In den rund 65 Jahren, in denen sie sich mit dem Wohl der Schimpansen und später dem Klima- und Umweltschutz beschäftigt hat, hat Jane Goodall eine ganze Reihe von ambitionierten Projekten angeschoben. Und denkt noch lange nicht ans Aufhören.
Als Jane Goodall im Alter von 26 Jahren am Morgen des 14. Juli 1960 erstmals einen Fuß in das Naturreservat Gombe Stream setzte, hätte niemand ahnen können, dass die ohne wesentliche wissenschaftlichen Vorkenntnisse angereiste Britin schon nach einigen Monaten die klassische vergleichende Verhaltensforschung namens Ethologie und die Erkenntnisse über die Schimpansen revolutionieren sollte. Die einzige Person, die in der jungen Frau mehr als eine bestens ausgebildete Sekretärin gesehen hatte, dürfte wohl der Paläoanthropologe Louis Seymour Bazett Leakey gewesen sein, der Direktor und Kurator des Kenya National Museums in Nairobi.
Das damalige Wissen über Schimpansen beschränkte sich im Wesentlichen auf Studien, die aus sicherer Entfernung in zoologischen Gärten durchgeführt worden waren. Niemand hatte vor Jane Goodall Schimpansen in freier Wildbahn erforscht. Die Britin war mehr oder weniger unvoreingenommen an ihre Aufgabe herangegangen, also ohne die in akademischen Kreisen vorherrschende Meinung, wonach allein der Mensch denken, fühlen, Probleme lösen oder Werkzeuge benutzen könne. Allerdings hatte sie das schon 1921 erschienene Buch „Intelligenzprüfungen an Menschenaffen“ des deutschen Psychologen Wolfgang Köhler aufmerksam gelesen, in dem dieser bei in Gefangenschaft gehaltenen Schimpansen verschiedene clevere Verhaltensweisen beobachtet hatte – wie den Gebrauch von primitiven Werkzeugen.
„Das Buch war für mich eine Art Bibel“
„Das Buch war für mich eine Art Bibel“, so Jane Goodall in einem „spektrum.de“-Interview, „Andere Forscher zweifelten Köhlers Erkenntnisse jedoch an und glaubten, dass die Tiere solch schlauen Dinge nur taten, weil sie sich diese von Menschen abgeschaut hatten oder gar durch den Kontakt mit Menschen klüger geworden waren. Das war natürlich albern, aber die gängige Meinung zu jener Zeit.“ Ähnlich äußerte sich Jane Goodall gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ): „Die vorherrschende Meinung war damals, dass alle Tiere, auch Affen, lediglich Dinge sind. Nur dem Menschen wurde eingeräumt, eine Persönlichkeit, einen Geist und Emotionen zu besitzen. Allein der Versuch, Tieren Verstand zuzusprechen, stieß auf Widerstand.“
Auf Fürsprache ihres Mentors Louis Leakey erhielt Goodall 1962 von der University of Cambridge die Ausnahmegenehmigung zur Aufnahme eines Promotions-Studiums der Ethologie ohne dafür eigentlich vorgeschriebenen Hochschulabschluss.
Dabei war sie allerdings bei den Fakultätsgrößen anfangs auf riesige Skepsis und Ablehnung gestoßen. Ihr wurde vorgeworfen, den Schimpansen durch persönliche Namensgebung – statt der sonst üblichen Nummerierung – Individualität und Gefühle zugeschrieben zu haben. Dies wurde ihr als unzulässiger Anthropomorphismus angelastet, also die Übertragung menschlicher Eigenschaften auf Tiere. Doch als das Magazin „National Geographic“ 1963 die erste Titelgeschichte über Jane Goodall sowie ihre Forschungsarbeit veröffentlichte und ihr Ehemann Hugo van Lawick 1965 den Film „Miss Goodall and the Wild Chimpanzees“ fertiggestellt hatte, den allein in Nordamerika 25 Millionen Fernsehzuschauer gesehen hatten, war die blonde Schönheit mit dem charakteristischen Pferdeschwanz ein Star geworden.
„Wenn meine Beine mir geholfen haben, für die Schimpansen Werbung zu machen, dann war das nützlich“, so Jane Goddall gegenüber dem „Time“-Magazin.
Goodall konnte im gleichen Jahr ihren wohlverdienten Doktortitel mit der Dissertation über „Das Verhalten von Schimpansen in freier Wildbahn“ in Empfang nehmen. Drei Jahre später konnte sich Jane dank ihrer Schimpansen-Forschungen über die Umbenennung des Gombe-Naturreservats zum Gombe-Stream-Nationalpark freuen. Da hatte sie aber schon ihr einfaches Forschungscamp zur künftigen Finanzierung und Weiterbetreibung in die Institution „Gombe Stream Research Center“ umgewandelt. Das wurde nach offiziellen Angaben 1965 in Tansania ins Leben gerufen und ist der Ort, wo bis heute die weltweit längste Feldstudie an wild lebenden Schimpansen und darüber hinaus aller Säugetier-Spezies ohne jegliche Unterbrechungen durchgeführt wird. 1971 veröffentlichte Jane Goodall die Ergebnisse ihrer Gombe-Forschungen in dem populären Sachbuch „In the Shadow of Man“, das in 48 Sprachen übersetzt und ein Welt-Bestseller werden sollte. Auf Deutsch erschien es unter dem Titel „Wilde Schimpansen“. 1986 sagte sie nach einem für sie extrem aufrührenden Besuch einer Umweltkonferenz in Chicago, wo auf die katastrophalen Folgen der afrikanischen Entwaldung für die Schimpansen hingewiesen wurde, ihrem kleinen persönlichen Forschungsparadies im Gombe-Nationalpark endgültig Adieu. Fortan betätigte sie sich als hochgeschätzte Tierschutz-, Natur- und Umweltaktivistin. Dazu erhielt sie unter anderem zahlreiche Ehrendoktor-Titel, wurde zur UN-Friedensbotschafterin ernannt und in den in den britischen Adelsstand erhoben.
Mehr als 100 Dörfer sind am Projekt beteiligt
Darüber hinaus sind mit ihrem Namen und ihrem persönlichen Einsatz aber auch noch eine ganze Reihe weiterer Projekte verbunden. 1977 gründete sie in den USA das Jane Goodall Institute (JGI), das bis heute den Schutz der zunehmend bedrohten Schimpansen als Hauptaufgabe verfolgt und nationale Ableger in mehr als 30 Ländern hat.
2013 wurde dem JGI, das sich ebenso wie das „Gombe Stream Research Center“ auf die längste andauernde Feldforschung an Schimpansen beruft und auf seit 1960 erhobene Daten zu Leben und Verhalten von über 200 Schimpansen verweist, noch das Jane Goodall Institute Globale (JGIG) zur Seite gestellt, um die Arbeit der nationalen Abteilungen noch besser im Sinne von Schimpansen- und Naturschutz koordinieren zu können.
1991 kam es auf Initiative von Jane Goodall zur Gründung von „Roots & Shoots“, einem Bildungsprogramm, das darauf abzielt, junge Menschen für den Umweltschutz zu begeistern und durch die Abhaltung von Workshops oder Schulungen Verständnis für Nachhaltigkeit und Naturschutz zu wecken. Ursprünglich hatte sich Jane Goodall nur mit zwölf Teenagern in der tansanischen Metropole Daressalam zum Diskutieren getroffen, aber daraus entwickelte sich dann eine weitaus größere Idee. Denn mittlerweile gibt es schon Gruppen in mehr als 100 Ländern, wobei sämtliche Aktivitäten der nationalen „Roots & Shoots“-Abteilungen unter dem Dach des JGI zusammengefasst sind.
Ebenfalls ins Jahr 1991 fiel die Einrichtung der ersten Schimpansen-Auffangstation in Kongo, das „Tchimpounga Chimpanzee Rehabilitation Center“ in Pointe Noire. Der Auslöser war die Entdeckung eines angeketteten Schimpansenbabys auf einem Markt in Zaire durch Jane Goodall. Sie wollte für die wachsende Zahl der durch den Buschfleisch-Handel verwaisten Schimpansenkinder eine Zufluchtsstätte einrichten. Heute leben dort bis zu 160 Tiere, die später auf drei bewaldeten Inseln im nahen Fluss Koilou wieder ausgewildert werden. 1994 rief Jane Goodall über ihr JGI das Schutz- und Entwicklungsprogramm „Tacare“ ins Leben. Das Programm „Tanganyika Catchment Reforestation and Education“ wurde geschaffen, um die Lebensbedingungen der Menschen in den Dörfern rund um den Gombe-Nationalpark zu verbessern und diese dadurch zum Mitwirken am Schutz der Schimpansen und deren Umwelt zu bewegen. Mittlerweile sind mehr als 100 Dörfer am Tacare-Programm beteiligt.
Ebenfalls in Tansania betreibt das JGI im Rahmen seines „Roots & Shoots“-Projekts ein beachtliches Aufforstungs-Programm mit jährlich mehr als einer Million Bäumen. Ein Pilotprojekt zum Ersetzen der giftige Abgase freisetzenden Kerosin- durch Solarlampen in Tansania nicht zu vergessen. Schließlich gehörte Jane Goodall im Jahr 2009 auch zu den Mitbegründern des weltweit ersten Instituts für Theologische Zoologie in Münster. Als Begründung heißt es, dass sie den Primaten eine „frühe Form von Spiritualität“ zugestanden hatte.