In fünf Jahren müssen Betreiber von Kläranlagen Phosphor aus Klärschlamm recyceln. Diedrich Steffens, Vorstandsmitglied der Deutschen Phosphor-Plattform, spricht über gesetzliche Hürden und erklärt, wozu man Phosphor eigentlich braucht.
Herr Steffens, was bringen wiederaufbereitete Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff für die Böden und Pflanzen?
Phosphor und Stickstoff sorgen dafür, die Bodenfruchtbarkeit stabil zu halten. Ein Problem ist allerdings, wenn wir zu viele Nährstoffe pro Fläche ausbringen, wie etwa im Fall der großen Mastbetriebe in Weser-Ems und im Raum Cloppenburg. Dann werden die Böden überfrachtet und sie können die Nährstoffe nicht mehr halten. Das hat zur Folge, dass Nitratauswaschungen drohen, die wiederum unser Trinkwasser belasten können. Je höher die Viehdichte in einem Landkreis ist, desto mehr sind die Böden mit Phosphat und Stickstoff versorgt. Wir in Deutschland haben im Vergleich zu anderen Ländern eine gute Nährstoffversorgung der Böden – ganz anders als in Brasilien oder in etlichen Entwicklungsländern.
Was können Phosphor-Rezyklate und organischer Dünger aus menschlichen Ausscheidungen?
Sie können einen großen Beitrag für die Landwirtschaft leisten. Wir können mit Phosphor-Rezyklaten aus Klärschlamm unabhängiger werden von den Importen von mineralischen Phosphaten, zum Beispiel aus Marokko oder Tunesien. Zwar geht der Klärschlamm seit jeher auf die Felder zurück. Aber im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ist unser Klärschlamm zunehmend stärker belastet, vor allem durch organische Schadstoffe wie Arzneimittelrückstände oder Mikroplastik, welches unter anderem durch den Abrieb von Textilfasern in der Waschmaschine stammen kann. Deswegen hat man hierzulande 2017 die Klärschlamm-Verordnung novelliert. Allerdings hat es große Diskussionen darüber gegeben.
Es gibt zahlreiche Verfahren zur Klärschlamm-Behandlung und einen Ansatz, bei dem menschliche Ausscheidungen getrennt gesammelt und aufbereitet werden. Was ist das Für und Wider?
In meinen Augen ist die Aufbereitung von Inhalten aus Trockentoiletten eine Nischenlösung. Auch in privaten Wohnhäusern bedeutet das einen enormen technischen und logistischen Aufwand. Das Phosphat ist relativ sauber, jedoch ist es problematisch, dass Arzneimittelrückstände zurückbleiben könnten. Es gibt hierzulande eine große Breite an Phosphor-Rückgewinnungsverfahren. Alle Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile, jedoch rechnet sich jedes einzelne.
Zum Beispiel?
Im Struvit-Verfahren zum Beispiel wird bereits im Abwasserstrom der Phosphor herausgelöst.
Bei Struvit handelt es sich um Magnesium-Ammonium-Phosphat, welches eine sehr gute Ertragswirksamkeit aufweist und nun auch für den ökologischen Landbau zugelassen ist. Darüber hinaus gibt es thermo-katalytische Verfahren wie das Pyreg-Verfahren, bei dem getrockneter Klärschlamm zu einem Karbonisat pyrolysiert wird. Beim Euphore-Verfahren wird ebenfalls getrockneter Klärschlamm in einem Drehrohr unter Zugabe von Chloriden verbrannt. In großen Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen wird getrockneter Klärschlamm ohne Zugaben verbrannt. Die dabei entstehende Asche muss aber weiter chemisch behandelt werden, um daraus einen Phosphor-Dünger zu produzieren.
Sollte die Düngemittelverordnung so angepasst werden, dass auch neuartige Düngemittel-Typen wie das Karbonisat zugelassen werden können?
Laut der Düngemittelverordnung sind verschiedene Produkte wie etwa Klärschlamm-Asche und auch Struvit zugelassen. Allerdings hat der Gesetzgeber eine kleine Hürde eingezogen: In den Phosphor-Rezyklaten müssen mindestens 2,5 Prozent wasserlöslicher Phosphor sein. Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, die Düngemittelverordnung dahingehend zu ändern, dass für aschebasierte Phosphat-Rezyklate, zum Beispiel nach dem Euphore-Verfahren, die Wasserlöslichkeit entfällt. Wir schlagen vor, die Löslichkeit eines solchen Phosphat-Düngers mit den Extraktionsmitteln Neutral-Ammoncitrat-Lösung oder Zitronensäure zu bestimmen. Davon erhoffen wir uns, dass möglichst viele Phosphor-Recyclingprodukte nach dem Düngemittelgesetz zugelassen werden.
Was sind weitere Forderungen?
Der Gesetzgeber schreibt vor, dass der Klärschlamm bereits düngemittelrechtlich anerkannt sein muss, um daraus ein Phosphor-Rezyklat zu produzieren. Wenn ich also aus der Klärschlamm-Asche ein Düngemittel herstellen will, muss der Klärschlamm bereits zugelassen sein. Dadurch aber wird die Kreislaufwirtschaft sehr stark eingeschränkt, weil durch bestimmte Verfahren Phosphor-Düngemittel hergestellt werden können, die sehr geringe Konzentrationen an Schwermetallen aufweisen. Bundesweit werden zurzeit Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen geplant, so zum Beispiel in der Stadt Gießen. Unsere Hauptforderung ist daher, dass die Betreiber von Phosphor-Rezyklierungsanlagen eine Investitionssicherheit haben.
Welche Hürden müssen überwunden werden?
Pyrolyse-Produkte aus Klärschlamm sind zurzeit nicht als Düngemittel zugelassen, obwohl eine Studie vom hessischen Umweltministerium gezeigt hat, dass der Phosphor in einem Pyrolyse-Produkt sehr gut von den Pflanzen aufgenommen wurde. Das Problem bei diesen Produkten ist der relativ hohe Anteil an Kohlenstoff. Wir als DPP haben den Arbeitskreis Pyrolyse eingerichtet und warten nun darauf, dass die Akteure aktiv werden.
Zuletzt hat das Verwaltungsgericht Regensburg den geplanten Bau einer Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage im bayerischen Straubing gestoppt. Geklagt dagegen hatte unter anderem der BUND Naturschutz in Bayern. Woran liegt das?
Die große Anlage sollte nach den Planungen des Betreibers die Klärschlämme aus den umliegenden Ortschaften verwerten. Durch die ungünstigen Anfahrtswege hätte allerdings das Produkt einen hohen CO2-Fußabdruck hinterlassen. In dem vom BUND in Auftrag gegebenen Gutachten wird empfohlen, besser kleinere, dezentrale Anlagen zu bauen. Dass der Klage stattgegeben wurde, halte ich nicht für ungewöhnlich, denn Bürgerinitiativen klagen immer wieder auch andernorts gegen den Bau großtechnischer Anlagen, wie zum Beispiel gegen ein Batteriewerk in Schleswig-Holstein.
Was können Sie und Ihre Mitstreiter tun, um für Recyclingdünger die gesellschaftliche Akzeptanz zu steigern?
Indem wir diese Thematik immer wieder ansprechen und darauf hinweisen, dass es nicht mehr lange dauert bis 2029. In fünf Jahren sind die Betreiber von Kläranlagen und Klärschlammverbrennungsanlagen dazu verpflichtet, Phosphor rückzugewinnen. 2032 endet die Übergangsfrist, das heißt bis dahin müssen die Betreiber das Phosphor-Recycling aus Klärschlämmen umgesetzt haben. Wir müssen die verantwortlichen Player, sprich die Kommunalpolitiker, davon überzeugen, dass sie schneller handeln und die Vorgabe der Verordnung frühestmöglich umsetzen.