Achim Wendel, Regisseur und Kameramann der Doku-Serie „Kriegsmädchen – Sechs Frauen – Drei Kriege – Ein Schicksal“, erzählt von den Dreharbeiten und erklärt, auf welche Weise die Rückblicke in die Vergangenheit filmisch umgesetzt wurden.
Herr Wendel, „Kriegsmädchen – Sechs Frauen – Drei Kriege – Ein Schicksal“ ist im vergangenen Jahr mit dem Saarländischen Staatspreis für Design ausgezeichnet worden. Was ist das Besondere an der Doku-Serie?
Für mich ist das Besondere an der Serie, dass wir die sechs Protagonistinnen über einen solch langen Zeitraum von drei Jahren begleiten durften und wie sehr sie sich uns geöffnet haben. Außerdem finde ich beeindruckend, dass sie trotz einer von Unsicherheit geprägten Kindheit an die Möglichkeit einer besseren Welt glauben und auch danach leben. Trotz der schweren Thematik haben wir von Zuschauern öfter die Rückmeldung erhalten, sie seien mit so positiven Gefühlen aus der letzten Folge der Serie gegangen. Das freut mich ganz besonders, da wir ja versuchen, über die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hinauszugehen.
Wer war an dem Projekt beteiligt?
An dem Projekt waren so viele Leute beteiligt, dass es immer schwierig ist, einzelne herauszustellen, weil man den anderen damit irgendwie Unrecht tut. Aber nennen muss man natürlich unseren Produzenten und Co-Regisseur Michael Preßer, mit dem ich zusammen auch die komplette Serie geschnitten habe. Dann Susanne Hohlfeld-Heinrich, die fast alle Interviews geführt und mit uns fortlaufend am Konzept der Serie gearbeitet hat. Wenn man eine solche Doku dreht, kann man nicht einfach einen Plan abarbeiten, sondern muss das Konzept immer wieder den Lebensrealitäten der Protagonistinnen anpassen. Und wichtig zu erwähnen ist auch Kerstin Woldt vom Saarländischen Rundfunk, die die Serie redaktionell betreut und wie wir unheimlich viel Herzblut in das Projekt gesteckt hat.
Konnten Sie trotz der Tatsache, dass es eine Auftragsarbeit des Saarländischen Rundfunks ist, Ihre künstlerische Freiheit behalten?
Wir haben das Projekt zunächst im Dreierteam mit einer kleinen Förderung und dem Ziel eines viel kürzeren Films gestartet. Als sich die Option der Zusammenarbeit mit dem SR ergeben hat, war für uns Voraussetzung, unsere künstlerische Freiheit zu behalten. Aber das Miteinander war vom ersten Moment an von unheimlich viel gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen geprägt. Durch die Zusammenarbeit hat sich nicht nur ein größerer Rahmen für Produktion und Publikation ergeben, sondern auch ein wertvoller redaktioneller Blick von außen. Wenn man über Monate an einem Film schneidet, kann man sich auch mal verrennen.
Wie haben Sie die Dreharbeiten erlebt?
Die Dreharbeiten waren für mich unheimlich emotional. Nicht nur, dass man ständig mit gewissen Sorgen lebt, ob denn alles klappt. Sondern wir hatten auch Teil an ganz besonderen Tagen im Leben unserer Protagonistinnen, die sich dazu in ganz unterschiedlichen Lebensphasen befinden. Ob Abiturfeier, Reise zur Familie nach Bosnien oder Besuch der Urenkelin in Berlin, wir haben die unterschiedlichsten Situationen festhalten dürfen.
Sehr berührend sind die Szenen, die in eigens errichteten „Erinnerungsräumen“ entstanden sind. Wie wurden diese gestaltet?
Für die Rückblicke in die Vergangenheit wollten wir nicht einfach Archivmaterial einblenden. Stattdessen haben wir in einem Raum mit schwarzen Wänden halbtransparente Stoffbahnen aufgehängt und auf diese mit mehreren Projektoren Bilder aus der Vergangenheit der Protagonistinnen projiziert. Durch diese Studiokulisse bewegten sie sich dann und wir konnten mit der Kamera nicht nur die Projektionen, sondern auch die spontanen Reaktionen der Frauen darauf einfangen. Es ist schon eine ganz andere Wirkung, ob man ein Bild in einem Album oder auf einem Smartphone anschaut oder – wie bei „Kriegsmädchen“ – als riesige Projektion. Von dieser Wirkung waren wir alle, glaube ich, etwas überrascht.
Nach drei Jahren waren die Dreharbeiten beendet. Welche Herausforderungen galt es im Schnitt zu meistern?
Im Schnitt geht die Arbeit gewissermaßen noch mal von vorne los. Wir hatten einen Plan, aber haben schnell gemerkt, dass nicht alles so umsetzbar ist. Und wenn ein Handlungsstrang sich dann ändert, wirkt sich das auch auf andere Stellen aus. Da muss man ständig bereit sein, wieder ein paar Schritte zurückzugehen. Außerdem verzichtet die Doku komplett auf einen Sprecher beziehungsweise eine Sprecherin, sodass die Erzählung ausschließlich über die Interviews funktionieren muss.
Derzeit sind die drei Folgen von „Kriegsmädchen – Sechs Frauen – Drei Kriege – Ein Schicksal“ nur in der ARD Mediathek zu sehen. Bleibt es dabei?
Aktuell arbeiten wir an einer zusammenhängenden Kinoversion von „Kriegsmädchen“, die wir gerne auf Festivals zeigen und auch im Bildungsbereich einsetzen möchten. Ich hoffe, dass wir damit zusätzlich viele Menschen erreichen. Auch wenn ich die ständige Verfügbarkeit von Filmen durch die Digitalisierung schätze, so bleibt es doch ein besonderes Erlebnis, gemeinsam einen Film auf der Leinwand zu schauen und als Filmemacher die unmittelbaren Reaktionen der Zuschauer mitzubekommen. Vom Austausch mit Zuschauern lernt man und schöpft Inspiration für neue Projekte.