Bislang haben die Aktionen von Klimaaktivisten kaum Schaden angerichtet, abgesehen von ihrem Image und den Nerven von Autofahrern. Doch spätestens nach dem Brandanschlag in Brandenburg gegen das zentrale Stromnetz sind auch Klimaaktivisten besorgt.
Eine Woche lang waren die Starkstrom-Elektriker im Südosten Berlins und im angrenzenden Brandenburg mehr als gefordert. Ein Brandanschlag auf einen Strom-Übergabepunkt von einem Hochspannungsmast auf ein Erdkabel musste behoben werden. Gut 20.000 Haushalte waren wegen des Brandanschlages zunächst ohne Strom, konnten aber innerhalb von 24 Stunden wieder an das 220-Volt-Stromnetz angeklemmt werden. Was ebenso schwer wog: Die Giga-Factory von Tesla in Grünheide und ein Supermarkt-Zentrallager waren eine Woche lang ohne reguläre Stromversorgung, da die Umspannanlage von den Flammen restlos zerstört wurde.
„Echten Bärendienst erwiesen“
Hinter dem Anschlag stecken laut Bekennerschreiben die sogenannten „Vulkan“-Klimaaktivisten, eine als linksextrem eingestufte Gruppe. Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe hat die Ermittlungen übernommen. Umgehend distanzierten sich Klimaaktivisten von dem Anschlag, allen voran die von „Robin Wood“. Circa 80 Mitglieder der Waldschützer haben sich seit Mitte Februar in einem Waldstück direkt neben dem Teslawerk in Baumhäusern eingerichtet, praktizieren Waldbesetzung mit selbstgebauten Unterkünften in luftiger Höhe in den Kiefern. Selbstverständlich fiel der erste Verdacht auf „Robin Wood“. „Damit haben uns diese Klima-Terroristen einen echten Bärendienst erwiesen. Doch wir sind hier friedlich, wollen mit den Baumbesetzungen lediglich verhindern, dass dieser Wald gerodet wird, um die Erweiterung des Teslawerks zu verhindern“, so eine Sprecherin der Besetzer sichtlich angefressen. Bislang werden sie in ihren „Kiefernpalästen“ von der Politik geduldet. Nun wird über eine Räumung der Baumhaus-Kolonie noch vor Ostern nachgedacht. Eigentlich stören die Baumbesetzer jedoch nicht weiter, denn eine Rodung für eine Erweiterung des Teslawerks ist derzeit überhaupt nicht vorgesehen. Diese Aktion ist also eher symbolischer Natur: Ein Volksentscheid im für Tesla zuständigen Landkreis Oder-Spree hatte sich erst Mitte Februar mehrheitlich gegen die Ausbaupläne ausgesprochen. Die Gemeindevertreter und auch die Brandenburger Landespolitik müssen dieses Volksvotum nun akzeptieren.
Auf der einen Seite protestieren die Klimaschützer von „Robin Wood“ friedlich, aber öffentlichkeitswirksam gegen die Erweiterung. Geholfen hat dies jedoch nicht immer. Im Hambacher Forst gingen 2018 nach einem Beschluss der Landesregierung Polizisten gegen friedliche Baumbesetzer vor, die die Bäume vor dem Vorrücken des Braunkohletagebaus schützen wollten.
Auf der anderen Seite nun die „Vulkan“-Brandstifter. Tesla solle weichen, fordern sie in ihrem Bekennerschreiben. Neben dem Elektroautobauer und 20.000 Anwohnern war von ihrem Anschlag aber auch das Edeka-Zentrallager Berlin Südost betroffen gewesen. Die Folge eines langen Ausfalls der Kühlung: Es mussten tonnenweise Tiefkühl- und Frischeprodukte wie Obst, Gemüse oder Milchprodukte vernichtet werden. Dementsprechend groß ist das Entsetzen über den Anschlag bei Grünheide, denn die Brandstifter haben an diesem Punkt genau das Gegenteil von dem erreicht, wofür sie ursprünglich angetreten sind: Klimaschutz erzwingen.
Anschläge auf Autos und U-Bahnen
Wer hinter der „Vulkan“-Gruppe steckt, ist für die Ermittler in Berlin und Brandenburg nicht ganz klar. Laut FORUM-Informationen sind lediglich drei Verdächtige namentlich bekannt, die der Gruppe angehören sollen. Alle drei kommen ursprünglich aus der „Fridays for Future“-Bewegung, sind dann vorübergehend bei den Aktivisten von „Extinction Rebellion“ gelandet. Doch auch dort waren ihnen die Proteste nicht militant genug. Klima-Zeltlager im Berliner Tiergarten nahe dem Kanzleramt, Diskussionsgruppen und Demonstrationszüge, damit wird man die Klimakatastrophe nicht aufhalten, so ihr Argument vor drei Jahren. Die nächste Station war offenbar die „Letzte Generation“, auch hier fühlten sich die Klimakämpfer wohl nur schlecht aufgehoben. Auch ein Hungerstreik vor drei Jahren, der für mindestens vier Aktivisten im Krankenhaus endete und ohne politischen Erfolg, war manchen anscheinend nicht radikal genug. Weder der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz noch die heutige Außenministerin Annalena Baerbock wollten im August 2021, mitten im Bundestagswahlkampf, im Klima-Hungercamp vorbeikommen und diskutieren.
Nun mutmaßen die Ermittler, dass sich aus diesem Kreis weitere Personen radikalisiert haben und ebenfalls zur „Vulkan“-Gruppe gestoßen sind. Der Kern der Gruppe wird in Berlin vermutet, so Informationen des Staatsschutzes. Dafür spricht, dass es vor allem im Raum Berlin Brandanschläge auf die kritische Infrastruktur wie Strom- oder Datenleitungen gibt. Dazu gehören aber auch Brandserien auf hochmotorisierte Autos der Luxusklasse.
Die ideologische Stoßrichtung der Gruppe gibt den Ermittlern der Polizei jedoch noch Rätsel auf. Es sind vor allem immer wieder Brände in Kabelschächten, die der Gruppe zugerechnet, beziehungsweise per Bekennerschreiben auch von diesen selbst angezeigt werden. Welchen Sinn es aus Sicht der Klimaaktivisten macht, ständig den U- oder S-Bahnverkehr lahmzulegen, erschließt sich kaum. Auf diese Weise werden genau die Menschen von Ausfällen getroffen, die ohnehin umweltschonend, also ohne Auto zur Arbeit wollen. Auch aus sozialer Sicht ist die Kampagne gegen den öffentlichen Personennahverkehr schwer nachvollziehbar, ist dies doch eine günstigere Alternative zum Auto.
Punkte, die auch den Vertretern anderer klimaaktivistischer Gruppen immer wieder auffallen. Eine deutliche Distanzierung von solchen Anschlägen seitens der Chefsprecherin der „Letzten Genration“, Carla Hinrichs, steht noch aus. Sie war kürzlich wegen Nötigung im Zuge einer Straßenblockade zu einer Geldstrafe verurteilt worden.