Barbara Wurm ist neue Leiterin der Sektion Forum. Die studierte Slawistin kann auf eine langjährige Erfahrung als Kuratorin von Filmfestivals und Kinematheken verweisen. Von 2020 bis 2023 war sie im Berlinale-Auswahlkomitee.
Frau Wurm, das 54. Forum will den Neuaufbruch wagen. Wie ist das zu verstehen?
Die Sektion hat ja einen Fokus auf kleinere, fragile filmische Formen, die anregen sollen, Kino neu zu begreifen. Ist ein Film aber zugänglicher oder populärer, ist er gleich kein Forum-Film mehr. Das ist schade, das wollten wir ein wenig aufbrechen und uns auch größeren und auf den ersten Blick geläufigeren Formen des Kinos zuwenden.
Und damit ein neues Publikum gewinnen?
Ja. Wir werden weiterhin künstlerisches Arthouse-Kino und innovative Formen zeigen, insbesondere aus Regionen jenseits der westlichen Filmindustriezentren. Wir haben uns aber bewusst geöffnet in Bezug auf Genres und Kulturräume und Filme ausgewählt, die weltoffen sind, lebensnah, die sich frech einmischen und andere Heldinnen und Helden zeigen.
Im Programm laufen mehrere Genre-Filme, wie beispielsweise aus Korea „Exhuma“ von Jae-hyun Jang, ein Horrormysterythriller. Oder die Medien- und Politsatire „Exhuma“ von Jae-hyun Jang, der bei uns seine Weltpremiere hat. Auch bei den Produktionen aus dem asiatischen Raum haben wir mehr gängigere Filmformen ausgewählt.
Apropos Asien. Filme aus Südkorea und Japan waren im Forum schon immer gut vertreten. Und andere Länder?
Aus Malaysia kommt der wunderbare „Oasis of Now“ und wir haben zwei tolle indische Filme, darunter einen tamilischen. Interessant ebenso die chinesische Koproduktion mit Singapur „Republic“. Andere Regionen sind auch vertreten: Guinea-Bissau mit „Resonance Spiral“, Mosambik mit „The Nights still smell of Gunpowder“ oder „L‘Homme-vertige“ aus Guadeloupe. Dokumentarfilme, die auch in anderen Sektionen laufen könnten, sind diesmal bei uns zu sehen.
Und die deutschen Beiträge?
Wir zeigen den Spielfilm, „Shahid“, die autofiktionale Geschichte der iranisch-deutschen Regisseurin Narges Kalhor. Und fünf Dokumentarfilme. Der auch aus dem Iran stammende Faraz Fesharaki hat für „Was hast du gestern geträumt, Parajanov?“ jahrelang Familiengespräche aufgenommen. Romuald Karmakar zeigt in „Der unsichtbare Zoo“ den Zoo Zürich, Eva C. Heldmann porträtiert in „Ihre ergebenste Fräulein“ die Botanikerin Catharina Helena Dörrien, Katharina Pethke hinterfragt in „Reproduktion“ die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Karriere und René Frölke beschäftigt sich in „Spuren von Bewegung vor dem Eis“ mit dem Schweizer Pendo Verlag.
Von den sechs deutschen Filmen sind vier von Regisseurinnen. Wie sind Frauen im Forum vertreten?
Es gibt eine Vielzahl großartiger Frauen vor und hinter der Kamera bei uns im Programm. Im Forum Special sind sogar alle Filme von Frauen mit dem Schwerpunkt „Relations and Resistance“, also Beziehungen und Widerstand auf verschiedenen Ebenen. Wir wollen den Blick schärfen für das nicht so Offensichtliche, die kleinen Gesten, die unauffälligen Schauplätze. Da liegen mir besonders die beiden ältesten Regisseurinnen am Herzen. Die fast neunzigjährige Südkoreanerin Park Soo-nam erzählt in ihrem Dokumentarfilm „Voices of the Silenced“ von Koreanerinnen in Japan. Lana Gogoberidze, mittlerweile 95 Jahre, erinnert in „Mother and Daughter, or the Night is never complete“ an ihre Mutter Nutsa, Georgiens erste Filmemacherin.
Sie geben aber auch jungen Filmschaffenden eine Chance?
Natürlich, auch da sind viele Regisseurinnen mit starken Protagonistinnen dabei. Da wären unter anderem zwei Debütfilme aus Spanien. „La hojarasca“ von Macu Machín beleuchtet das Leben von drei Schwestern auf den Kanaren und „The Human Hibernation“ von Anna Cornudella Castro fragt, was wäre, wenn Menschen Winterschlaf hielten. Ein Erstlingsfilm ist auch „La piel en primavera“ von Yennifer Uribe Alzate aus Chile, mit einer ganz tollen Frauenfigur im Zentrum, die eine innere Wandlung durchmacht.