Die Landesregierung hat erstmals einen Landesentwicklungsplan vorgelegt, in dem die die früher getrennten Teilbereiche für Siedlung und Umwelt zusammengeführt wurden. Das Vorhaben ist komplex und stößt in Teilen auf heftigen Widerspruch.
Einen großen, opulenten Festakt zum 50. Geburtstag hat niemand wirklich vermisst. Dabei war die große saarländische Gebietsreform von 1974 eine echte Zäsur und im Rückblick eine wichtige Station der Entwicklung des Landes. Aber sie hat tiefe Spuren hinterlassen, bis heute. Emotionale Spuren – und für Kämmerer in den Rathäusern bis heute auch Spuren in den Haushaltsbüchern.
Die Idee damals war, aus den gut 350 meist kleinen Orten leistungsfähige größere Gemeinden zu schaffen.
Seither gab es eine Reihe von Vorstößen zu weiteren Gebietsreformen, letztlich mit der gleichen Begründung: Verwaltungen effizienter und moderner, also zeitgemäßer aufzustellen. Dass daraus bis heute nichts geworden ist, hat wesentlich auch mit den damaligen Erfahrungen und Auseinandersetzungen zu tun. Trotz einiger Gutachterempfehlungen war die Bereitschaft, sich auf eine erwartbar hochemotionale Debatte einzulassen, nicht sonderlich ausgeprägt. Wobei die Frage berechtigt ist, ob im digitalen Zeitalter mit ganz anderen Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Effizienzsteigerung ein Gebietsneuzuschnitt eine zeitgemäße Antwort wäre.
Dass die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit trotz vieler Fortschritte nach wie vor viel Luft nach oben haben, steht dabei auf einem anderen Blatt.
An einer Situation hat sich allerdings nicht allzu viel verändert: Saarländische Kommunen leiden unter notorisch leeren Kassen. In einer großen Teilentschuldung (Saarlandpakt) hat das Land rund eine Milliarde Euro Kassenkredite der Kommunen übernommen. Die Hoffnung darauf, dass der Bund die andere Hälfte durch Hilfen für hochverschuldete Kommunen übernehmen würde, hat sich bis heute politisch nicht realisiert, und weitere Hoffnungen darauf sind angesichts der gesamten Entwicklungen eher überschaubar.
Strategische Lenkung
Im Gegenteil werden Kommunen immer neue Aufgabe etwa im Sozialbereich oder bei Bildung und Betreuung übertragen, ohne dass sie dafür auch ausreichende Finanzmittel bekämen.
Dazu kommen die grundsätzlichen Herausforderungen, die das Land – und die Kommunen – zu bewältigen haben: Strukturwandel (Transformation) und Klima- und Umweltschutz. Und das alles parallel zur demografischen Entwicklung. Die Prognosen zeigten einigermaßen übereinstimmend, dass die saarländische Bevölkerung immer älter und immer weniger wird.
Allerdings war diese Prognose schon im Jahr 2022 widerlegt. Die Zahl der hier lebenden Menschen stieg um gut 10 000, was aber nichts an der Grundtendenz ändert. Die Zahl der Todesfälle war doppelt so hoch wie die Geburtenzahl. Der Zuwachs kam durch Zuwanderung, insbesondere auch von Geflüchteten.
Der neue Landesentwicklungsplan will nun die Rahmen abstecken für Maßnahmen, mit denen im Land auf diese Herausforderungen geantwortet wird. Er soll ein „strategisches Lenkungs- und Koordinierungsinstrument“ sein, wie das zuständige Innenministerium bei der Vorlage des Entwurfs im vergangenen Jahr formulierte.
Damit dieser Orientierungsrahmen möglichst umfassend ist, wurde erstmals versucht, die bislang getrennten Bereiche, nämlich „Umwelt“ und „Siedlung“ zusammenzufassen. Was aber auch bedeutet, sich mit zum Teil widersprechenden Zielen auseinanderzusetzen.
Deshalb war auch wenig verwunderlich, dass seit der Vorlage eine intensive Debatte geführt wird, und zwar auf den unterschiedlichsten Ebenen, schließlich sind letztlich alle Saarländerinnen und Saarländer von den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, betroffen. Zudem stehen die Kommunalwahlen Anfang Juni vor der Tür, bei der es eben auch um Weichenstellungen in den saarländischen Städten und Gemeinden geht.
Weil nun aber ein Landesentwicklungsplan ein höchst komplexes Kompendium ist, fokussieren sich die öffentlichen Debatten vor allem auf symbolische und greifbare Aspekte. Die hitzige Debatte im Landtag im Februar um den „Traum der Saarländerinnen und Saarländer zum Eigenheim“ hat dazu eine eindringliche Vorlage abgegeben.
Die CDU-Opposition macht schon länger am Eigenheim-Beispiel ihre Kritik an der Landesplanung fest, spricht von einem „Entwicklungsverhinderungsplan“. Der für die Landesplanung zuständige Innenminister Reinhold Jost (SPD) kontert, hier werde „ein Popanz aufgebaut“, wiederholt allerdings, das freistehende Eigenheim werde die Ausnahme bleiben, und führt dazu eine Reihe von Gründen an. Die Grünen, derzeit nicht im Landtag vertreten, fordern eine „klimagerechte Schaffung“ von neuem Wohnraum, aus Sicht der FDP, ebenfalls außerparlamentarische Opposition, werden die Möglichkeiten zum Wohnungsbau eingeschränkt und damit die Probleme der Baubranche verstärkt.
Wie immer bei Fokussierung auf einen symbolischen Aspekt werden die dahinter stehenden Aspekte ziemlich verkürzt. Dabei geht es zum Beispiel um Fragen wie den Vorrang von innerörtlichen Entwicklungen und lebendige Ortskerne (Stichwort: Leerstände), um das Thema Flächenverbrauch und viele weitere ineinandergreifende Aspekte. Und aus Sicht vieler kommunaler Verantwortungsträger geht es auch um die Gestaltungsspielräume vor Ort, die sie durch den Entwurf des Landesentwicklungsplans eingeschränkt sehen, was dann nicht nur die Ausweisung von Wohngebieten, sondern ebenso von Gewerbeflächen betreffen würde.
Eigenheimbau nur ein Aspekt
Beim Thema Neubaugebiete wittert der Städte- und Gemeindetag ebenfalls einen „Eingriff“ in die kommunale Selbstverwaltung, befürchtet zudem einen künftig zusätzlich größeren bürokratischen Aufwand, der von den Kommunen angesichts deren Personalknappheit kaum noch zu bewältigen sei.
Allerdings ist der Eigenheimbau nur ein Aspekt. Der Entwurf des Landesentwicklungsplans umfasst ganze 150 Seiten, auf denen es neben der Siedlungsstruktur auch um Vorranggebiete für unterschiedlichste Nutzungen und die Infrastruktur geht. Knapp 360 Stellungnahmen (darunter auch von allen Kommunen) wurden zum Entwurf abgegeben, zudem habe es nach Ministeriumsangaben knapp 1.300 „abwägungsrelevante Anregungen“ (also Änderungsvorschläge) gegeben. Bis das alles ordentlich geprüft und gegebenenfalls eingearbeitet worden ist, wird noch Zeit beanspruchen.
Nach letztem Stand der Planung soll der überarbeitete Gesetzentwurf bis zum Jahresende fertig und vom Landtag beschlossen sein und nächstes Jahr in Kraft treten.