Wie veraltet bin ich und wie verjüngt könnte ich werden?
Zu Beginn des Jahres und mit einer neuen kalendarischen Jahreszahl neigt man dazu, sich schlagartig ein Jahr älter zu wähnen. Aber bei genauerer Betrachtung ist das „Alter“ so vielschichtig wie eine Schwarzwälder Kirschtorte.
Zunächst gibt es das chronologische Alter. Es lässt sich einfach als Differenz aus dem aktuellen Kalenderjahr und dem Geburtsjahr berechnen. Die heutige Schülergeneration kriegt das sehr exakt über die Taschenrechner-App ihres Smartphones hin.
Das komplexere, aber auch interessantere biologische Alter – „Wie gut habe ich mich gepflegt und gehalten“? – kann vom kalendarischen innerlich und äußerlich deutlich abweichen. Es ist unter anderem mit medizinischen Untersuchungsverfahren abschätzbar, aber schwierig und nicht akkurat zu taxieren.
Und dann gibt es wohl noch eine Art sozio-kulturelles Alter. Grob umschrieben: Wie veraltet bin ich im modernen gesellschaftlichen Alltagsleben? Wie selbstständig und politisch korrekt kann ich mich durch die digitale Welt navigieren?
Dieser dritten Dimension des Alters könnte man mit wenigen einfachen Fragen auf den Grund gehen. Zählen Sie mit ihren Fingern ab, wie viele der folgenden neun Fragen Sie eher mit „Ja“ beantworten würden: Finden Sie es gewöhnungsbedürftig, dass Sie als Kunde von wildfremden Ansprechpartnern vieler Firmen und Institutionen zum Beispiel im Internet und Mailverkehr grundsätzlich geduzt werden?
Erinnern Sie sich noch an ein international geachtetes Gütesiegel mit dem Namen „Made in Germany“? (Kleiner Tipp: Mit „Made“ ist in diesem Kontext keine Fliegenlarve gemeint!) Ist es nicht erstaunlich oder sogar ärgerlich, dass die ausufernde Bürokratie vor allem von denen tagtäglich vordergründig verteufelt wird, die sie hintergründig jeden Tag neu befeuern? Finden Sie, dass – bei aller Liebe zur Natur – auch ein Elektroauto mit dem Wort umweltfreundlich nicht korrekt und eher beschönigend tituliert wird?
Empfinden Sie, dass das fußballerische und menschliche Lebenswerk von Franz Beckenbauer in den letzten Jahren medial unfair, verkürzt und heuchlerisch bewertet wurde? Haben Sie lange geglaubt, dass Kinder und Jugendliche gerade in kirchlichen Institutionen und in den Händen kirchlicher Würdenträger gut behütet sind? Ist es auch Ihre Lebenserfahrung, dass „Großes im Kleinen“ nicht immer einfach von selbst entsteht, sondern kreativ und fleißig erarbeitet und geschaffen werden muss?
Hätten Sie es sich eher nicht ausmalen können, dass ein Medizinprofessor einer staatlichen Universität noch nebenbei ganz offiziell und legal einen Cannabisladen betreibt? Halten Sie das folgende Zitat des berühmten römischen Redners Marcus Tullius Cicero auch heute noch für angebracht: „Der Staatsdienst muss zum Nutzen derer geführt werden, die ihm anvertraut werden, nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist.“
Zur Auswertung: Haben Sie mindestens sieben der neun Fragen bejaht, dann gehören Sie gesellschaftlich wahrscheinlich zum alten Eisen und setzen zunehmend Rost an. Wenn Sie nicht gegensteuern, sind Sie bald zu alt und schwerfällig, um im gesellschaftlichen Mainstream mitschwimmen zu können. Aber kein Grund zur präsenilen Panik! Denn nach der Diagnose kommt die Therapie.
Das sind die Rezepte, die wie ein Jungbrunnen wirken: Nehmen Sie die zahlreichen (leider nicht ganz billigen) Angebote zur Online-Verjüngungskur durch selbsternannte „Coaches“ oder „Influencer“ in Anspruch. Dringend sollten Sie ein eigenes Profil auf allen sozialen Medien einrichten und bei vielen anderen zum globalen „Follower“ werden. Beachten Sie die richtige Dosis: Bei unter fünf Stunden täglich vor Smartphone und Computer ist kein nachhaltiger Effekt und Therapieerfolg zu erwarten. Nehmen Sie sich ein Beispiel an der jungen Generation, die das diszipliniert und ohne zu jammern durchzieht.
Zusammenfassend: Das chronologische Alter unterliegt den nicht manipulierbaren Gesetzen der Mathematik. Das biologische und sozio-kulturelle Alter liegt zumindest teilweise in den eigenen Händen – und nicht zu vergessen auch im eigenen Kopf.