Mithilfe seiner Ich-Erzählerin Fanny konstruiert der Autor Jan Koneffke eine Liebesgeschichte um den österreichischen Schriftsteller Joseph Roth. Koneffkes Interesse an ihm entstand, als er entdeckte, dass sein Wiener Wohnhaus im Jahr 1914 die erste Adresse Roths war, nachdem dieser aus Galizien zum Studium hierhergekommen war.
Den ersten Teil des Romans nimmt das Tagebuch der fiktiven Fanny Fischler ein – im Jahr 1914 gerade 18 Jahre alt. Sie ist die älteste Tochter eines sozialdemokratischen jüdischen Schusters. Roth ist der neue Untermieter.
Sie schreibt von heimlichen Begegnungen, Spaziergängen im Prater, gemeinsamen Fahrten auf dem Riesenrad. Doch bald zeigen sich die beiden Gesichter des Joseph Roth: Das des warmherzigen Literaturbegeisterten und das des arroganten Studenten, der Frauen als intellektuell nicht ebenbürtig betrachtet. Fannys Tagebuch endet wie ihre Beziehung zu Roth mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Der zweite Teil des Romans ist ihre Erzählung als inzwischen greise Fanny über den zweiten Sommer mit Joseph Roth, den zweiten Teil ihrer Liebe. Fanny ist es gelungen, 1938 gerade noch rechtzeitig aus Österreich zu fliehen. In Paris begegnet sie zufällig ihrer ersten Liebe, doch Roth ist gealtert, vom Alkohol gezeichnet, seine krankhafte Eifersucht prägt sich immer stärker aus.
Jan Koneffke schlüpft in eine konträre Rolle: Der deutsche Autor des 21. Jahrhunderts schreibt als jüdische Wienerin zwischen den Weltkriegen, in der ersten Hälfte des Buches gar als 18-Jährige. Damit übernimmt er sich etwas, wenngleich sich das Buch spannend liest. Es ist problematisch, wenn deutsche Autoren österreichisch schreiben möchten. Letztlich überzeugt die literarische Sprache im Tagebuch nicht recht als Eintragungen eines 18-jährigen Mädchens zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wer jedoch über diese stilistischen Feinheiten hinwegsieht, dem ist Lesegewinn sicher und ein vielleicht neuer Blick auf Joseph Roth.