Lina Nordquist ist im nordschwedischen Hälsingland aufgewachsen. Die Region mit den alten, weiten Wäldern ist bis heute nur dünn besiedelt. Die tiefen Wälder bieten besonders Bären und Elchen bevorzugten Lebensraum. In dieser rauen und weitgehend unberührten Natur spielt Nordquists Debütroman, der in Schweden als Buch des Jahres 2022 ausgezeichnet wurde. Ende des 19. Jahrhunderts: Nach ihrer Flucht aus Norwegen findet Unni mit Mann Armod und ihrem Sohn Roar in einer Waldkate ein neues Zuhause. Weit abgelegen vom nächsten Ort, am Rand des dunklen Waldes, kämpft die Familie gegen Armut, Hunger, Naturgewalten und Schicksalsschläge. 70 Jahre später: Roar ist tot. Seine Schwiegertochter Kara bleibt mit ihrer Schwiegermutter Bricken in der Kate zurück. Seit über 30 Jahren haben die beiden Frauen sich aneinander aufgerieben und ihre Geheimnisse voreinander verschwiegen. Auch Kara war seinerzeit geflohen. Aus ihrem bisherigen Leben in die Ehe mit Dag und in das Haus ihrer Schwiegereltern, die ehemalige Waldkate. „Mein Herz ist eine Krähe“ sagt Kara angesichts der Ängste, die ihr „folgen wie ein räudiger Fuchs“. Trotz ihrer Seelennot nimmt sie sich heimlich, was sie für ein erträgliches Leben braucht, gequält von ihren Lebenslügen und Gewissensbissen. Können Kara und Bricken nach Roars Tod noch immer auf so engem Raum miteinander leben, ohne zu offenbaren, was die andere nie wissen sollte? Im Roman wechseln sich Unni und Kara als Ich-Erzählerinnen ab. Ihre unterschiedlichen Lebensgeschichten sind schicksalhafter miteinander verflochten, als es auf den ersten Blick scheint. Die Autorin beschreibt hautnah und eindrucksvoll das mühevolle Leben in den Wäldern und den Zusammenhalt einer Familie, der durch eisern gehütete Geheimnisse zu zerbrechen droht. Lina Nordquist schafft einzigartige Figuren mit überzeugenden Charakteren in einem außergewöhnlichen und spannenden Roman.
KULT[UR]
Foto: Diogenes Verlag
Buch-Tipp: Verflochtene Geheimnisse
Lina Nordquist: Mein Herz ist eine Krähe. 464 Seiten. Diogenes. 2023. ISBN 978-3-257-07261-7
Kult[ur] - Buch-Tipp
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