Der Diplom-Kommunikationswirt und Business-Coach Michael Fassl ist im gefragten Instagram-Geschäft von der ersten Sekunde an dabei und arbeitet unter anderem mit erfolgreichen Models wie Betty Taube und Swantje Paulina. Im Interview verrät er Einsichten aus der Branche.
Herr Fassl, was gehört zu Ihrer täglichen Arbeit als Manager erfolgreicher „Talents“ alles dazu?
Der Tag besteht überwiegend aus dem Kontakt mit unseren Talents und unseren Kunden, um Werbe-Buchungen inhaltlich zu besprechen und umzusetzen. Telefonate, E-Mails, Whatsapp, Meetings. Darüber hinaus das Begleiten zu Shootings, Events, TV-Auftritten, Meetings und jeglicher Art von Buchungen. Hinzu kommen Tätigkeiten wie Vertragsverhandlungen und -gestaltungen, Gagenverhandlungen, Beratung der Kunden – zum Beispiel hinsichtlich einer effizienten Kampagnenstrategie –, Detailumsetzungen der Kampagnen, die Wahl der richtigen Werbemaßnahmen und die optimale Festlegung der Buy-outs. Besprechungen der individuellen Karrierestrategie der Talents, Projektumsetzungen und PR-Maßnahmen, Kontaktpflege und Strategiebesprechungen mit Partneragenturen, Kunden- und Netzwerkpflege. Nicht zu vergessen: das Monitoring der Buchhaltung und das Delegieren der verschiedensten Aufgaben agenturseitig.
Wie sind Sie in die Branche hineingekommen?
Als 2013 die Idee entstand, Models, die auch eigene digitale Blogs schrieben, zwecks Vermittlung unter Vertrag zu nehmen und eine Art Blogger/Model-Relations-Agentur zu gründen, existierte die Branche so noch gar nicht. Es gab natürlich schon Models und es gab auch bereits Blogger im Fashion- und Beautybereich et cetera, aber daraus eine Managementagentur zu formen, war neu. Facebook und Youtube waren zu diesem Zeitpunkt am Markt, Instagram gab es gerade mal als Foto-App, jedoch noch ohne nennbare Relevanz. Ab circa 2015 entwickelte sich Instagram, wie wir alle wissen, so stark, dass die Blogs und Facebook hinsichtlich der Werbebuchungen sukzessive verdrängt wurden, und wir schufen fast automatisch eine neue Form des „Talent Managements“, also eine Mischung aus klassischem Management – Model, Schauspiel, Künstler – und digitaler Reichweite. Der Aufbau des Netzwerkes erfolgte allerdings schon vorher und ist eher ein lebenslanger Prozess im Business. Ich habe Kommunikationswirtschaft studiert und bin gelernter Life- und Business-Coach. Da fällt mir das Netzwerken zum Glück nicht so schwer …
Wie viele solcher Agenturen gibt es in Deutschland ungefähr und wer sind die großen Player?
Als wir mit unserem Konzept damals starteten, gab es gerade mal drei sich ähnelnde Agenturen in diesem Bereich in Deutschland und vermutlich behauptet jeder von uns, zuerst dagewesen zu sein. (lacht) Eine weitere kannten wir aus New York, die auch erst kurz vorher gestartet war. Heute ist die Vielzahl von Agenturen und Managements in diesem Bereich nicht mehr zu überblicken. Viele bestehende Agenturmodelle haben sich verändert in den letzten zehn Jahren. So haben sich klassische Model-, Künstler-, PR-, Werbe- und Kommunikationsagenturen der digitalen Nachfrage der Kunden stellen müssen und den digitalen Bereich ebenfalls aufgebaut. Es ist also sehr schwer zu sagen, wer tatsächlich zu den großen Playern gehört. Und die Frage, woran man es festmachen möchte, ist auch nicht ganz uninteressant. Umsatz, Gewinn, Anzahl der Talents, Anzahl der Kunden, Anzahl der Mitarbeiter … Sie können heute eine „große“ Agentur mit vielen Talents und Mitarbeitern haben, das bedeutet aber noch lange nicht, dass Sie damit auch Gewinn machen.
Wie verdienen Agenturen ihr Geld – bezahlen die Models/Influencer zum Beispiel einen bestimmten Prozentsatz der Auftragssumme an ihre Agenturen?
Aufgrund der Vielzahl von Agenturen gibt es inzwischen auch unterschiedliche Geschäftsmodelle und unterschiedliche Geschäftszwecke. Am Ende ist die entscheidende Frage immer, welche Dienstleistung an wen erbracht wird und diese muss honoriert werden. Wir verdienen unser Geld mit dem Beraten und Vermitteln von Dienstleistungen.
Sie vertreten mit Ihrer Agentur unter anderem Sofia Tsakiridou, Charleen Weiss und Louisa Mazzurana, die als klassische Models Karriere gemacht haben und auch bei Social Media über eine relevante Reichweite verfügen. Statt von Models oder Influencern sprechen Sie von „Talents“. Warum?
Ich stelle immer wieder fest, dass sich viele im Social-Media-Bereich „Influencer“ nennen, auch wenn sie gar keine relevante Reichweite haben und kaum jemanden beeinflussen. Wichtig ist, dass man als Opinionleader auch eine eigene Meinung hat, aber vor allem auch eine authentische Persönlichkeit, die von anderen gesehen und ernst genommen wird. Nur dann „influenced“ ein Talent auch andere. Nicht Mitläufer, sondern Vorläufer mit einer gesellschaftlichen Verantwortung zu sein, rechtfertigt für mich den Begriff. Wichtig ist für mich, dass ein Talent auch tatsächlich ein Talent hat. Dieses kann sicherlich in unterschiedlichen Bereichen der Fall sein, aber mir geht es eben nicht nur um Instagram oder Tik Tok, sondern auch um Talent außerhalb der digitalen Welt. Beispiele: Sofia Tsakiridou mit Themen wie Yoga/Nachhaltigkeit und Louisa Mazzurana mit Themen wie Selbstfindung/Selbstliebe. Nur wenn Talents unter anderem auch Talent haben, ist es möglich, als Kampagnengesicht für Brands wie Schwarzkopf (Swantje Paulina) oder für Marken wir Prada, Maison Margiela, Calvin Klein (Charleen Weiss) oder BMW (Betty Taube) zu arbeiten.
Sie erhalten häufig Bewerbungen von Models und Influencern, aber vertreten seit Jahren hauptsächlich dieselben erfolgreichen Models bis auf wenige Neuzugänge. Warum nehmen Sie kaum neue Personen auf – ist das vor allem eine Zeitfrage?
2020 habe ich meine Business-Struktur komplett verändert und mir bewusst die Zeit genommen, um zum einen die wirtschaftliche Entwicklung aufgrund von Corona zu beobachten, zum anderen aber vor allem auch, um die Entwicklung der Branche richtig einschätzen zu können. Mich neu aufzustellen war das erklärte Ziel und sicherlich auch mein Lieblingsthema „Optimierung“. Ich denke uns allen war 2020 bewusst, dass Corona zu wirtschaftlichen Folgen führen würde, nur wann und wie genau konnten wir nicht wirklich vorhersehen. Also wollte ich abwarten und nur mit einigen ausgesuchten Talents diesen Weg gehen. Inzwischen sind wir allerdings im Jahr 2024 angekommen und auch, wenn wir jetzt lange über die konsumschwache Wirtschaft, die Corona-Folgen, Kriege, Inflation und so weiter sprechen könnten, so freue ich mich sehr, dass wir gerade die Models Jacky Wruck, Serlina Hohmann und Vincent von Thien aufgenommen haben, die ebenfalls mit ihren Inhalten im Leben wichtige Beiträge leisten.
Müssen Models und Influencer mehr für Sie bieten als Fashion und Beauty? Was und warum?
Unsere Talents sollten in der Lage sein, professionell zu modeln, zu moderieren, frei zu sprechen, Instagram und/oder Tik Tok zu bedienen und gerne in irgendeinem Bereich „Expert“ sein. Hierzu zähle ich auch soziales Engagement wie den Einsatz für Menschen und Tiere in Not. Darüber hinaus ist der Anspruch, der Welt etwas zurückzugeben, wünschenswert.
Ist Instagram immer noch die Nummer eins für Werbeaufträge im Social-Media-Bereich?
Ich spreche nicht für alle und jeden, aber bei uns ist Instagram definitiv noch die Nummer eins.
Was macht die App so erfolgreich und so attraktiv für Marken – was ist der Vorteil für Unternehmen?
Instagram verfügt über eine große Nutzerschaft und vielfältige Zielgruppen, welche gut erreichbar sind. Darüber hinaus über diverse Werbemöglichkeiten für Brands und auch Talents und umfassende Analysetools zur Evaluierung.
Wie können Unternehmen verfolgen, wie erfolgreich ein Post oder eine Kampagne ist?
Das eben angesprochene Analysetool von Instagram bietet fast alles, was das Marketingherz begehrt zur Auswertung /Evaluierung einer Kampagne.
An welchen Zahlen orientiert man sich beim Verhandeln von Gagen und von welchen Faktoren ist es abhängig, wie viel Models oder Influencer verlangen können?
Grundsätzlich ist die Ermittlung des Marktwertes des Talents entscheidend und bildet die Basis für das Festlegen der Tagesgage und für die allgemeinen Buchungspreise. Hinzu kommen natürlich Analysedaten aus PR, Kampagnen und digitalen KPIs (=Key Performance Indicators, deutsch: Schlüsselkennzahlen; Anm. d. Red.). Sehen Sie mir nach, dass ich hier nicht im Detail verrate, wie das funktioniert, denn damit würde ich eine wesentliche Kompetenz unserer Agentur und anderer, die diesen Beruf erlernt haben, auch für den Wettbewerb zugänglich machen…
Es gibt „Influencer“ ohne große Aufträge, die über Zehntausende Follower verfügen, die sie sich gekauft haben, und richtig erfolgreiche Models mit deutlich weniger als 100.000 Followern, die aber gut davon leben können. Was sagt die Zahl der Follower überhaupt noch aus?
Die Anzahl der Follower dient neben dem Erscheinungsbild maximal noch als Interessensindikator. Die meisten Kunden sind aktuell Sales-getrieben und schauen dann, wenn das Interesse geweckt ist – das ist kein Geheimnis – auf die Analysedaten und entscheiden dann erst, ob das Talent zu ihren Bedürfnissen passt oder ob nicht. Ausgenommen hiervon sind Imagekampagnen. Hier zählt ausschließlich die Reichweite und vor allem, ob das Talent zur Marke/Kampagne passt. Hier würde ich mir wünschen, dass Kunden neben allen Analysemöglichkeiten die werberelevante Wirkung einer Imagekampagne nicht außer Acht lassen. Es zeigt sich immer wieder, dass „die passenden Gesichter zur Marke“ in einer gut gemachten, zielgruppenaffinen Kampagne, für eine hohe Identifikation und somit einer hohen Awareness sorgen. Gesichter schaffen Image!
Ab wie vielen echten Followern kann man ungefähr von der Werbung auf Instagram leben?
Die Anzahl ist zwar von Vorteil, aber nicht unbedingt immer relevant. Heute kann jemand 800.000 Follower haben und nicht viel damit verdienen, während jemand mit 10.000 Followern sehr gut gebucht ist. Es kommt inzwischen auf wesentlich mehr an.
Werden Kampagnen/Werbung bei Instagram pro Bild bezahlt oder wie sieht das aus? Welche Modelle gibt es da?
Die Werbemöglichkeiten bei Instagram sind vielfältig. Kunden können Stories, Reels, klassische Beiträge, Live-Sessions und Anzeigen buchen. Darüber hinaus produzieren viele inzwischen auch Content für Marken („UGC Creator“). Oftmals werden ganze Pakete gebucht, bestehend aus Shooting, Events, Instagram und diversen Möglichkeiten bis hin zu Yoga-Sessions.
Wie viel können erfolgreiche Models oder Influencer mit Werbung bei Instagram verdienen?
Von „20 Euro“ bis hin zu mehreren Millionen Euro pro Jahr in der Spitze.
In welche Fallen kann man tappen, wenn man bei Instagram erfolgreich ist, aber kein Hintergrund-Wissen hat?
Den individuellen Karriereweg definieren und dann sukzessive umzusetzen, ist mit einem erfahrenen Team leichter als alleine. Professionell Buchungspreise jeglicher Art kalkulieren kann lange nicht jeder und oftmals ähneln dann die dem Kunden mitgeteilten Gagen dem „Würfeln von Preisen“. Erfahrene Kunden merken dies sofort und nutzen es aus. Vertragsrechtliche Dinge können nachhaltig ebenfalls zu ungewollten Überraschungen führen.
Die Modewelt gilt als oberflächlich. Stimmt das?
Die Modewelt ist oberflächlich mit wenigen Ausnahmen. Dennoch erfreut sie sich nach wie vor einer gewissen Faszination.
Welche Themen sind Ihnen abseits der Modewelt wichtig?
Enge und gute Beziehungen sind privat und beruflich schon immer wichtig gewesen. Ich persönlich finde es aber auch wichtig, dass man sich neben dem Job auch noch für andere Themen/Dinge interessiert und dass vor allem in der heutigen Zeit der Wert des Daseins nicht ausschließlich von Apps wie Instagram, Tik Tok und so weiter bestimmt wird. Themen wie Artenschutz beziehungsweise das damit verbundene Thema der Überpopulation und der daraus resultierenden Nahrungsknappheit sind mir wichtig. Darüber hinaus die immense Verschwendung von Ressourcen auf der Welt. Hier muss sich in der Zukunft einiges ändern, denn ansonsten brauchen wir irgendwann auch keine Social Apps mehr …
Wie haben sich Modebusiness und Social-Media-Markt – auch hinsichtlich Corona – in den letzten Jahren verändert?
Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der letzten Jahre sehen wir alle, dass eine Vielzahl von Unternehmen leider insolvent gegangen ist und weitere folgen werden. Hierzu zählen leider auch sehr viele Unternehmen, welche über zig Jahre auch viele Models/Talents für Fashion-Werbung gebucht haben, auch für Social Media. Einige Unternehmen, die vorher unsere Umsatzlisten angeführt haben, sind inzwischen teilweise aus den Auswertungen verschwunden. Dies führt zwangsläufig zu einem Umdenken seitens sämtlicher Gewerke und schafft Raum für ganz neue Themen, Bereiche und Märkte, denen wir uns öffnen müssen. Hier befindet sich die gesamte Branche gerade in der Findung, eine spannende Zeit! Hinzu kommt, dass es aufgrund von Instagram und Tik Tok wesentlich mehr „sichtbare“ Talente gibt als jemals zuvor. Brands haben inzwischen eine enorme, schnelle Auswahl weltweit und das hat bereits zu einer Marktsättigung geführt. Nicht mehr jeder kann davon leben und muss härter für den Erfolg arbeiten als noch vor vier Jahren. Neue Generationen wie die Gen Z starten durch und haben während Corona beispielsweise via Tik Tok ganz neue Gesichter bekannt gemacht. Nicht zu vergessen ist natürlich die fortschreitende Professionalisierung der gesamten Branche, insbesondere im digitalen Bereich. Kurz: Nach außen hin „cool“ zu sein reicht heute nicht mehr aus!
Was denken Sie, wie sich Social Media in den nächsten Jahren verändern wird?
Der Traum vieler, in diesem Bereich Geld zu verdienen, wird bleiben, aber wie bei einem Produktlebenszyklus läuft auch hier bereits die Degenerationsphase und die „Spreu trennt sich vom Weizen“. Wer hart arbeitet und es mit dem richtigen Content und der richtigen Persönlichkeit schafft, das Interesse auf sich zu ziehen, der wird weiterhin damit Geld verdienen. Werbung wird es immer geben. Wer aber nur halbherzig dabei ist und keine wirklichen Inhalte vermittelt, wird früher oder später raus sein oder hat einfach nur Glück.