Schon in der Grundschule hat er seine ersten Stücke komponiert. Jörg Widmann gehört zu den weltweit besten Klarinettisten und wird als einer der aufregendsten und vielseitigsten Künstler seiner Generation beschrieben.
In München im Jahr 1973 geboren, war der jetzt 50-Jährige das, was man früher durchaus als „Wunderkind“ bezeichnet hat. Mit sieben fängt er an, Klarinette zu spielen, im Grundschulalter komponiert er seine ersten Stücke, bereits als Jugendlicher erhält er wichtige Konzertauftritte, noch minderjährig schreibt er seine erste abendfüllende Oper. Bei der Münchener Biennale wird sie uraufgeführt. Mit Bundespreisen beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ beginnt eine lange Liste von unterschiedlichsten Ehrungen und Auszeichnungen, die er bis dato erhalten hat.
Seine fundierte musikalische Ausbildung als Instrumentalist und als Komponist erhielt er bei den renommiertesten Lehrern in München, Karlsruhe und New York. Darunter Hans Werner Henze und Wolfgang Rihm.
Dabei hat Jörg Widmann sich nie zwischen den unterschiedlichen Betätigungen entschieden. Seit mehr als zwei Jahrzehnten erfüllt er Kompositionsaufträge von führenden Orchestern und Ensembles. Weltweit zu den besten Klarinettisten gehörend, füllt er Konzertsäle überall auf der Welt und ist Inspiration für Komponisten zu neuen Werken für Klarinette. Sein weiteres leidenschaftliches Betätigungsfeld ist das Dirigieren, derzeit unterrichtet Jörg Widmann auch junge Komponisten an der Berliner Barenboim-Sais Akademie. Der vielseitige Musiker steht ganz ohne Rollenkonflikte als Dirigent, Klarinettist und Komponist in einer Person vor dem Orchester. So auch bei den Musikfestspielen Saar: Er wird gemeinsam mit der Sopranistin Sarah Maria Sun und der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern im großen Sendesaal des SR die „Mission Mendelssohn“ mit Klarinette begleiten und dirigieren. Und es wäre verwunderlich, wenn nicht auch eigene Kompositionen von Jörg Widmann im Konzert zu hören sind. So wird er neben der „Hebriden“-Ouvertüre op. 26 von Felix Mendelssohn-Bartholdy, eine Paraphrase über Mendelssohns Hochzeitsmarsch für Violinensolo, „Andante“ aus der Klarinettensonate Es-Dur in einer Bearbeitung für Klarinette, Streichorchester, Harfe und Celesta sowie das 5. Streichquartett mit Sopran, den „Versuch über die Fuge“ in der Version für Sopran und Streichorchester und mit der ersten Sinfonie Mendelssohns den Konzertbesuchern und Mendelssohn Begeisterten wahrhaft Ungewohntes und Neues bieten.
Erstmals ist es gelungen, Jörg Widmann in das Programm der Musikfestspiele Saar aufzunehmen. Nach Saarbrücken wird er in diesem Jahr allerdings öfter kommen. Mit der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern ist er als Creative Partner verbunden. Im Programmzentrum dieser Zusammenarbeit stehen Mozart und Mendelssohn, die Widmann in die heutige Zeit transferiert – als „Moderator am Klavier“, als Klarinettist im Ensemblekonzert und als Dirigent und Vermittler einer „Musik für junge Ohren“ oder eines Gesprächskonzerts.
Für Jörg Widmann ist Mendelssohn ein besonderes Herzensprojekt. „Ich liebe seine Musik, es ist unfassbar, in welchem jungen Alter er schon Meisterwerke geschrieben hat. Im Alter von 15 Jahren eine Sonate für Klarinette und Klavier. Die Sonate habe ich überarbeitet für Klarinette und Streichorchester. Die Klarinettenstimme habe ich unangetastet gelassen, für das Orchester „Farben“ aus unserer Zeit hinzugenommen, Harfe und Cello-Stimmen hinzukomponiert – mit dem Wunsch Mendelssohn zu dienen, mich keinesfalls vor diese Musik zu schieben“, sagt Widmann.
Mendelssohn ist für Jörg Widmann ein ganz besonderes Herzensprojekt
„Ich mag es, klassische Stücke mit Zeitgenössischem zu verbinden, sodass sie sich gegenseitig beleuchten. Wir spielen original Mendelssohn – wie ich ihn heute sehe. Quasi eine Interpretation aus der heutigen Sicht. Ähnlich wie in der Paraphrase mit Violine über Mendelssohns Hochzeitsmarsch.“ Eine Paraphrase, welche Widmann für einen Vater als Geschenk zur Hochzeit seiner Tochter geschrieben hatte. „Liebevoll und in höchst virtuoser Weise. Die Geigerin oder der Geiger muss hier Artistisches vollbringen“, beschreibt der Komponist die besonderen Herausforderungen seines Stückes und lacht.
Als Interpret ist ihm die Auseinandersetzung mit der Tradition ein zentrales Anliegen, erklärt der Komponist seine Begeisterung über die genialen Kompositionen: „Ja ich liebe sie wirklich sehr, natürlich spielen wir die original Mendelssohn Stücke, wie die Hebriden Ouvertüre“. Jörg Widmann zitiert Johannes Brahms: „Ich würde alle meine Werke dahingeben, wenn ich die Hebriden-Ouvertüre von Mendelssohn hätte schreiben können. Und dies von Brahms, der besonders kritisch war. Mehr kann man sich einem Komponisten nicht zu Füßen legen.“ Für Jörg Widmann selbst ist es „die Ouvertüre der Ouvertüren“.
Seine erste Symphonie hat Mendelssohn im Alter von 15 Jahren komponiert. „Er gilt als Götterliebling unter den Komponisten, neben Mozart, und ist für seine Leichtigkeit berühmt, aber in diesem Stück ist geradezu ein ‚angry young man‘ am Werk“, beschreibt Jörg Widmann das Besondere dieser Symphonie. „Im ersten Satz ist es ein sehr düsteres Stück, so wie er den C-Moll-Satz herausschleudert, dass einem Hören und Sehen vergeht. Diese erste Symphonie ist ein in unverdienterweise kaum gespieltes Stück. Also habe ich da tatsächlich ein bisschen eine Mission in Sachen Mendelssohn“, erklärt er bescheiden mit einem Lachen.
Diese Symphonie wird mit Widmanns „Versuch über die Fuge“ flankiert. Das Stück bezieht sich auf Bach und kon-trapunktische Techniken wie Fugen und Kanons. Ein spannendes Stück für die Zuhörerinnen und Zuhörer, in dem Original und Zeitgenössisches das gleiche Thema umkreisen.
Die Musikfestspiele Saar kooperieren seit vielen Jahren erfolgreich mit der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, das als eines der beiden Spitzenorchester hier vor Ort immer einen besonderen Platz im Programm einnimmt. Eva Behr, künstlerische Projektleitung der Festspiele, sieht es als glücklichen Umstand, einen weltberühmten Musiker wie Jörg Widmann dafür gewonnen zu haben. „In den vergangenen Jahren haben wir viele schöne Konzerte miteinander gestaltet und sind immer in engem Austausch bei der Programmgestaltung. Die Radio Philharmonie kam auf uns zu und fragte uns, ob wir bei diesem besonderen Konzert Kooperationspartner sein wollen und wir haben natürlich nicht lange überlegt. Jörg Widmann ist momentan einer der bedeutendsten Komponisten und Interpreten. Ihn im Konzert als Klarinettist, Dirigent und als Komponist zu erleben, das ist eine besondere Sache und so wollten wir da sehr gerne kooperieren“, so Eva Behr. „Zumal passt das Konzert auch sehr gut in unser Gesamtkonzept in diesem Jahr: ‚Aufbrüche‘ heißt unser Thema. Zum einen in Bezug auf einen gesellschaftlichen Aufbruch, den es gerade in der jetzigen Zeit, die gekennzeichnet ist von Krisen und Unruhen weltweit und die die Gesellschaft immer mehr spaltet, mehr denn je braucht. Jörg Widmann gilt auch als Brückenbauer, als Vermittler zwischen Kunst und Publikum, und dem traditionellen Repertoire und der Neuen Musik. Es geht dieses Jahr bei uns, anlässlich des 150.Geburtstags von Arnold Schönberg, eben auch um Aufbruch in die Zukunft, die Überwindung von Tradiertem beziehungsweise die Spiegelung von Tradition in Gegenwärtigem und Zukünftigem. Für alle diese Ansätze steht der Künstler Jörg Widmann und somit ist es wunderbar für uns, die Kooperation eingehen zu können.“