Was lange währt, kann trotzdem zu heftigen Diskussionen führen. Die großen Ziele im Landesentwicklungsplan 2030 sind eher unstrittig. Aber an den vorgeschlagenen Umsetzungen scheiden sich die Geister.
Es ist längst Zeit für einen neuen Landesentwicklungsplan. Der letzte, der verabschiedet worden war, sollte ursprünglich nur bis 2016 gelten. Noch in der Vorgängerregierung hatten der damalige Innenminister Klaus Bouillon (CDU) und Umweltminister Reinhold Jost (SPD) mit einem neuen Ansatz daran gearbeitet. Ziel war, die bislang getrennten Teilbereiche für „Siedlung“ und „Umwelt“ zu einem einheitlichen Landesentwicklungsplan, kurz LEP, zusammenzuführen. Das erwies sich allerdings als komplexer, als wohl zunächst angenommen. Jedenfalls kam es in der Zeit der Großen Koalition nicht mehr zustande.
Im vergangenen Jahr hat nun Reinhold Jost, inzwischen Innenminister in der SPD-Alleinregierung, seinen Entwurf für einen „Landesentwicklungsplan 2030“ vorgelegt. Der wurde im August im Kabinett verabschiedet und ging damit in die Anhörung.
Komplexe Abstimmungen
Damit gibt es nun aus dem früheren Teilbereich „Siedlung“ und „Umwelt“ eine zusammengeführte Planung. „Siedlung“ hatte die Anpassung der Siedlungsstruktur an die demografischen und wirtschaftlichen Veränderungen zum Inhalt und Themen wie zentrale Orte, Siedlungsschwerpunkte, Gewerbe- und Industriestandorte und Verkehrsinfrastruktur geregelt. „Umwelt“ hat sich um Flächennutzung, Umweltschutz und Infrastruktur gekümmert, konkret etwa um Vorranggebiete für Windenergie, Standortbereiche für die Gewinnung von Rohstoffen und Schutzgebiete für Natur und Landschaft.
Was nun an Zielen im Landesentwicklungsplan formuliert ist, liest sich auf den ersten Blick wie eine kaum lösbare Aufgabe. Schließlich sollen alle diese Aspekte, die sich zum Teil widersprechen, in einer einigermaßen einheitlichen Planung austariert werden. „Die unterschiedlichen Anforderungen an den Raum sind aufeinander abzustimmen, Konflikte sind auszugleichen und es ist Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raumes zu treffen“, heißt es im Entwurfstext.
Das Land hat in seiner Kleinheit sehr unterschiedliche Gesichter: verdichtete Ballungsräume ebenso wie großflächig geschützte Landschaften mit hohen Naturschutz- aber auch Freizeit- und Erholungswert.
Der Landesentwicklungsplan listet eine Reihe übergeordneter Ziele auf, an denen sich die später detailliert aufgelisteten Festlegungen orientieren.
An erster Stelle steht dabei natürlich die Daseinsvorsorge. Die umfasst alle Bereiche der öffentlichen Dienstleistungen, Bildung, Gesundheit, Arbeit, Kultur, Verkehrswesen und Kommunikation und deren sozialen und technischen Infrastrukturen. Deren Entwicklung muss die demografische Entwicklung berücksichtigen: Das Land steht „in einem dauerhaften demografischen Schrumpfungsprozess und wirtschaftlichen Strukturwandel, sodass Landesentwicklungsstrategien ein besonderes Augenmerk auf die Sicherung der Daseinsvorsorge richten müssen“. Die saarländische Bevölkerung schrumpft, die Einwohnerzahl ist trotzdem leicht durch den Zuzug von Migranten gestiegen.
Zugleich soll bei allen Maßnahmen Nachhaltigkeit Maßstab sein. Für eine Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie wird angekündigt, dass die „konkreter, nachvollziehbarer sowie zukunftsfokussierter und auf Basis einer konstruktiven Zusammenarbeit in Form einer die Zivilgesellschaft durch eine durchdachte und ehrliche Beteiligung mitnehmenden Art praxistauglicher“ gemacht werden soll. Schon die Formulierungen lassen vermuten, dass das nicht immer konfliktfrei vonstattengehen wird.
Etwas irritierend bei den übergeordneten Zielen wirkt zunächst der Begriff der „dezentralen Konzentration“. Gemeint ist damit, dass sich Entwicklungsaktivitäten auf „regionale Kristallisationspunkte“ konzentrieren sollen, was einerseits zur Entlastung von Ballungsräumen führt, gleichzeitig aber zur Stabilisierung von strukturschwächeren Räumen beitragen soll.
Ähnlich gilt das dann auch für das Prinzip der „kompakten Siedlungsstruktur der kurzen Wege“ für eine flächensparende und ressourcenschonende Entwicklung. „Ziel ist die Schaffung kompakter städtebaulicher Strukturen mit einer engeren Verflechtung von Wohn- und Arbeitsplatzstandorten, von zentralen Einrichtungen der Daseinsvorsorge sowie von Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen“.
Auf dem Wohnungsmarkt gibt es das bekannte Phänomen, von einerseits überdurchschnittlichen Leerständen, andererseits einem qualitativen Wohnraumbedarf, als angepasst an veränderten Bedürfnisse. Der LEP formuliert das Ziel einer „Siedlungsstruktur der kurzen Wege“, wobei Daseinsgrundfunktionen wie Wohnen, Arbeiten, Bilden, Versorgen, Verkehrsteilnahme und Freizeit „kleinräumig verbessert werden“ sollen.
Klimawandel wirkt sich in vielen Bereichen aus
Zu den konkret ausgeführten Zielen gehört das Flächensparziel. Bis 2030 soll „ein täglicher Flächenverbrauch von 0,5 ha nicht mehr überschritten“ werden. Zum Vergleich: zwischen 2015 und 2018 lag er durchschnittlich bei 0,8 Hektar täglich. „Über den Schutz der Biodiversität und weiterer Öko-Systemleistungen der Freiflächen hinaus kommt dem Freiflächenschutz, insbesondere in Anbetracht des Klimawandels und des Bedarfs an Retentionsflächen bei Starkregenereignissen sowie in Anbetracht des Bedarfs an land- und waldwirtschaftlichen Nutzflächen, auch im Rahmen der Umweltprüfung bei Raumordnungsplänen ein hohes Gewicht zu.“
Für die Planungen spielen die Folgen des Klimawandels in unterschiedlicher Hinsicht eine Rolle. Das Land gilt als „bioklimatisches Belastungsgebiet für Hitzefolgen“, und das „mit einer Tendenz zu wärmerem und feuchterem Klima“, was konkret beispielsweise heißt, dass „dem vorbeugenden Hochwasserschutz genauso wie der Starkregenvorsorge ein hoher Stellenwert einzuräumen“ ist.
Zu diesen übergeordneten Zielen werden die konkreten Maßnahmen sehr detailliert ausgeführt. Der Teufel steckt schließlich im Detail. Während es bei den großen Zielvorstellungen kaum Dissens gibt, entzündet sich viel Kritik eben dann, wenn es konkret wird.
Im Beteiligungsverfahren sowie der Anhörung sind 359 Stellungnahmen abgegeben worden und 1.287 „abwägungsrelevante Anregungen“. Damit war die Resonanz offenbar höher als erwartet. Das Ministerium will dem jedenfalls Rechnung tragen, alles intensiv prüfen. Damit verschiebt sich die geplante Verabschiedung. Nachdem aber über Jahre keine Aktualisierung der Landesentwicklungsplanung zustande gekommen war, und angesichts der Komplexität, wenn zwei Pläne, die für sich alleine schon komplex waren, zusammengeführt werden, dürfte das verschmerzbar sein. Und zudem ist die Landesregierung angesichts der teils sehr heftigen Debatten sich gut beraten, nach dem vielzitierten Motto zu verfahren, wonach Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht. Schließlich geht es um Grundlagen für Planungen, deren Auswirkungen sehr konkrete Konsequenzen für die Entwicklungen vor Ort haben.