Schon als Kind wusste sie, dass sie mal Forscherin werden will. Ohne eine entsprechende Ausbildung ging Jane Goodall als junge Frau nach Afrika – und revolutionierte die Wissenschaft.
Mit vier Jahren versteckte sich Jane in einem Hühnerstall, weil sie unbedingt wissen wollte, wie das Ei aus dem Huhn herauskommt. Als sie nach etlichen Stunden wieder ins elterliche Haus zurückkehrte, hatte ihre Mutter bereits die Polizei gerufen und sie als vermisst gemeldet. Doch anstatt Jane auszuschimpfen, hörte sich ihre Mutter geduldig an, was ihre Tochter für eine Entdeckung gemacht hatte. Für Jane war das ein Schlüsselerlebnis. Ihr größter Traum als Teenagerin war es, mit wilden Tieren in einem fernen Land zu leben. Und diese Erlebnisse dann in Büchern aufzuschreiben. Mit 17 war sie sauer auf Tarzan. Weil er nicht sie, sondern eine andere Jane auserwählt hatte, um mit ihm im Dschungel zu leben. „Natürlich wusste ich, dass Tarzan reine Fiktion war“, meinte Jane Goodall lachend im „The Guardian“, „aber trotzdem habe ich ihm lange nachgetragen, dass er mich verschmähte.“
Mit Anfang 20 zum ersten Mal in Kenia
Jane Goodall wurde am 3. April 1934 in London geboren. Nachdem sie mit der Schule fertig war, machte sie eine Ausbildung zur Sekretärin und träumte von einem Leben in Afrika. Mit Anfang 20 reiste sie – auf Einladung eines ehemaligen Schulkameraden – zum ersten Mal nach Kenia. Dort fand sie eine Anstellung im National Museum of Kenya und kam so in Kontakt mit dessen Direktor, Louis Leaky. Ihn begleite sie dann auch auf einer Expedition in den Serengeti Nationalpark. Leaky war tief beeindruckt von Janes Leidenschaft für die Tierwelt und von ihrem unbändigen Wissensdurst und bot Jane an, das Leben der Schimpansen in Tansania zu studieren.
Und zwar so, wie es noch niemand zuvor gemacht hatte: Sie sollte nämlich in freier Wildbahn bei ihnen leben und arbeiten. Freudig nahm Jane das Angebot an. Allerdings gab es ein großes Problem: Die Behörden von Tansania verboten Jane, als Frau alleine in die Wildnis zu reisen. Kurzerhand sprang also Janes Mutter in die Bresche und reiste mit ihrer Tochter zu den Schimpansen. „Nach vier Monaten waren schließlich alle davon überzeugt, dass ich verrückt genug war und es auch alleine schaffen konnte“, erinnert sich Jane Goodall gegenüber „The Guardian“.
So kam Jane Goodall 1960 ins tansanische Naturreservat Gombe Stream und begann dort ihre eindrucksvolle Forscherlaufbahn mit dem Studium der Schimpansen. Mit der Zeit entdeckte sie, dass Primaten intelligente Wesen sind, die sehr wohl einen eigenen Willen und individuelle Gefühle haben. Und sogar Werkzeuge fertigen können. 1962 begegnete Jane Goodall dem niederländischen Baron Hugo van Lawick, der von der National Geographic Society für einen Filmbeitrag nach Kenia geschickt worden war. Die beiden verliebten sich ineinander und heirateten 1964. Drei Jahre später wurde ihr Sohn Hugo, genannt Grub, geboren.
Das Leben der jungen Familie in Gombe beschrieb Jane Goodall in ihrem Buch „Grub: The Bush Baby“. Das Paar ließ sich 1974 schweren Herzens scheiden, da sie, laut Goodall, ihre Lebensziele nicht mehr miteinander vereinbaren konnten. Hugo war als gefragter Wild-Life-Filmemacher viel auf Reisen. Und Jane konnte und wollte ihre Forschungsstation in Gombe nicht verlassen. 1975 heirate Jane Goodall den tansanischen Parlamentsabgeordneten Derek Bryceson, mit dem zusammen sie das Bestehen des Gombe Reservats sicherte. Leider verstarb Bryceson schon 1980 an Krebs. „Die Jahre nach Dereks Tod waren die schlimmsten in meinem Leben. Von heute auf morgen war ich im Urwald von Tansania ganz auf mich alleine gestellt. Aber die Natur half mir dabei, den großen Schmerz zu bewältigen. Lange Zeit hat mir die Spiritualität, die ich in der Natur gefunden habe, genügt. Und die Gewissheit, dass es etwas gibt, das viel mehr ist als das, was wir sehen. Heute denke ich gerne daran, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Das Unbekannte zu erkunden wird mein nächstes großes Abenteuer sein“, erzählt Jane Goodall „The Guardian“.
Mit ihrem ersten Buch schafft sie eine Sensation
Obwohl Jane Goodall keinen Universitäts-Abschluss vorweisen konnte, bekam sie eine seltene Ausnahmegenehmigung, damit sie trotzdem eine Doktor-Arbeit schreiben konnte: 1962 promovierte sie an der Cambridge University. 1971 erschien ihr erstes größeres Werk „In the Shadow of Man“, in dem sie ausführlich und mit viel Empathie die Lebensweise der Schimpansen dokumentierte.
Das Buch galt als Sensation und ist bis heute ein Standardwerk für Primaten-Forscher. 1977 gründete sie das Jane Goodall Institute for Wildlife Research, Education and Conservation. Bis heute gibt es in über 20 Ländern diese Institute, die sich für den respektvollen Umgang mit Menschen, Tieren und der Natur einsetzen.
Nachdem Jane Goodall über zwei Jahrzehnte die Schimpansen des Gombe-Reservats studiert hatte, reiste sie 1986 zu einer Konferenz, die ihr Leben nachhaltig verändern sollte. In Chicago berichteten Biologen aus aller Welt, Schimpansen seien stark bedroht durch die massive Abholzung des afrikanischen Urwalds und durch die Jagd auf sie.
Goodall war darüber so entsetzt, dass sie beschloss, sich künftig für den Erhalt der Umwelt und das Überleben der Schimpansen einzusetzen. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie reiste sie unermüdlich um die Welt und versuchte so, Menschen für den Schutz von Tieren und Umwelt zu gewinnen. Manchmal war sie bis zu 300 Tagen im Jahr dafür unterwegs.
Ihr neuestes Projekt „Roots & Shoots“ hat sie zusammen mit Schülern ins Leben gerufen. Überall auf der Welt können Kinder und Jugendliche an diesem Programm teilnehmen und sich aktiv für eine bessere Umwelt einsetzten. Mittlerweile gibt es über 10.000 „Roots & Shoots“-Gruppen mit mehr als 150.000 Kindern und Jugendlichen in knapp 100 Ländern. Jane Goodall erläuterte in einem Interview mit „utopia.de“ im Februar 2021 ihr Credo: „Ich will natürlich nicht die ganze Welt retten. Aber ich will das Bewusstsein dafür schärfen, dass jeder Einzelne jeden Tag damit anfangen kann, sein alltägliches Umfeld positiv zu verändern.“
Bis zu 300 Tage im Jahr unterwegs
Jane Goodalls Arbeit konzentriert sich also nicht ausschließlich auf Schimpansen, „sondern auch darauf, was wir dem Planeten antun. Wie wir ihn verschmutzen, rücksichtslos fossile Brennstoffe verbrennen, die Ozeane mit Plastik verdrecken und unsere Nahrung mit Pestiziden vergiften. Das Hauptproblem ist die Zerstörung von Wald und Ozean, den beiden größten Lungen der Erde, die Kohlenstoffdioxid aufnehmen und Sauerstoff abgeben“, so Jane Goodall gegenüber „utopia.de“.
Dass sie sich im hohen Alter mit viel Elan und Zuversicht dafür einsetzt, auf die Umweltzerstörung unseres Planeten aufmerksam zu machen, ist schlicht bewundernswert. Vielleicht hilft ihr dabei ja auch ein Ritual, das sie schon vor vielen Jahren mit ihrer Mutter zelebrierte: Jane Goodall trinkt jeden Abend, Punkt 19 Uhr, ein kleines Glas Whisky.
Und noch etwas ist ihr sehr wichtig: Endlich mit dem Vorurteil aufzuräumen, sie sei immer sehr streng und todernst durchs Leben gegangen. „Die Leute wären sehr überrascht, wenn sie wüssten, dass ich einen rabenschwarzen Humor habe“, sagt Jane Goodall in „The Guardian“. Den bewies sie auch mit ihrer Reaktion auf einen Cartoon des berühmten US-Cartoonisten Gary Larson. Das Bild zeigt, wie eine Äffin beim Lausen ihres Partners ein blondes Haar findet. Und ihm dann vorwirft, „wieder bei diesem Flittchen Goodall“ gewesen zu sein. Statt den Cartoon zu verbieten, ließ Jane Goodall ihn lieber auf T-Shirts drucken – und der Verkaufserlös floss in ihr Wildlife-Institut.
Auch damit, dass der Spielzeughersteller Mattel 2022 eine Jane-Goodall-Barbie auf den Markt brachte, kann sie gut leben. Sie hasst zwar die Puppe, findet die Idee aber trotzdem gut, wie sie in einem Interview mit „Die Zeit“ eingesteht: „Weil ich Mädchen gerne ein Vorbild bin.“