Der vegane Ökolandbau kommt ohne Nutztiere und Düngemittel tierischen Ursprungs aus. Der sächsische Biolandwirt Daniel Hausmann sieht darin Zukunftspotenzial. Sein Traum: Eine bio-vegane Hafermilch aus der eigenen Ernte.
Am Ende eines mit Büschen und Bäumen umrahmten Kopfsteinpflasterweges liegt der Biohof Hausmann. An einem Hofgebäude rankt sich das Efeu bis zum Dach hinauf. Hinter dem Hof liegen grüne Hügel, Felder, Gemüsebeete, Streuobstwiesen und ein Wäldchen. Idylle pur. „Wir sind das letzte Haus und können nach hinten raus machen, was wir wollen“, sagt Daniel Hausmann, 32, der den elterlichen Hof im sächsischen Rochlitz nach dem Tod des Vaters im Jahr 2012 übernommen hat. Seitdem hat sich auf dem Hof einiges verändert. „Mein Vater hat konventionell Getreide angebaut und Rinder gehalten.“ Heute wächst veganes Gemüse und Getreide auf den Äckern.
Hof kommt komplett ohne Nutztiere aus
Vegane Karotten? Tierfreier Hafer? Was viele nicht wissen: Längst nicht jedes vegane Produkt wird auch vegan erzeugt. In vielen landwirtschaftlichen Betrieben werden Gülle, Haarmehlpellets, Hühnerschnäbel oder Hornspäne zur Düngung auf die Äcker gebracht. Die meisten Bio-Betriebe müssen Abfälle aus konventionellen Schlachtbetrieben nutzen, da viel zu wenige Bio-Betriebe Tiere halten. Der Hof von Daniel Hausmann kommt ganz ohne Nutztiere oder tierische Produkte aus. Und hat Erfolg. Der Betrieb wächst. Zu Beginn bewirtschaftete der Landwirt den Hof nur zusammen mit seiner Mutter, heute arbeiten sieben Menschen fest in dem landwirtschaftlichen Betrieb mit, dazu kommen Praktikanten und Freiwillige. Die Anbaufläche hat sich mit 65 Hektar mehr als verdreifacht. Zweimal wöchentlich gehen über 200 Abo-Kisten mit saisonalen Gemüse, Kräutern und Obst in das nur 50 Kilometer entfernte Leipzig.
Dass Daniel Hausmann mal den elterlichen Hof übernehmen würde, war so nicht geplant. Er steckte gerade mitten in der Ausbildung zum Heilerziehungspfleger, als der Vater starb. „Ich wusste, ich muss den Hof entweder jetzt übernehmen oder nie.“ Der Rochlitzer brach seine Ausbildung ab und studierte Ökolandbau und Vermarktung. „Die Rinder haben meine Mutter und ich aus Zeitgründen direkt verkauft.“ Und es sollte noch mehr Veränderungen geben. „Ich wollte die Prozesse auf dem Hof ökologischer gestalten“, sagt Daniel Hausmann, „wollte lieber mit der Natur wirtschaften als dagegen.“ Die Frage war nur: Wie kann das ohne wirtschaftliche Einbußen gelingen? Er wollte mehr Vielfalt auf dem Feld, mehr Lebensräume für Vögel und Insekten. Doch er merkte schnell, dass der konventionelle Anbau ihn in seinen Möglichkeiten einschränkt. „Da ist man sehr begrenzt, vor allem was die Kulturen angeht“, sagt der junge Landwirt. Und so entschieden sich seine Mutter und er zwei Jahren nach der Übernahme dazu, den Hof auf Bio umzustellen.
Es fallen so gut wie keine Abfallprodukte an
„Jetzt bauen wir eine viel größere Fruchtvielfalt an – insgesamt rund 60 verschiedene Kulturen wachsen in den Gemüsebeeten und Gewächshäusern.“ Der Anblick der konventionellen Getreidefelder sei rückblickend recht traurig gewesen. „Da wuchs halt wirklich nur Getreide, kein Unkraut, keine Kräuter, keine Blumen.“ Dementsprechend habe es auch keine Tiere dort gegeben. Schmetterlinge, Bienen, Libellen? Fehlanzeige. „Die haben auf den Feldern schlichtweg nichts zu fressen gefunden.“
Noch im gleichen Jahr entschied sich der überzeugte Veganer dazu, noch einen Schritt weiter zu gehen. „Es hat für mich einfach keinen Sinn gemacht, mich vegan zu ernähren, aber Tiere beruflich auszubeuten.“ Der biozyklisch-vegane Anbau schien für ihn der beste Weg zu sein. Tiere gab es zu dem Zeitpunkt auf dem Hof sowieso keine mehr. „Aber für die Kuh brauchten wir eine Alternative.“ Kompost war die Lösung. „Dort passieren ähnliche Vorgänge wie in der Kuh.“ In der Kuh seien es die Bakterien in den Pansen, die das verfütterte Kleegras umwandeln und nach dem Düngen die Nährstoffe für die Pflanzen und den Boden verfügbar machen. „Die Bakterien im Komposthaufen können das aber genauso gut – halt ohne den Umweg Kuh“, sagt der Biolandwirt. Das Tier selbst produziere schließlich keine Nährstoffe. „Das ist ein Irrglaube. Sie nimmt halt nur die Stoffe, die im Futter sind, auf und wandelt sie um. Aber ob das nun die Kuh oder der Komposthaufen macht, macht keinen großen Unterschied.“ Seine vier Hektar Grünland mäht der Landwirt zweimal im Jahr. „Der Aufwuchs wird geschreddert und auf einen Haufen gelegt, ab und zu gewendet und dann irgendwann als Dünger wieder ausgebracht.“
Ein organischer Stoffkreislauf, auch wenn er nicht wie sonst auf Tieren, sondern auf Pflanzen basiert – daher auch der Begriff „biozyklisch-vegan“. Abfallprodukte fallen auf dem Hof der Hausmanns so gut wie keine an. Einiges müssen sie dazukaufen. „Für das Gemüse brauchen wir teilweise Fertigkompost“, sagt der Landwirt, „denn mit jeder Ernte werden Nährstoffe vom Acker getragen, die wir mit dem Kompost schnell wieder zurückbringen können.“ Das müssten aber auch viele andere Betriebe machen, egal ob bio oder konventionell. „Und für den Folientunnel kaufen wir den Bio-Dünger Kleepura. Die gepressten Weißklee-Pellets sehen aus wie Hasenfutter und riechen auch so.“ Mineralische Dünger oder Erden kommen je nach Bedarf auf die Felder und Beete.
Auf den großen Ackerflächen der Hausmanns wachsen verschiedene Getreidesorten: Dinkel, Weizen, Hafer, Roggen, aber auch Lupine und Leguminosen. Und natürlich Kleegras. „Das bringt auch Stickstoff in den Boden rein, hilft beim Humusaufbau und unterdrückt das Unkraut.“ In dem ehemaligen Kuhstall ist längst ein kleiner Hofladen eingezogen. „Unsere Auswahl dort ist allerdings begrenzt, weil unser Hof eher abseits liegt und niemand zufällig an ihm vorbeifährt.“ Das meiste Gemüse verkauft der Biohof über die Abo-Kisten nach Leipzig. „Unser Getreide geht fast vollständig an den Zwischenhandel oder Großhändler. Je nach Qualität verkaufen sie das dann weiter an verschiedene Mühlen.“ Bei der Vermarktung seiner Ware spielt der biozyklisch-vegane Anbau nur eine begrenzte Rolle. „Es gibt Leute, die unsere bio-veganen Produkte bewusst kaufen, andere wollen einfach nur regionales und saisonales Gemüse haben, denen ist der Anbau egal.“ Beim Bio-Getreide sei der biozyklisch-vegane Anbau kein Verkaufsargument. „Da gibt es leider keinen Markt für – noch nicht. Aber das ist alles im Kommen.“
Auch die Strukturen rund um die biozyklisch-vegane Landwirtschaft befinden sich noch im Aufbau. Der Betrieb von Daniel Hausmann ist Mitglied im Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau. Der Verein ist Teil eines größeren Netzwerks ähnlicher Organisationen in verschiedenen europäischen Ländern und setzt sich für die Weiterentwicklung des biozyklisch-veganen Anbaus ein. Das gemeinsame Ziel: den kreislaufbasierten und veganen Ökolandbau ohne kommerzielle Nutz- und Schlachttierhaltung und ohne den Einsatz von Dünge- und Betriebsmitteln tierischen Ursprungs fördern. Momentan hat der Verein rund 110 Mitglieder. Tendenz steigend. Seit 2022 ist der Biohof Hausmann zudem mit dem Biozyklisch-Veganen Gütesiegel zertifiziert. Damit haben sie schwarz auf weiß, dass ihre Produkte bereits ab Feld vegan sind.
„Keine Probleme, die wir sonst nicht auch hätten“
„Laut Richtlinien müssen mindestens vier verschiedene Kulturarten in Gewächshäusern und Folientunneln wachsen.“ Das sehe nicht nur hübsch aus, sondern sei auch gut für die Biodiversität und das Bodenleben. In den Folientunneln der Hausmanns wachsen pralle gelbe Paprika, rote und grüne Tomaten hängen üppig von den Sträuchern. Zwischen den Gemüsepflanzen lugen bunte Blumen und Kräuter hervor. Ein Schmetterling fliegt durch die Luft. „Wir müssen nicht extra Hummeln bei uns ins Tomatenhaus setzen, die Blüten locken genug Insekten an“, sagt Daniel Hausmann. Die wiederum würden die Tomaten bestäuben. Eine Win-win-Situation. „Und jede Pflanze hat verschiedene Wurzelausscheidungen, sodass auch das Bodenleben unter der Oberfläche angeregt wird.“
Von draußen dringt Entengeschnatter durch die Folie. Daniel Hausmann lacht. „Das sind die einzigen tierischen Bewohner auf unserem Hof“, sagt er und zeigt auf vier Laufenten, die vor einer kleinen Holzhütte in der Nähe des Folientunnels herumwatscheln. „Die haben wir im Frühling besorgt – als Schneckenfresser.“ Nicht nur die Schnecken ärgern den Landwirt, sondern auch Mäuse, die die jungen Wurzeln der frisch gepflanzten Bäume anknabbern sind ein Ärgernis. Aber eines, das viele Landwirte kennen. „Durch die biozyklisch-vegane Landwirtschaft haben wir keine Probleme, die wir sonst nicht auch hätten.“ Nur im Frühjahr muss sich der Landwirt etwas länger gedulden als seine Kollegen in der Nachbarschaft. „Der tierische Dünger wirkt im Vergleich zum pflanzlichen etwas schneller“, sagt der Landwirt, „deswegen dauert es bei uns im Frühling etwas länger, bis beispielsweise der Spinat groß ist.“
Noch werden aus den Produkten der Hausmanns keine veganen Aufstriche, Bratlinge oder Getränke hergestellt. „In unserer Gegend gibt es nicht viele verarbeitende Bio-Betriebe“, sagt der Landwirt. Das sei generell ein Problem in den neuen Bundesländern. „Die Biobewegung gab es im Westen schon viel länger.“ Noch heute sitzen viele verarbeitende Betriebe in den alten Bundesländern. „Fast unser gesamtes Getreide geht in den Westen, der größte Anteil nach Baden-Württemberg.“ Interesse an der Weiterverarbeitung seiner Produkte hätte der Landwirt schon. Gespräche mit einem Betrieb in Brandenburg laufen. „Die machen Hafermilch und wollten in diesem Jahr unseren Hafer kaufen.“ Doch gleich mehrere Hindernisse erschwerten die Zusammenarbeit. „Das Unternehmen produziert glutenfrei, sprich, wir hätten unseren Hafer glutenfrei zertifizieren lassen müssen.“ Ein kompliziertes Verfahren sei das. Auch der logistische Aufwand wäre groß gewesen. Trotzdem hofft Daniel Hausmann, dass es im nächsten Jahr vielleicht klappt. „Sie wollen ihre Hafermilch ,biozyklisch-vegan‘ labeln. Da wären wir einfach gerne dabei.“
Vegane Produkte seien längst Mainstream. „Die Tatsache, dass wir weniger Tiere halten müssen, ist mittlerweile in der breiten Gesellschaft angekommen“, sagt er. Es brauche Alternativen, die weniger ressourcenraubend sind und die weniger Treibhausgase freisetzen. „Die bio-vegane Landwirtschaft ist ein Weg von vielen, die Tierzahlen runterzubekommen.“ Der Landwirt fände es schade, wenn die großen, oft fleischverarbeitenden Konzerne, die jetzt eigene vegane Produkte rausbringen, auch diese Nische besetzen würden. „Schließlich sind es erneut die Bio-Produzenten, die die Idee dazu hatten.“ Bio-vegane Produkte könnten der nächste große Trend sein, davon ist Daniel Hausmann überzeugt. Eine biozyklisch-vegane Hafermilch mit Hafer aus Rochlitz wäre ein Anfang.