Der Protest der Bauern ist deutlich hör- und sichtbar. Kein Wunder, beim Einsatz Tausender Traktoren. Es geht dabei um mehr als um Agrardiesel – auch um Demokratie. Letztlich sollen alle Kürzungen zurückgenommen werden, sagt Alexander Welsch vom Bauernverband Saarland.
Herr Welsch, muss alles vom Tisch, was von den Sparplänen der Ampelregierung in der Landwirtschaft noch übrig ist?
Es muss alles vom Tisch. Die Landwirtschaft ist zu sehr gebeutelt, das hat auch Bauernpräsident Rukwied in Berlin noch einmal deutlich gemacht: Das Maximum ist erreicht, was ein landwirtschaftlicher Betrieb noch tragen kann.
Was kommt auf die Landwirtschaft zu – außer dem Auslaufen der Agrardiesel-Rückerstattung?
Da sind Maßnahmen, die seit dem letzten Quartal 2023 greifen. Zum Beispiel war über das sogenannte Investitions- und Zukunftsprogramm der vorangegangenen Bundesregierung eine sogenannte Bauernmilliarde zugesagt. Mit dieser Milliarde Förderung sollte die Landwirtschaft in Deutschland in Pflanzen- und Klimaschutz investieren, etwa um bei der Düngung die Effizienz zu steigern. Die Förderung war aufgeteilt auf vier Jahre, also pro Jahr 250 Millionen Euro. Diese Förderung war Zweidreivierteljahre aktiv. Die letzte Tranche hat die aktuelle Bundesregierung einfach einkassiert, gestrichen. Darüber hinaus hatten wir frisches Geld für eine Verbesserung des Tierwohls in den Ställen gefordert. Dafür hätte die Landwirtschaft drei Milliarden Euro gebraucht. Der Bund sagte anfangs erst einmal 150 Millionen Euro zu. Aber dies war kein frisches Geld, sondern kam aus anderen Projekten in der Landwirtschaft, wurde also umverteilt, hier gibt es auch noch keine Umsetzung. Dann wurden Gelder für die Gemeinschafsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) im geplanten Bundeshaushalt 2024 gekürzt, von 1,3 Milliarden Euro auf 907 Millionen Euro. Ein Zuschuss daraus zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung fiel weg. Und der größte Batzen, die Agrardirektzahlungen, sind mit Wirkung zu 2023 um 30 Prozent gefallen. Gleichzeitig sinken die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse gerade wieder, das bekommt aber der Verbraucher noch nicht mit.
Verdienen die Betriebe also nicht genug, obwohl das vergangene Jahr recht gut ausgefallen ist?
Ja. Durch den Ukrainekrieg sind die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse stark gestiegen. Riesig war die Angst vor Versorgungsengpässen. Inzwischen sind die Preise wieder stark gefallen. Im nächsten Jahr erwarten wir deutlich schlechtere Betriebsergebnisse Der Verbraucher bekommt von dem ganzen zur Zeit noch nichts mit, beispielsweise weil aktuell noch teuer eingelagertes Getreide vermahlen wird. Hinzu kommen derzeit gute Margen für den Handel. 2022/2023 war also ein einmalig gutes Jahr innerhalb von 30 Jahren in der Landwirtschaft. Außerdem gibt es das Argument, die großen Betriebe könnten die Mehrbelastung durch eine gekürzte Agrardieselsubvention (Anm. d. Red.: etwa 2.800 Euro im Schnitt für einen durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieb pro Jahr) doch verschmerzen. Dies greift zum Beispiel nicht im Saarland, wo es nur kleinere und mittlere Betriebe, etwa 130 Hektar im Durchschnitt, und landwirtschaftliche Betriebe im Nebenerwerb gibt. Die mangelnde Verlässlichkeit in der Politik führt dazu, dass Betriebe in den Nebenerwerb gehen müssen oder nicht an die nächste Generation weitergegeben werden, weil es sich nicht lohnt oder die Perspektive fehlt.
Das heißt, es geht um viel mehr als die gekürzte Agrardiesel-Steuerrückerstattung, die schrittweise fallen soll?
Ein Beispiel: die zugesagt Bauernmilliarde, die letztlich nicht ganz drei Mal ausgezahlt wurde, weicht einer Mehrbelastung von 920 Millionen Euro. Das ist zu viel für einen einzigen Sektor, der eine nur kleine Bruttowertschöpfung hat. Das passt nicht zusammen, war unüberlegt, und die Kommunikation der Bundesregierung ist extrem verbesserungswürdig. In einer derartigen Umbruchsituation, in der wir uns derzeit befinden, braucht es längerfristige Planungssicherheit. Gibt es die nicht, investieren die Betriebe nicht mehr.
Gibt es denn Kompromissbereitschaft? Zum Beispiel, indem man das Abschmelzen der Steuerrückerstattung für Agrardiesel länger streckt?
Im Moment sprechen wir darüber, dass wir schon 2024 40 Prozent weniger Rückerstattung erhalten als 2023. Ausgezahlt wird dies erst 2025, heißt, die Betriebe gehen in Vorleistung. Innerhalb von zwei Jahren sinkt die Rückerstattung wiederum auf null. Im letzten Jahr wird sich wahrscheinlich für kleinere Betriebe die Antragstellung nicht mehr lohnen, weil der Betrag, 30 Prozent der ursprünglichen Erstattung, zu gering wird. Uns fehlt aber eine Alternative zum Dieselantrieb. Weltweit werden noch immer Nahrungsmittel mit Dieselantrieb produziert. Der Schwerlastverkehr transportiert sie mithilfe von Dieselantrieben. Da wir in weltweiter Konkurrenz stehen, ist dies auch eine Frage des Wettbewerbs. Weil Diesel in Luxemburg billiger ist als in Deutschland, bewirtschaften Luxemburger Landwirte auch Flächen in Deutschland, die wiederum deutschen Landwirten nicht mehr zur Verfügung stehen, um damit Geld zu verdienen.
Es gibt mittlerweile Alternativen, es gibt Hersteller, die Brennstoffzellen- und Batterie-Traktoren produzieren wollen. Diese stehen aber noch am Anfang. Wie lange nutzen Landwirte ihre Diesel-Landmaschinen noch?
Die Alternativen gibt es in der Entwicklung, aber noch nicht am Markt. Es wird noch Jahre dauern, bis die Technik für uns verfügbar wird. Wir rechnen mit Biogas-, Pflanzenöl-, oder Wasserstoff-Verbrenner, eine elektrische Batterie halten wir für unmöglich, weil sie zu schwer für den Einsatz sein wird. Derzeit werden Landmaschinen über acht bis zwölf Jahre abgeschrieben und sind in der Regel 10.000 Stunden, manche auch 20.000 Stunden, wenn sie gut gepflegt werden, in Gebrauch (Anm. d. Red.: Im Durchschnitt sind Landmaschinen zirka 800 Stunden im Jahr pro Betrieb im Einsatz). Das heißt, der Austausch von Diesel- auf Alternativantriebe geht nicht von heute auf morgen und wird noch eine Weile auf sich warten lassen.
Andere Gruppen aus dem rechten und Querdenker-Milieu haben sich an Ihre Proteste angehängt. Verstehen Sie deren Motivation?
Wir haben zu unseren Themen aufgerufen zu protestieren und wir haben genau zu diesen Themen mit 1200 Fahrzeugen und 3000 Menschen protestiert. Hier in Saarbrücken waren es unsere Mitglieder, die mitprotestiert haben, es waren saarländische Landespolitiker eingeladen. Für andere Themen gibt es keinen Raum. Ich sehe keine Unterwanderung, wir hatten das gut im Griff. Wenn Menschen sich zivilisiert und demokratisch verhalten, kann ich ihnen eine Teilnahme an einer solchen Veranstaltung nicht verwehren.
Bilder von Protesten in Deutschland zeigten Galgen, von denen die Ampel baumelt, die an Traktoren hingen. Macht Ihnen das Sorgen?
Der Bauernverband und seine Landesverbände distanzieren sich aufs Schärfste von dieser Symbolik. Wir wissen um diese Strömungen. Unsere Linie ist jedoch klar umrissen. Nun ist es Aufgabe der Bundesregierung, in ihrer Kommunikation für Verstand und Vernunft zu sorgen.