Die feministische Entwicklungspolitik Deutschlands wird belächelt. Das eigentliche Ziel rückt dabei in den Hintergrund. Wer ein Land widerstandsfähig machen will, sollte nicht die Hälfte der Menschen außen vor lassen.
Fällt das Wort „Feminismus“, verdrehen viele Menschen die Augen. So auch, als Svenja Schulze (SPD) eine „feministische Entwicklungspolitik“ verkündete. „Viele machen sich über den feministischen Ansatz des Auswärtigen Amtes und des BMZ lustig. Aber das ist kein oberflächliches Konzept“, sagt Marek Burmeister von der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt (ASW).
Die ASW unterstützt Nichtregierungsorganisationen (NGO) des Globalen Südens, insbesondere in der Förderung von Frauen. Der Referent für Öffentlichkeitsarbeit scheint zu wissen, was die Bedürfnisse afrikanischer Frauen sind. Oder, Herr Burmeister? „Fragen Sie die Frauen in Afrika“, lautet seine Antwort.
Rechte, Ressourcen und Repräsentation
Gesagt, getan. Ini Damien kämpft in der 1992 gegründeten NGO APFG für Frauenrechte in Burkina Faso. Fragt man sie, was Frauen in Afrika brauchen, lautet die Antwort: Ruhe, Sicherheit, Frieden, soziale Gerechtigkeit. Klingt erstmal nicht feministisch, sondern nach grundlegenden Menschenrechten. „Bei der Diskussion über feministische Außenpolitik ist ein bisschen in den Hintergrund geraten, dass es sich dabei eigentlich um eine Friedenspolitik handelt“, sagt Marieke Fröhlich. Bei der Entwicklungspolitik würde das schon deutlicher. Sie arbeitet bei Venro, dem Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe, unter anderem in der Arbeitsgruppe Gender.
Der Vorteil des feministischen Ansatzes des BMZ liegt laut Fröhlich im Verständnis dessen, was Ungleichheit auslöst: gesellschaftliche Strukturen, die sich gegenseitig beeinflussen. Feministische Ansätze betrachten den gesamten Kontext, um diese Ungleichheit aufzulösen. Dabei geht es nicht nur um Frauen, sondern auch um marginalisierte Gruppen, beispielsweise Menschen mit Behinderung. Die Idee dahinter: Menschen erfüllen in einer Gesellschaft unterschiedliche Rollen. Werden sie an den Rand gedrängt, sind sie weniger widerstandsfähig. Die Klimakrise oder Pandemien betreffen alle, die schwächeren Teile einer Gesellschaft treffen sie allerdings viel stärker. Denn aus welchen Ressourcen sollten diese schöpfen, um sich dagegen zu wehren?
Zum antikolonialistischen Ansatz des BMZ gehört zu hinterfragen, ob ein deutsches Ministerium beurteilen kann, was Frauen und marginalisierte Gruppen in Afrika brauchen. Ja, lautet die Antwort von Ini Damien. „Die Deutschen haben eine lange Erfahrung in der Begleitung von Frauen und benachteiligten Gruppen in Afrika, insbesondere in Burkina Faso.“ Dass Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen im Mittelpunkt der Strategie stehen, deckt sich mit dem, was Ini Damien sich von Deutschland wünscht: dass Frauen und ihre Verbände auf allen Ebenen stärker einbezogen werden, die Geschlechterfrage bei Projekten berücksichtigt wird und Frauen vor allem wirtschaftlich unterstützt werden.
„Wir wissen, dass Frauenrechts- und LGBTIQ+-Organisationen die ersten sind, die unterdrückt werden, wenn der zivilgesellschaftliche Handlungsraum schrumpft. Das sehen wir besonders in autokratischen Staaten und jenen, die sich in diese Richtung bewegen“, sagt Marieke Fröhlich. Wenn die Hälfte der Menschen in einer Gesellschaft kein Mitspracherecht in politischen Entscheidungsgremien, keinen Zugang zu finanziellen Mitteln, Trinkwasser, Menstruationsprodukten, Verhütungsmitteln und medizinischer Versorgung hat, wie soll sie sich gegen Kriege, Krankheiten und Dürren wappnen?
Frauen machen laut BMZ weltweit 43 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskraft, aber nur 15 Prozent des Landbesitzes aus. Auch in vielen Ländern Afrikas beackern sie das Land, dürfen es aber nicht besitzen. Ernährungssicherheit kann laut Svenja Schulze nicht entstehen, wenn diejenigen, die das meiste Knowhow besitzen, das Land nicht verwalten dürfen. In Sambias Hauptstadt Lusaka werden Frauen in einem Projekt geschult, damit sie sich in den Bezirksentwicklungsausschüssen einbringen können, die die lokale Wasserversorgung gestalten. Sie sind diejenigen, die meist alleine den Haushalt führen und wissen, wie viel Wasser wo verbraucht wird. Warum sie also bei den Entscheidungen des Stadtrates außen vor lassen?
Frauen und marginalisierte Gruppen sollten sich ihre Rechte einfordern können. Das ist aber nicht möglich, wenn sie nicht wissen, welche Rechte sie überhaupt besitzen. Deshalb unterstützt die deutsche ASW Organisationen in Togo, Senegal, Simbabwe, Burkina Faso und in der Westsahara, die genau das tun. Ini Damiens burkinische APFG hilft Kleinbäuerinnen dabei, sich auf dem Land zu organisieren. Gleichzeitig schult sie Multiplikatorinnen vor Ort, die ihr Wissen in die Dorfgemeinschaften weitertragen. So können Frauen sich zusammenschließen und ein neues Selbstbewusstsein entwickeln.
Laut dem Bundessozialministerium leben 80 Prozent der Frauen Afrikas auf dem Land und sind zu 63 Prozent in der Produktion tätig. Trotzdem haben sie nur begrenzten Zugang zu Krediten oder Produktions- und Verarbeitungsanlagen. Obwohl der afrikanische Kontinent den höchsten Anteil an Unternehmerinnen in der Welt hat, besteht laut der panafrikanischen Initiative Affirmation Finance Action for Women in Africa (AFAWA) eine geschätzte Finanzierungslücke von 42 Milliarden Dollar für afrikanische Frauen in den gesamten Geschäftswertschöpfungsketten. Für sie gelten hohe Zinssätze bei den Kreditvergaben, was Investitionen risikoreicher macht.
Zivilgesellschaft stärken, Frauen fördern
Was die Akteurinnen in Afrika laut Marieke Fröhlich deshalb bräuchten, sei finanzielle Unterstützung. Deutschland habe zwar ein System, das seinen Partnerorganisationen eine spezifische Finanzierung mit viel Freiheit für die Antragstellenden biete. Es sei allerdings nicht förderlich, dass dem BMZ die Mittel für Entwicklungspolitik um 1,5 Milliarden Euro gekürzt wurden. Fröhlich fordert einen Innovationsfonds, der es möglich macht, in neue Ansätze zu investieren. „Frauenrechts-, LGBTIQ+- und feministische Organisationen sind weltweit drastisch unterfinanziert“, kritisiert sie. Ohne finanzielle Mittel könne sich eine Politik, die Frauen und Männer gleichberechtigt, nicht nachhaltig etablieren.
Auch laut Marek Burmeister kann diese Art der Entwicklungspolitik nur funktionieren, wenn sie verbunden sei mit einem global gerechten Wirtschaftssystem. Ansonsten könne sich zwar auf lokaler, jedoch kaum auf zwischenstaatlicher Ebene etwas verändern. Auch auf Bundesebene gibt es für ihn noch zu viele Beharrungskräfte. „Welche Bedeutung hat das BMZ, welche Bedeutung hat die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik?“, fragt er. Er fordert mehr politische Kohärenz zwischen den Ministerien.
Zivilgesellschaft stärken, lautet der Appell von Marieke Fröhlich. Und: den Akteurinnen vor Ort vertrauen. Denn die Menschen des afrikanischen Kontinents wüssten ihre Probleme zu lösen. Deutschlands Aufgabe sei lediglich, sie dabei zu unterstützen. „Wir sind die Lösung“, gibt Ini Damien zu verstehen. Frauenorganisationen an der Basis sollten die Führung übernehmen. Die Annahme, dass die Lösung in Deutschland zu verorten sei, sei ein koloniales Denkmuster, erklärt die Expertin.
Was die rollenden Augen und den „Feminismus“ betrifft, so muss er laut Fröhlich ja nicht in jedem Kontext auftauchen, damit der Inhalt verfolgt wird. Allerdings: Selbst in Deutschland sind Frauen und Männer seit 75 Jahren vor dem Gesetz gleich, in Realität aber noch immer weit davon entfernt. Was Gesetz ist, wird nicht automatisch gelebt. Also muss es wohl extra betont werden: Frauenrechte sind Menschenrechte.