Nikki Haley, republikanische Kandidatin für die US-Präsidentschaft, hatte keine Chance. Das ungeliebte Duell zweier älterer Herren geht nach dem Super Tuesday in die zweite Runde, eine Kandidatur Donald Trumps gegen Amtsinhaber Joe Biden ist nicht mehr zu verhindern.
Die Hofsender der Rechtsaußen-Republikaner, RSBN und Newsmax, überschlagen sich mit Erfolgsmeldungen: Trump führt haushoch in fast allen Staaten bei den Vorwahlen der republikanischen Partei. Trump gewinnt den Super Tuesday vor Herausforderin Nikki Haley, die ihre Kampagne beendet. Trump führt in allen wichtigen Swing States gegenüber Amtsinhaber Joe Biden in den Umfragen mit teils acht Prozentpunkten Vorsprung. Trump installiert seine Schwiegertochter als Vize-Chefin des Republican National Committee, der republikanischen Wahlkampfmaschinerie. Trump werde die Immigrationskrise an der mexikanischen Grenze lösen, den Krieg in der Ukraine beenden, kurz, Trump werde Amerika wieder groß machen.
Umfragen sehen Trump im Vorteil
Das Bild muss jedoch differenzierter betrachtet werden. Der teils massive Vorsprung, den der ehemalige Präsident in vielen wichtigen Swing States gegenüber Joe Biden seit Monaten hält, hat enorm mit Bidens Schwäche zu tun – und damit ist nicht nur sein Alter gemeint. Die letzte Gesundheitsuntersuchung zeigte Arthritis, weshalb sein Gang manchmal unsicher wirkt, mentale Beeinträchtigungen diagnostizierten die Ärzte jedoch nicht. Trotzdem glauben viele US-Amerikaner, Biden sei zu alt für den Job – Donald Trump jedoch nicht, obwohl er nur vier Jahre jünger ist als Biden. Schwächen aber offenbarte Biden vor allem in der Kommunikation. Dem Weißen Haus gelingt es nicht, die deutlichen Erfolge der Wirtschaftspolitik in den vergangenen drei Jahren zu vermitteln: Die Inflation ist deutlich zurückgegangen, es gibt eine Rekordzahl an Arbeitsplätzen und Rekordzahlen in Sachen Bruttoinlandsprodukt, viele Preise von wichtigen Medikamenten sind gedeckelt, Schulden vieler Studenten wurden gestrichen, eine vorausgesagte Rezession ist dank massiver staatlicher Investitionen ausgeblieben.
Die gefühlte Wahrheit der Amerikaner ist aber eine andere: Die Preise sind immens gestiegen, Gas und Benzin wurden teurer. Ein untrüglicher Indikator für viele Wählerinnen und Wähler, dass Biden die Lage nicht im Griff hat. Dementsprechend schätzt eine Mehrheit die Lage als schlechter als zu Trumps Zeiten ein, obwohl dies die Fakten nicht hergeben: Die Erholung der US-Wirtschaft nach der Pandemie geht auf Bidens Konto, die negativen Folgeerscheinungen wie Inflation und höhere Energiepreise auf das Konto des Krieges in Europa. Trump kam 2017 in einer Periode ins Amt, in der die US-Wirtschaft eine lange Phase des Wachstums, angeschoben von Barack Obama, hinter sich hatte. Dann kam Corona. Trotzdem erinnern sich viele laut einer aktuellen CBS-Umfrage eher an jene Zeit vor der Pandemie als die wirtschaftlich stärkste seit Langem. Kein guter Ausgangspunkt für Biden, der in den kommenden Monaten die Öffentlichkeit von der Wirksamkeit seiner Wirtschaftspolitik überzeugen muss.
Innenpolitisch schwierig bleibt die Krise an der Grenze zu Mexiko. Indem Trump ein zwischen beiden Parteien ausgehandeltes Gesetz torpedierte, das selbst nach Einschätzung der US-Grenzpolizei zu den schärfsten Einwanderungsgesetzen seit Jahren gehörte, kann er nun weiter mit dem Thema Wahlkampf machen. Jeglicher politische Erfolg Bidens soll bis zur Wahl im November 2024 aufgehalten werden – eine bewährte Taktik seit der Zeit, als die „MAGA“-Bewegung noch „Tea Party“-Bewegung hieß. Biden selbst könnte durch präsidiale Exekutiv-Order die Grenzübertritte erschweren. Doch mehr Polizeibeamte an der Grenze erfordern mehr Geld vom Kongress. Dieses Geld bekommt Biden nicht, unter anderem, weil das Repräsentantenhaus auf Druck Trumps das Gesetz nicht annahm. Die meisten Asylsuchenden an der Grenze haben letztlich zwar keinen Anspruch darauf, aber die mit den Fällen betrauten Richter sind aufgrund des Ansturms überlastet. Ihre Zahl müsste aufgestockt werden, um die Fälle schneller zu bearbeiten und die Abgewiesenen in ihre Heimatländer zu bringen. Wiederum fehlt Geld dafür, der Grund ist derselbe. Einseitige präsidiale Dekrete, die bereits Obama und Trump anwendeten, um die Grenze zu schließen, wurden beständig rechtlich angefochten und ausgesetzt, Biden aber braucht rechtssichere und schnelle Maßnahmen, um den Vorwürfen der Republikaner, er tue nichts, wirksam entgegenzutreten. Beides gleichzeitig aber scheint nicht zu funktionieren, bislang hat das Weiße Haus hier keine Entscheidung treffen können.
Trumps Achillesferse: Gebildete in Vorstädten
In der öffentlichen Wahrnehmung erscheint Joe Biden daher schwach, die „MAGA“-Republikaner, angeführt von Trump, nutzen jede Gelegenheit, ihn als dementen, mafiösen Linksextremisten hinzustellen. Ein Durchmarsch Trumps ins Weiße Haus ist dennoch aus heutiger Sicht nicht zu erwarten. Nikki Haleys Kampagne hat mehrere Achillesfersen des Mannes bloßgestellt, der von sich selbst behauptet, immer nur zu gewinnen. Haley punktete vor allem bei gut gebildeten Amerikanern in den Vorstädten – eine Schwäche, die Trump weiterhin nachhängt. Nachwahlumfragen unter Republikanern zeigten, dass zumindest in drei Staaten ein Großteil der Haley-Wählerinnen und -wähler kein Interesse daran zeigte, im November Trump zu unterstützen – potenzielle Wähler also für Joe Biden oder andere Kandidaten. Dass Bidens Kampagne dies längst sieht, zeigte sein Statement kurz nachdem Nikki Haley ihre Kampagne beendet hatte: Für ihre Wählerinnen und Wähler sei „Platz“ in seiner Kampagne, so Biden. Trump sagte dies zwar auch, hatte die Politikerin während der vergangenen Monate jedoch ständig beschimpft und verhöhnt, was zumindest in Teilen der moderaten republikanischen Wählerschaft nicht gut ankam.
Umstritten in der Grand Old Party (GOP) ist auch das Thema Abtreibung. Trump brüstet sich damit, für die Abschaffung des allgemeinen Rechtes auf Abtreibung verantwortlich zu sein, weil er eine Supermehrheit von konservativen Richterinnen und Richtern am Supreme Court der USA installieren konnte. Evangelikale Wähler sehen darum in Trump das Vehikel, ihre christlich-nationalistische Weltsicht endgültig US-weit zu verankern. Dabei lehnt laut Umfragen eine große Mehrheit der US-Bürgerinnen und -Bürger ein Abtreibungsverbot ab. Insbesondere in Staaten, in denen mittlerweile ein Abtreibungsverbot gilt, steigt der Anteil derer, die es ablehnen, weiter, so das unabhängige Pew Research Center. Jene von Trump enttäuschten, gar angewiderten Wählerinnen und Wähler könnten im Herbst die Wahl entscheiden. Entweder bleiben sie zu Hause oder ringen sich durch, dennoch den Kandidaten „ihrer“ Partei zu wählen. Oder sie lassen sich als Demokraten registrieren und wählen Biden – ein Schritt, der jedoch als große ideologische Hürde gilt.
Und dann wären da Trumps Prozesse. Von 93 sind noch 91 anhängig. Würde Trump verurteilt, wäre er für ein Präsidentenamt unwählbar, sagen 53 Prozent der Wähler in wichtigen Swing States in einer Bloomberg/Morning-Consult-Umfrage. Zwei Prozesse hat er bereits verloren. Ob er wegen des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2020 angeklagt werden kann, ist offen – der Supreme Court entscheidet über seine präsidiale Immunität in den kommenden Wochen, der Prozess verschiebt sich daher um einige Monate. Ein guter Grund, warum Trumps Anwälte versuchen, die Prozesse so weit wie möglich zu verschieben: Gelingt dies bis nach der Wahl, könnte er als Präsident einige dieser Prozesse einstellen lassen.
Biden selbst hat jedoch ebenfalls Probleme in seiner Wählerschaft, die vor allem mit der Haltung der USA gegenüber Israel und dem Feldzug gegen die Hamas zusammenhängen. Linke und Progressive rufen mittlerweile dazu auf, Biden nicht zu wählen. Der politische Druck soll bewirken, dass der Präsident stärker auf Israels Regierung einwirkt, um den Krieg im Gazastreifen zu beenden.
Dass Biden nicht abzuschreiben ist, zeigt seine Rede zur Lage der Nation. Darin gab er sich kämpferisch und angriffslustig gegenüber seinem Konkurrenten, ohne diesen ein einziges Mal namentlich zu erwähnen. Innenpolitisch gepunktet hat Biden in den vergangenen Jahren ohne Zweifel. Jetzt müssen nur noch die USA davon überzeugt werden.