Zahlreiche Berufe weisen immer mehr Berührungspunkte mit dem Thema Klimaschutz auf. Damit hat sich unter anderem das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auseinandergesetzt. Das Ergebnis: „Grüne Jobs“ boomen, andere fallen gänzlich weg.
Ein wenig erschöpft klingt Markus Janser am Ende einer langen Woche. Tag für Tag kümmert sich der renommierte Forscher im Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) seit gut zehn Jahren um Berufe mit Zukunft. Und damit nicht nur um die Digitalisierung, sondern auch um die „Ökologisierung“ der deutschen Volkswirtschaft.
Umwelt- und Klimapolitik wirken sich schon längst auf den Arbeitsmarkt aus. Landauf, landab verändert sich die Berufswelt in den Regionen der Bundesrepublik Deutschland. Parallel wird einiges anders im Alltagsleben der Menschen sowie in der Personal- und Produktionsplanung der Unternehmen.
Forschung identifiziert neue Jobfelder
Neue, grüne Berufe besetzen ein immer weiteres Feld. Ob Klimaingenieur, E-Bagger-Führer, Umwelttechniker oder Umweltpsychologe, Holzhaus-Bauer, Windradfundamente-Setzer, Green-IT-Entwickler, energietechnisch beratender Schornsteinfeger, Förster, Landwirt oder Naturwissenschaftler in der Batterietechnologie: Überall spitzt mal mehr, mal weniger Grün, Klimatechnik, Klimaschutz hervor. Deshalb hat Janser einen „Greenness-of-Jobs-Index“ entwickelt, der die Anteile umwelt- oder klimafreundlicher beziehungsweise umwelt- und klimaschädlicher Tätigkeiten in Berufen beschreibt. Der Job-Index existiert bereits seit vielen Jahren.
Beispielsweise wurde beim Dachdecker, der ein Haus von oben an den Klimawandel anpasst, aus dem „neutralen“ Handwerksberuf einer mit relativ vielen grünen Tätigkeiten: Sie decken nicht nur Dächer, sondern dämmen oder begrünen sie sogar, montieren Solarthermie- und Photovoltaikanlagen. Weil so etwas immer öfter vorkommt, verschieben sich die Anteile der Berufe mit nur wenigen sogenannten „green skills“, neutrale Berufe und oder Berufe mit „brown skills“ laufend weiter in Richtung „grün“.
Ende vergangenen Jahres veröffentlichte Janser mit seinen Kollegen Udo Brixy und Andreas Mense eine weitere, neue Analyse, die auf dem Farbschema Grün und Braun für Jobs mit weniger klimafreundlichen Anteilen, basiert. Die Forscher stellen im „IAB-Kurzbericht Nr. 19“ im Oktober 2023 fest, dass trotz einer rückläufigen Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern in den zurückliegenden zehn Jahren die Zahl der neu besetzten Ausbildungsstellen für Berufe mit umwelt- oder klimafreundlichen, „grünen“ Tätigkeiten zugenommen hat. Das Wachstum sei dabei in Regionen, in denen auch 2013 bereits relativ wenige Beschäftigte in Berufen mit umwelt- oder klimaschädlichen, „braunen“ Tätigkeiten arbeiteten und somit ein geringerer Transformationsdruck herrschte, überdurchschnittlich hoch gewesen.
Demgegenüber habe sich der Mangel an Bewerbern bei Berufen mit „nicht-grünen“ Tätigkeiten deutlicher bemerkbar gemacht. So „sank die Zahl der neu besetzten Ausbildungsstellen für Berufe mit umwelt- oder klimaschädlichen Tätigkeiten von 2013 bis 2021 um 12 Prozent – potenziell bedingt durch eine Neuausrichtung der Betriebe hin zu ökologischeren Prozessen“, heißt es im Fazit des Kurzberichts. Ob Bundesagentur für Arbeit oder Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Innung: Janser appelliert an alle Akteure auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, sich gemeinsam Strategien zu überlegen, wie sie das Thema grüner werdender Jobs besser in die Beratung einbeziehen. Besonders bei Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuchenden. Bei manchen werde die Ökologisierung schon prominent behandelt, bei anderen sei das „Ergrünen“ noch nicht recht angekommen.
Zentrale Strategie in Deutschland fehlt
Was bei grünen oder grüner werdenden Berufen anders als bei den klassisch in Schulen vorgestellten Berufen – von Bankkaufmann bis Bundeswehr-Soldatin – ist: Wer einen „grünen“ Job haben möchte, muss sich meist selbst darum kümmern, ob beim Studienaufbau, der Weiterbildung, einer Umschulung mit dem Fokus „Nachhaltigkeit“, beim Bewerbungsgespräch; sofern potenzielle Arbeitgeber das „Greening“ nicht selbst ansprechen. Ein Grund: Über Berufe soll oftmals objektiv und neutral informiert werden. Quasi wertende Einordnungen, ob grün, farblos oder braun nach dem wissenschaftlich verwendeten Farbschema, dürfen bei der Beratung keine Rolle spielen. Ebenso wenig Sinnfragen.
Dabei geht auf dem Arbeitsmarkt ohne schärferen Schwenk auf Ökologie bald kaum mehr etwas. Hier droht ein Teufelskreis, gespeist aus Mangel an Fachkräften mit „grünem“ Wissen sowie Unternehmen, die mangels Anpassung an Klimaschutz und Nachhaltigkeit in die Knie gehen.
Kollegen von Janser haben sich zudem angeschaut, welchen Fachkräfte-Bedarf beispielsweise die ursprünglich geplanten Klimaschutz- und Wohnungsbauprojektionen der Bundesregierung schaffen, und welche Jobs überflüssig werden. Die gute Nachricht: Bis 2030 fallen – ausgehend von den Konturen der Koalitionsvereinbarungen – nur 22.000 Stellen aus klassischen Berufsbildern weg. Und 415.000 neue Jobs entstehen.
Die schlechte Nachricht: Anders als in kleineren Ländern Europas fehlt im bevölkerungsreichen Deutschland eine zentrale Strategie. Eine solche wäre nötig, um Betroffenen und Interessierten eine klare Anlaufstelle für alle Fragen, Bildungs- sowie Fördermöglichkeiten rund um die grüner werdende Berufswelt zu bieten. Auch um Ängste zu nehmen und zugleich gebündelt darüber zu informieren, warum und wie sich Unternehmen und Berufswünsche ändern müssen. „Es gibt keine systematische Fachkräftestrategie für die ökologische Transformation“, betont Janser. „Das wäre ein wichtiger Schritt.“ Gleichzeitig gibt der promovierte Soziologe und Betriebswirt zu bedenken: „Eine solche Transformation kann man aber auch nicht planwirtschaftlich lösen, zumal die Entwicklung zu dynamisch ist.“
Eine weitere Studie zweier IAB-Kollegen von Janser bilanziert, dass sich der Bedarf ins Gegenteil verkehrt, sollte sich Zögerlichkeit durchsetzen. Das heißt, wenn nicht zusätzliche Aktivitäten die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft vorantreiben. Das schreiben Prof. Enzo Weber und Dr. Gerd Zika in der Studie „Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft“ im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.
Weiter als Deutschland sei Österreich, weil es im vergangenen Jahr einen Aktionsplan zugunsten gezielt geförderter Aus- und Weiterbildungen für „Green Jobs“ ins Leben gerufen habe. Bundesweite Fördertöpfe könnten, Janser zufolge, auch hierzulande der Ökologisierung der Berufswelt helfen. Vorausgesetzt, sie würden nach regionalem Zuschnitt eingesetzt und könnten berücksichtigen, was da sei: Etwa bisher reine Automobilzulieferer, die Maschinen und Fachkräfte für neue Branchen nutzen wollen. Oder ein ehemaliges Braunkohlerevier mit Arbeitern, die ihr aufpoliertes Wissen und ihre Erfahrung für zukunftsträchtige Branchen einsetzen.
Das Bewusstsein, wie wichtig dieses Thema ist, zeigt sich jedoch auch öffentlich. Die Initiative „Make it in Germany“, die ausländische Fachkräfte anziehen soll, rührt für grüne Berufe in Deutschland kräftig die Werbetrommel. Online-Jobbörsen wie Greenjobs aus Potsdam, die bereits seit über 20 Jahren solche Stellen vermitteln oder Jobverde aus Berlin, bieten Unternehmen und Jobsuchenden eine spezialisierte Plattform an.
Und trotz aller Arbeit mit dem Arbeitsmarktwandel betont Janser energisch: „Ich werde nicht müde zu sagen: Es gibt viel mehr. Denn jeder Beruf kann grün sein.“