Gianluca Vallero ist Wiederholungstäter. Als unabhängiger Filmemacher ohne finanzielle Förderung produziert er einen Film nach dem anderen. Sein erster Spielfilm „The Woddafucka Thing“ spielt in Berlin. Seine Protagonisten haben auch dieses Mal meist einen Migrationshintergrund.
Herr Vallero, Sie haben erneut als unabhängiger Drehbuchschreiber und Regisseur einen Film gedreht. Nach mehreren Kurzfilmen und einem Dokumentarfilm nun einen Spielfilm. Wieder ganz ohne Förderung?
Eine Finanzierung für einen Film zu finden, der nicht in die üblichen Produktionsschemata passt, ist sehr schwierig, nicht nur in Deutschland. Ich war aber von meiner Idee überzeugt und habe auch mit wenig Geld einen Weg gefunden, meinen Film zu drehen.
Wie haben Sie das hinbekommen? Immerhin hat die Arbeit an dem Film sechs Jahre gedauert.
Ich konnte mir aus finanziellen Gründen immer nur drei Drehtage am Stück leisten, dann war ich pleite. Sobald ich wieder etwas Geld zusammenkratzen konnte, holte ich die Crew an das jeweilige Set für weitere drei Drehtage.
In einem früheren Interview haben Sie gesagt, das Filmen sei für Sie nicht nur eine Leidenschaft, sondern eine Krankheit. Das hat ja fast Ähnlichkeiten mit einer Drogensucht.
Ganz und gar nicht. Wenn du drogensüchtig bist und nicht davon loskommst, wirst du früher oder später dein Leben und das Leben der Menschen in deinem Umfeld zerstören. Wenn dagegen das Filmen deine Sucht ist, entwickelst du eine große Lebens- und Schaffenskraft, die auch positiv auf dein Umfeld ausstrahlt.
Es ist eine Sucht, die einen in die Zukunft blicken lässt und die Lust am Leben weckt.
Für Drogen ist man auch bereit, sich finanziell zu ruinieren, seine Existenz aufs Spiel zu setzen?
Drogen gehören nicht zu meiner Welt. Aber um einen Film zu drehen, der mir wirklich am Herzen liegt, wäre ich bereit, bis ans Ende der Welt zu gehen und viel Geld auszugeben. Aber ich würde dafür nicht meine Existenz oder die anderer ruinieren.
Wie viele Schulden mussten Sie dieses Mal machen?
Mit meinem Job als Sprecher und Synchronsprecher habe ich es immer geschafft, zwischen den einzelnen Drehblöcken genug Geld zur Seite zu legen. Wenn ich das nicht konnte, wurden die Dreharbeiten einfach verschoben.
Der Film hat schon vor dem Kinostart eine Reihe von Auszeichnungen bekommen. So wurde er beim Filmfest Bremen als „Bester deutschsprachiger Film“ ausgezeichnet.
Eine wunderbare Überraschung! Eine wichtige Auszeichnung, die einstimmig von vier Filmkritikern verliehen wurde. Sie lobten den Film dafür, dass er sich von der gängigen Erzählweise unterscheidet und es schafft, als Komödie gesellschaftlich wichtige Fragen wie Rassismus, Einwanderung und Gentrifizierung zu thematisieren.
Der Titel „The Woddafucka Thing“ klingt gewöhnungsbedürftig.
Können Sie ihn übersetzen? Was für eine Geschichte erzählen Sie?
„Dieses verdammte Ding“ würde ich den Titel übersetzen, der gut zu den Protagonisten passt: Kleinkriminelle, die sich aufführen wie Gangster internationaler Größe, ohne die nötigen Fähigkeiten dafür zu besitzen. Meine Helden haben fast alle ausländische Wurzeln und leben in einer Gesellschaft, die immer hektischer, gewalttätiger und rassistischer wird. Sie sind sehr unterschiedlich, aber gemeinsam schaffen sie es, ihre Probleme zu bewältigen.
Scheinbar haben Sie eine Vorliebe für schräge Vögel? Woher kommt das? Gibt es sie wirklich? Wie zuletzt in ihrem Dokumentarfilm „Balkan Dreams“?
Schräge Vögel habe ich in meinem Leben schon viele getroffen. Sie haben mich immer interessiert, weil sie die Realität manchmal aus einem anderen Blickwinkel sehen. Viele Jahre war ich als Radioreporter in Berlin tätig und verbrachte einen Großteil meiner Tage auf der Straße, immer auf der Suche nach Geschichten und Personen, über die es sich zu berichten lohnt. Das waren Jahre großer beruflicher und menschlicher Erfahrungen. Und dort, auf den Straßen Berlins, unmittelbar nach dem Fall der Mauer, habe ich mich in die urbane Unterwelt verliebt, von der ich nun in meinen Filmen zu erzählen versuche.
Sind es die Leute, die Sie in Berlin treffen? Gehören sie zu Ihrem Bekanntenkreis?
Einige dieser Menschen, Männer und Frauen, treffe ich heute noch in Berlin, aber ich kann nicht behaupten, dass sie zu meinem Bekanntenkreis gehören. Teilzeit-Gigolos, Gartenzwerg-Schmuggler, Erfinder von unbrauchbaren Gegenständen, professionelle Bohemiens. Wenn ich an all die schrägen Gestalten denke, die mir begegnet sind, könnte ich mindestens ein Dutzend Filme drehen.
Was erzählen Ihre Filmhelden über die Stadt Berlin?
Sie erzählen von einem Berlin in ständiger Veränderung. Von der einst durch die Mauer geteilten Stadt, die bis Anfang der 1990er Jahre noch quasi ein anarchistischer, revolutionärer und alternativer Ort im vereinten Deutschland war, ist kaum noch etwas geblieben. Meine Protagonisten bewegen sich durch eine Hauptstadt, die heute wie so viele andere, eine Stadt ist, die ihre Seele an den ungezügelten Kapitalismus verkauft und das Leben vieler ihrer Bewohner auf den Kopf gestellt hat. Mein Film versteht sich als eine lakonische und politisch unkorrekte Komödie, die das Publikum bisweilen verunsichert und irritiert.
Die Filmhelden thematisieren auch den Ausverkauf der Stadt, die Gentrifizierung? Warum?
Das ist ein Thema, das derzeit in Berlin sehr präsent ist. Und zwar vor allem bei denen, die zu den schwächeren sozialen Schichten gehören und damit stärker von den Folgen der Gentrifizierung betroffen sind.
Bei „Balkan Dreams“ sagten Sie noch, es handele sich nicht um einen politischen Film. Würden Sie das auch von „The Woddafucka Thing“ behaupten?
„The Woddafucka Thing“ ist sicherlich ein politischer Film. Der komödiantische Ton und die humorvollen Situationen tun der Ernsthaftigkeit der behandelten Themen keinen Abbruch. Ich denke, jede Komödie sollte politisch sein. Das Lachen ist für mich, wie der französische Philosoph Henri Bergson es ausdrückte, eine wirksame Waffe, um die Probleme unserer Gesellschaft sichtbar zu machen.