Dunkle Ringe unter den Augen und eine explodierende Stromrechnung: E-Sport, der Tür an Tür mit Gaming wohnt, hat nicht das beste Öko-Image. Doch Flutlicht, Schneekanonen und Klimatisierung rauben auch dem klassischen Sport das reine Gewissen.
Alle reden von Nachhaltigkeit. Doch ungern über Vergleiche der Energieverbräuche. FORUM wollte wissen: Wie halten es E-Sportler, respektive wettkämpfende Computer- und Videospieler, mit dem Energieverbrauch? Sind E-Sport-Meisterschaften unterm Strich sogar stromsparender als ein herkömmliches Sportevent? Bei Fußball oder Skispringen wird für Flutlicht und Fans schließlich auch jede Menge Event-Energie benötigt.
Keine Frage: Sparsam Energie einzusetzen ist auch im Sport klimafreundlicher. Weshalb klassische Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele besser nicht an Orten stattfinden sollten, an denen absurd viel Energie gebraucht wird, um die sportlichen Wettkämpfe überhaupt möglich zu machen.
Dann doch besser von „dahoam“ auf der Basis von Chips und Fantasie gegeneinander antreten, oder? – Einer Studie des Digitalverbands Bitkom von 2022 zufolge, spielen 58 Prozent der Computer- und Videospieler online mit anderen. Doch Gamer sitzen nicht mehr nur in dunklen Kellern. Und E-Sport wird nach asiatischem Vorbild zum Volkssport. Ein Hype, der durch Massenveranstaltungen befeuert wird: Professionelle E-Sportler treffen in sagenumwobenen, grandios angelegten Vor-Ort-Wettkämpfen aufeinander.
Sparsame Antworten zu hohem Verbrauch
Die League-of-Legends-Weltmeisterschaft ist das wohl größte E-Sport-Event der Welt. Zur 2022er League of Legends World Championship füllten Tausende Fans die Stadien in Mexiko City, Atlanta, New York und San Francisco. Streaming- und Social-Media-Kanäle holten noch viel mehr Menschen virtuell zu den Live-Erlebnissen vor Ort hinzu. Garniert mit digitalen Spezialeffekten frisst das gemeinsame Fiebern und Feiern Daten, kostet Energie. Ein Jahr zuvor waren 73,9 Millionen Zuschauer weltweit beim WM-Finale „dabei“. E-Sport-Enthusiasten überall auf dem Globus tauchten gemeinsam in Hologramme und Augmented Reality ein. Alles innerhalb des League-of-Legends-Universums. In einer Kombination aus chipbasiertem Sport, spektakulären Musik-Acts, Unterhaltung und Event. Das klingt nach jeder Menge Energie.
Die Spurensuche für Vergleiche gestaltet sich schwierig. Sparsam sind die Antworten, wenn es darum geht, wie viel Strom rund um klassischen, analogen Sport benötigt wird und wie viel für digitales Kräftemessen. Obwohl E- und Rasensport zumindest im Fußball eng verbandelt sind. Und Lizenzen für Bundesligen davon abhängen, ob der Verein E-Sport-Teams im Angebot hat und ob er Nachhaltigkeit nachweist.
Für die Europameisterschaft 2024 machten sich der Deutsche Fußballbund und das Öko-Institut gemeinsam an ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept. Weshalb das Öko-Institut, während es nach Klimaneutralität und Treibhausgaskompensation zur Uefa Europameisterschaft 2024 strebt, auch die ausrichtenden Städte und die Weite des Breitensports und seines Energiehungers thematisiert.
Was zählt am Ende? In seinem Schlussbericht zur „Konzept- und Machbarkeitsstudie für eine ‚klimaneutrale‘ Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft der Herren 2024 (Uefa Euro 2024)“ in Deutschland veranschlagt das „Institut für angewandte Ökologie“ im Juli 2022 einen Elektrizitätsbedarf von 11.000.000 Kilowattstunden in allen Stadien.
Mit dem Transport und der Unterbringung von Sportlern sowie Fans, mit Verpflegung, Fernsehübertragungen und anderen Faktoren kommen bei großen Analog-Sportevents zum Stadionbetrieb außer Flutlicht weitere Posten hinzu, die in die Bilanz der Treibhausgasemissionen mit eingerechnet werden müssen. Insgesamt geht das Öko-Institut, das seit der Fifa WM 2006 den DFB in puncto Umwelt berät und auch Entscheidungshilfen für Vereine und Veranstalter erarbeitet, von 490.000 Tonnen CO₂-Äquivalenten für die Fußball-Europameisterschaft in diesem Jahr aus. Kohlendioxid-Äquivalente dienen hierbei als Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase.
Fußball ist auch jenseits von Länderspielen ein Massenmagnet. Und E-Sport verheißt gute Geschäfte. Den Communitys laufen etwa in der „League of Legends“ Millionen Anhänger zu. Kein Wunder, dass auch für klassische Sportvereine Startplätze in E-Sport-Profiligen interessant sind. Zwei Sport-Welten treffen nutzbringend aufeinander: Doch auch dieses Engagement kostet Energie.
Denn auch virtuelle Fußball-Wettkämpfe ziehen Fans an, auch solche, die sonst am Spielfeldrand sitzen. Die Deutsche Fußball Liga schrieb die Virtual Bundesliga (VBL), einen Online-Spielmodus der Fußballsimulation „Fifa“, als weiteren Wettbewerb in ihren offiziellen Liga-Statuten fest. Seit der Saison 2023/24 müssen im bundesdeutschen Fußball alle Erst- und Zweitligisten laut Lizenzierungsordnung ein eigenes E-Sport-Team in der VBL stellen, um auch virtuell gegeneinander anzutreten. Dazu gehört eine ausgestattete Hauptspielstätte. „Verbraucht ein E-Sport-Event, wenn man eine solche Hauptspielstätte einberechnet, ähnlich viel Strom wie ein analoges Sportevent des jeweiligen Vereins, das beispielsweise Flutlicht, Klimatisierung und eine geeignete Infrastruktur benötigt?“ Dies war eine meiner Fragen an Christopher Holschier, der die Interne Kommunikation und Innovationskommunikation bei der DFL leitet.
Holschier antwortete: „Wie Sie vermutlich wissen, haben die Bundesliga und 2. Bundesliga als erste große Profifußball-Ligen eine verpflichtende Nachhaltigkeitsrichtlinie in ihrer Lizenzierungsordnung verankert. Einen entsprechenden Beschluss hat die DFL-Mitgliederversammlung im Mai 2022 gefasst, seitdem greift ein mehrstufiges Modell der Implementierung. Eine explizite Betrachtung des Stromverbrauchs rund um die Virtual Bundesliga findet dabei allerdings nicht statt, weshalb uns eine Beantwortung Ihrer Fragen leider nicht möglich ist.“
Kompensation und Naturförderung
Wechseln wir von den Spielen der Fußballlegenden zu denen leidenschaftlicher Gamer. Der Olympische Sportbund in Deutschland akzeptiert zwar nur die elektronische Simulation realer Sportarten als „E-Sport“. Zu olympischen Ehren, wie eine abgespeckte Version von „Fortnite“, die so einen Sportschützen-Wettbewerb nachstellen soll, hat es „League of Legends“ nicht gebracht. Doch dieser E-Sport zieht mit seinem Millionenpublikum durchaus Energie. Der Kölner Ökostromanbieter „E Wie Einfach“ betont das soziale Miteinander in regelbasierten E-Sport-Games, die jederzeit online unter mehreren Beteiligten ausgetragen werden könnten. Auch bei „League of Legends“ treten die E-Sportler national und international gegeneinander an. Die E.ON-Tochter lässt deshalb ihr eigenes E-Sport-Team in der Pro Division der Prime League – das Äquivalent zur Bundesliga im Fußball – im taktischen Teamspiel professionell agieren. Weil die Energieanbieter mit der Prime League aus dem Spieler-Kurz-Gruß „GG“ für „Good Game“ ein „Greener Gaming“ machen wollen, haben sie insgesamt 93.193 Kilogramm CO₂-Äquivalente kompensiert. Davon sind 35.084 Kilogramm CO₂-Äquivalente-Emissionen durch Reisen und Verpflegung des eigenen Teams entstanden.
Das „Digitale“ des E-Sports, also der Verbrauch des Equipments plus die Auswirkungen des Datentransfers aller Teams während der gesamten Saison und aller Ligaspiele der Division 1 Strauss Prime League in „League of Legends“, ergaben 58.099 Kilogramm CO₂-Äquivalente-Emissionen. Natur und Indigene einer großen Fläche im kolumbianischen Regenwald profitieren davon, weil ihr Schutz aus deren Kompensation kommt. Außerdem werden Waldökosysteme sowie der Biotop- und Artenschutz im Harz gefördert.
Kompensationsbemühungen hin oder her, es bleibt letztlich schwierig, die Energieverbräuche von Events und Alltagsbetrieb im klassischen und im E-Sport zu vergleichen. Ein Postulat immerhin ist beiden mittlerweile gemein: Das Streben nach dem Besten fürs Klima.