dabei zu erheblichen Dehnungen der Gesteinsschichten gekommen:
Zusammenbruch des Superkontinents Nuna
„Obwohl der Teil des Kontinents, der später zu Australien wurde, bei diesem Auseinanderbrechen zusammenblieb, wurde das Gebiet, in dem Argyle heute liegt, stark gedehnt.“ Die gesamte Region sei dadurch insgesamt instabiler geworden. Und nicht zuletzt sei es zu einer Öffnung der „Narben“ gekommen, die 500 Millionen Jahre früher bei der Kollision der Landmassen der Kimberley-Region und Nordaustraliens entstanden waren. Was es dem Magma erlaubt habe, genau durch diese Narben oder Erdkrustenrisse in annähernder Schallgeschwindigkeit nach oben zu schießen. Die Gewalt der Eruption muss laut Olierook stärker gewesen sein als jeder andere jemals identifizierte Vulkanausbruch der Erdgeschichte. Die Diamanten, die sich bereits 500 Millionen Jahre früher gebildet hatten, konnten dadurch Richtung Erdoberfläche mitgerissen werden.
Das Team um Olierook vermutet, dass es auf der Erde durchaus noch weitere bislang unentdeckte Fundstellen für rosafarbene Diamanten geben könnte. Und zwar genau in solchen Bergregionen, die vom Zusammenbruch des Superkontinents Nuna ähnlich stark betroffen gewesen sein könnten wie Argyle. Man müsse nur gezielt suchen und dabei die drei wesentlichen Faktoren im Auge behalten: „Dort, wo diese drei Grundzutaten vorhanden sind – tiefer Kohlenstoff, eine Kontinentkollision und dann eine Dehnung –, könnte es ein weiteres Argyle geben“, so Olierook. Australien komme dafür ebenso in Frage wie manche Gegenden in Kanada, Russland oder im südlichen Afrika. Allerdings sei es wahrscheinlich nicht so einfach, diese neuen Fundorte zu identifizieren. Während Reste alter Kratone und ihrer Vulkane häufig wegen der Erosion an der Erdoberfläche nachgewiesen werden könnten, sei das bei urzeitlichen Nahtstellen früherer Kontinente schon ungleich schwerer zu realisieren: „Diese Ränder sind oft von viel Sand und Boden überdeckt, das macht es schwer, das diamanthaltige Vulkangestein zu finden“, so Olierook.