Konsequente Weiterentwicklung statt Umbruch. Die HG Saarlouis spielt eine gute Saison und will mit nahezu dem gleichen Kader im nächsten Jahr noch mehr „Gas geben.“ Obwohl ein echtes Schwergewicht dann fehlen wird.
Bei Handball-Drittligist ist derzeit vieles in Bewegung – auf dem Feld und daneben. Während die junge Mannschaft schon lange fest zu den Besten Fünf der Staffel Süd-West gehört, wird im Hintergrund am Kader für die neue Saison gearbeitet. Dabei spielen zwei nicht nur im saarländischen Handball prominente Namen eine große Rolle: Mit Yves Kunkel kommt ein Ex-Nationalspieler zurück an seine alte Wirkungsstätte und mit Darius Jonczyk wird ein Urgestein seine Karriere beenden. Doch der Reihe nach.
Ein Abwehrchef wird noch gesucht
„Punktetechnisch sind wir voll im Soll und wir haben auch eine sehr gute Entwicklung hingelegt“, freut sich HG-Trainer Philipp Kessler: „Wir hatten zwischenzeitlich einen wirklich starken Lauf mit neun Siegen und einer denkbar knappen, vermeidbaren Niederlage aus zehn Spielen.“ Die Niederlage war ein 34:35 zu Hause gegen den klaren Tabellenführer und Aufstiegs-Favorit TuS Ferndorf. Erst die deutliche 32:39-Auswärtspleite beim Longericher SC Mitte Februar ließ die Serie reißen. Dort fehlten den Saarländern allerdings einige Leistungsträger verletzungsbedingt, darunter Spielmacher Tom Paetow, Kapitän Lars Walz und Kreisläufer Sam Richard. „Am Ende haben wir den Faden verloren und es dann unnötigerweise in dieser Höhe verloren“, hadert Kessler, aber findet: „Das gehört auch zum Entwicklungsprozess und hat den Spielern gutgetan, die Einsatzzeit sammeln konnten.“ Beispielsweise Kevin Szep-Kis, der Paetow im zentralen Rückraum ersetzte.
Nicht zu ersetzen sein wird Darius Jonczyk. Das 39-jährige HG-Urgestein hört nach der laufenden Runde mit dem aktiven Handballspielen auf. Mit emotionalen Worten in einem offenen Brief auf der Internetseite des Vereins hat sich der Kult-Torwart, der von vielen liebevoll nur „Der Dicke“ genannt wurde, den Fans erklärt. „Die erste Zeit, nach dem es raus war, war schon heftig“, gibt Jonczyk zu: „Inzwischen ist aber die Freude auf das, was in der Handballrente noch kommt, größer geworden.“ Der Vater von drei Kindern will sich künftig vermehrt seiner Familie widmen. Ob er dem Verein gleich nach der aktiven Karriere in einer anderen Funktion erhalten bleibt oder eine echte Handballpause einlegt, ist derzeit noch offen. „Es wäre auch sicher mal nicht schlecht, sich mal eine gewisse Zeit komplett auszuklinken und die Akkus wieder aufzuladen, bevor man sich eine Aufgabe sucht“, findet er.
Den Zeitpunkt für seinen Abschied hält er für genau den richtigen. „Ich habe eigentlich immer gesagt, dass ich sofort Platz mache, wenn aus der Jugend ein Überflieger kommt. Das war in den vergangenen Jahren nicht unbedingt der Fall, aber irgendwann muss ich auch mal einen Schlussstrich ziehen“, sagt er: „Mein Körper sagt mir schon seit einiger Zeit, dass er mal seine Ruhe haben will. Vor allem nach den Spielen am Wochenende. Und ich kann ja nicht bei einem Spaziergang mit meiner Frau alle 200 Meter eine Schmerztablette einwerfen.“ Ein bisschen Bammel vor dem letzten Heimspiel am 25. Mai hat er aber schon. „Im Moment verdränge ich das noch“, sagt er: „Ich genieße jedes Training und jedes Spiel bis dahin. Ein bisschen Zeit habe ich ja noch. Aber wenn es soweit ist, wird der Abschied sicher schwer.“ Schon jetzt melden sich frühere Weggefährten in den sozialen Netzwerken zu Wort und kündigen ihr Kommen an – darunter der frühere HG-Trainer Andrej Gulbicki oder Jonczyks langjähriger Mitspieler und Freund Danijel Grgic.
Bis die große Darek-Abschiedsparty stiegen kann, will die Mannschaft am liebsten so weitermachen wie bisher: „Wir haben geschafft zu erfüllen, was von uns erwartet wurde. Das gilt für das Trainerteam wie auch für die Mannschaft“, findet Trainer Philipp Kessler und ergänzt: „Natürlich wollen wir in den Top Fünf bleiben, den Platz haben wir uns hart erarbeitet. Aber ich will unser Saisonziel gar nicht am Tabellenplatz festmachen. Mir geht es darum, dass wir weiter an unseren Prozesszielen arbeiten und diese Schritt für Schritt umsetzen.“ „Wenn wir noch Dritter werden sollten, wäre das schon eine richtig fette Aktion“, findet Darius Jonczyk, der seine letzte aktive Saison gerne mit einem Erfolgserlebnis beenden möchte: „Dann wären wir gleich hinter den beiden Favoriten, die auch richtig Kohle in ihre Kader stecken. Auf jeden Fall will ich alle restlichen Heimspiele gewinnen.“
Das Team bleibt zusammen
Wie das gelingen kann, scheint klar zu sein: „Wir spielen sehr attraktiven Handball, haben – gemessen am Tore-Durchschnitt – den besten Angriff der Liga, spielen ansehnlichen Tempo-Handball und sind damit auch noch erfolgreich“, betont Philipp Kessler selbstbewusst. Natürlich gebe es aber auch Punkte, die besser werden müssen wie der Positionsangriff und vor allem die Abwehrarbeit: „Dass wir auch mehr Gegentore kassieren als andere Teams, ist auch unserem Spielstil geschuldet – aber nicht nur!“, stellt der Cheftrainer klar und ergänzt: „Deshalb erwarte ich hier von der Mannschaft mehr und es wird ein Schwerpunktthema insbesondere für die neue Runde sein. Hier müssen wir besser werden und das wird auch so kommen.“ Beziehungsweise wird „einer“ kommen. Nämlich ein erfahrener Akteur für das Abwehrzentrum – ob Kreisläufer oder Rückraumspieler, ist noch offen. „Ein Drecksack, der hinten den Laden zuhält und dabei so viel Angst bei den Gegenspielern verbreitet, dass keiner von Ihnen in die Abwehr springen will“, wie es Darius Jonczyk beschreibt. „Wir wissen, dass viele Vereine solche Spieler für diese wichtige Position suchen. Wir werden sehen, was hier für uns infrage kommt. Klar ist, dass es sportlich, menschlich und auch finanziell passen muss“, sagt Kessler und ergänzt: „Ansonsten bleibt der Kader zusammen.“ Einziger Abgang neben Jonczyk, dessen Nachfolger zeitnah bekanntgegeben wird, ist Kevin Suschklik. Mit ihm hatte sich die HG „in beiderseitigem Einvernehmen“ bereits Ende Februar auf eine sofortige Trennung geeinigt.
Quasi im gleichen Atemzug veröffentlichte der Verein die Verpflichtung von Gil Kunkel. Der 18-jährige Jugendnationalspieler und Bruder des im Sommer zurückkehrenden Yves Kunkel (derzeit bei Ligakonkurrent TV Homburg) durfte zuvor bei der GWD-Minden Bundesliga-Luft schnuppern. Bei der HG ist er schon jetzt in der A-Jugend, in der 2. Mannschaft und auch in der 3. Liga spielberechtigt. Neben den erfahrenen Lars Weissgerber und Lars Walz sowie den Talenten Tim Altmeyer und Philipp Petschick gehört Gil Kunkel zur fünfköpfigen „Linkshänder-Bande“, die für eine starke Konkurrenzsituation sorgt. „Für mich als Trainer ist es auch wichtig, dass die Mannschaft zusammenbleibt und wir mal mit dem, was wir uns aufgebaut haben, weiterarbeiten können und uns nur punktuell verstärken“, sagt Kessler und kündigt an: „Nächstes Jahr wollen wir schließlich Gas geben und angreifen.“