Mindestens 18 Prozent Sauerstoff: Das sei essenziell für die Existenz von Außerirdischen – so zumindest das Fazit einer aktuellen Studie. Ohne dieses chemische Element in ausreichend hoher Konzentration soll keine technologische Zivilisation möglich sein.
Es ist eine Frage, über die sich die Menschheit schon seit Langem den Kopf zerbricht: „Sind wir allein im Universum?“ Bislang konnte darauf noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden werden, obwohl es für die Suche nach intelligentem Leben außerhalb der Erde sogar einen ganz speziellen Forschungszweig gibt, Search for Extraterrestrial Intelligence, meist nur kurz SETI genannt, mit dem SETI-Institut in Mountain View im kalifornischen Santa Clara County als wissenschaftliche Speerspitze. Forschende dieser Disziplin konzentrieren sich vor allem auf das Entdecken möglicher sogenannter Technosignaturen im Weltall. Diesen Begriff hatte Jill Cornell Tarter, eine der renommiertesten US-Astronominnen und Direktorin des SETI-Instituts, bereits 2007 geprägt. Sie meinte damit Zeichen in der planetaren Umwelt, die auf eine außerirdische Zivilisation mit technologischen Fähigkeiten schließen ließen.
Fortschrittliche Technologie
Mit der Wortschöpfung spielte Tarter ganz bewusst auf die von Astrobiologen längst ins Spiel gebrachten Biosignaturen an, bei denen vor allem dem Vorhandensein des chemisches Elementes Sauerstoff für ein mögliches außerirdisches Leben eine ganz entscheidende Rolle beigemessen wurde. Dass Sauerstoff auch ein kosmischer Schlüssel zur Erschließung fortschrittlicher Technologien auf planetarer Ebene in den Fernen des Alls sein könnte, wurde jüngst durch eine im Fachmagazin „Nature Astronomy“ publizierte Studie zur Diskussion gestellt. Einer der beiden für die Studie Verantwortlichen, der US-Physiker und Astronom Prof. Adam Frank von der University of Rochester, genießt durch populärwissenschaftliche Bücher wie das 2023 veröffentlichte „The Little Book of Aliens“ sowie durch Beiträge für die „New York Times“ oder CNN auch jenseits des wissenschaftlichen Elfenbeinturms einen beachtlichen Bekanntheitsgrad.
Zuvor hatte sich Professor Frank vor allem einen Namen gemacht als führender Experte für die letzten Stadien der Entwicklung von Sternen. Inzwischen hat er sich aber auch der Suche nach Technosignaturen sogenannter Exo-Zivilisationen zugewandt. „Wir kennen bisher nur ein einziges Beispiel für das Vorkommen von Leben, Intelligenz und Technologie im Universum – uns“, so Prof. Frank. „Wir haben daher keine Ahnung, wie wahrscheinlich es ist, dass sich auf einem beliebigen lebensfreundlichen Planeten intelligentes Leben entwickelt.“ Dennoch gehen Schätzungen von Experten des SETI-Instituts davon aus, dass es allein in unserer Galaxie, der Milchstraße, rund 10.000 außerirdische Zivilisationen geben könnte, von anderen Galaxien ganz zu schweigen. Von den in den Medien immer wieder breit getretenen UFO-Märchen hält Prof. Frank rein gar nichts, ihm geht es um subtile Erkenntnisse für außerirdisches Leben in den Untiefen der Galaxien und nicht um vermeintlich „sensationelle Ereignisse in unserer Erdatmosphäre“. Sogar in Kreisen der Nasa wird Prof. Franks Expertise hoch geschätzt, weshalb ihm 2019 die Leitung einer Nasa-Forschungsgruppe zur Untersuchung von Technosignaturen auf fremden Planeten übertragen wurde. Auch die aktuelle Studie, die Prof. Frank gemeinsam mit dem Astronomen und Astrophysiker Prof. Amedeo Balbi von der italienischen Universität Roma Tor Vergata erstellt hat, wurde durch die Nasa mitfinanziert.
Auf der Suche nach dem Potenzial für Leben außerhalb der Erde haben die beiden Forscher nicht die üblichen biologischen, sondern die technologischen Marker in Augenschein genommen. Sie untersuchten dabei den Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Luftsauerstoff und der Entwicklung einer komplexen Technologie. „Wir argumentieren“, so die Forscher, „dass nur Planeten mit erheblichem Sauerstoffpartialdruck in der Lage sein können, fortgeschrittene Technosphären und damit Technosignaturen zu entwickeln, die wir nachweisen können.“ Mit anderen Worten: Außerirdische Zivilisationen mit fortgeschrittener Technologie könnten nur auf Exoplaneten entstehen, deren Atmosphären einen vergleichsweise hohen Anteil an Sauerstoff enthalten. „Wenn man keinen Sauerstoff in der Atmosphäre hat, wird man keine technologische Spezies haben“, so die Wissenschaftler. In einer fernen Welt ohne Sauerstoff könne es zwar womöglich biologisches, vielleicht sogar intelligentes Leben geben, „aber ohne eine Feuerquelle wird man nie eine höhere Technologie entwickeln können, weil höhere Technologie Brennstoff und die Fähigkeit zum Schmelzen von Metallen erfordert.“
Verbrennungsprozesse
Ohne Verbrennungsprozesse hätte kein Material für höhere Technologien hergestellt werden können. „Auf der Erde hat Feuer eine entscheidende Rolle für die Entstehung der menschlichen Zivilisation und die Anfänge der Technologien gespielt.“ Bei der Rückverfolgung der Erdgeschichte stellten die Forscher fest, dass der kontrollierte Einsatz von Feuer und die anschließenden metallurgischen Fortschritte nur möglich waren, wenn der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre mindestens 18 Prozent betragen hatte. „Diese Grenze ist höher als diejenige, die für die Aufrechterhaltung einer komplexen Biosphäre und mehrteiliger Organismen erforderlich ist“, so die Wissenschaftler. Doch experimentelle Studien hätten gezeigt, dass die Untergrenze für viele Verbrennungsprozesse bei rund 16 Prozent Sauerstoff in der Erdatmosphäre angesiedelt sei, dass es aber schon bei unterhalb von 18,5 Prozent Sauerstoffgehalt ein ziemlich schwieriges Unterfangen sei, ein Feuer zu entfachen (aktuell liegt der Sauerstoffanteil in der Erdatmosphäre bei 21 Prozent).
„Das Vorhandensein eines hohen Sauerstoffgehalts in der Atmosphäre ist wie ein Flaschenhals, den man überwinden muss, um eine technologische Spezies zu werden“, so Prof. Frank. „Alles andere mag auch ohne atmosphärischen Sauerstoff funktionieren, eine Technik-basierte Zivilisation ist allerdings unmöglich.“ Bei der künftigen Suche nach außerirdischen Zivilisationen raten die Forscher daher dazu, den Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre von Exoplaneten als eines der wesentlichen Kriterien zu berücksichtigen. Falls der Sauerstoffgehalt dort unter 18 Prozent betragen sollte, spreche vieles dafür, dass es kaum eine fortgeschrittene Zivilisation geben könne. „Der Sauerstoff-Flaschenhals hat damit große Bedeutung für die künftige Suche nach technologischer Aktivität auf Exoplaneten“, so Prof. Frank. Ein reichliches Sauerstoffvorkommen in der Atmosphäre eines Exoplaneten könne daher als eine mögliche Technosignatur angesehen werden, sprich als eine Spur, die auf eine fortgeschrittene Technologie hinweisen könnte. „Wir sollten extrem skeptisch sein“, so Prof. Balbi, „wenn wir potenzielle Technosignaturen auf einem Planeten mit zu wenig Sauerstoff finden.“ Ein hoher Sauerstoffanteil könnte also ein interessantes Ausschlusskriterium für eine ganze Reihe von Exoplaneten sein und dadurch die Zahl möglicher Kandidaten für außerirdische Zivilisationen deutlich verkleinern.